UNTERRICHT: Änderungen des Deutschabiturs ab 2021 (Aufgabenarten, Themen)

Bob Blume
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5. März 2019
7 Kommentare
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Das Abitur im Fach Deutsch (und die gesamte Oberstufe) ändert sich ab dem Jahr 2021 fundamental. Wie sich diese Veränderungen auswirken werden, muss man abwarten. Gerade für das Fach Deutsch sind die Auswirkungen aber, wie ich meine, deutlich. An dieser Stelle nutze ich die unter CC BY 4.0 stehenden Angaben des Landesbildungsservers, um zu den neuen Aufgabenarten kurz meine Einschätzung zu geben. 

Um eine bessere Übersicht zu geben, folgt dem Begriff "Kommentar" meine Einschätzung zu den verschiedenen Bereichen.

Ganz generell ist die stärkste Veränderung, dass es nun wieder Leistungsfächer gibt. Jene Schüler, die Deutsch als Leistungsfach wählen, haben 5 Stunden in der Woche und schriftliche Abiturprüfungen. Die Schüler im Grundkurs hingegen haben 3 Stunden pro Woche und mündliche Prüfungen.

Folgende Aufgabenarten I - III der schriftlichen Abiturprüfung werden im Fach Deutsch angeboten:

Aufgabe I Erörterung literarischer Texte

  1. Erörterung eines literarischen Textes
    ab 2021: entweder zu Goethes "Faust I" oder zu Treichels "Der Verlorene"
    oder
  2. Erörterung zweier literarischer Texte
    ab 2021: Vergleich von Hoffmanns "Der goldene Topf" und Hesses "Steppenwolf"

Kommentar: Zwei sehr entscheidende Veränderungen sind hier zu erkennen. Zum einen geht es nicht um eine Interpretation, sondern um eine Erörterung. Das bedeutet nach meinem Verständnis eine massive Erweiterung, denn die Erörterung ist die argumentative Auseinandersetzung eines Aspekts, der zunächst analytisch herausgearbeitet und interpretiert werden muss.

Aus diesem Grund ergibt sich auch die Tatsache, dass es bei Thema 1 "nur" um jeweils ein Werk geht. Vor allem Faust ist so ergiebig, dass ein an diese Erörterung anschließender Vergleich kaum zu schaffen wäre.

Ein Fragezeichen setze ich hinter "Der Verlorene". Zwar ist Treichels Novelle reichhaltig, aber eben im Gegensatz zum Faust eher dünn (das ist sowohl physisch als auch inhaltlich gemeint). Das kann dazu führen, dass in einem Jahr ein Vergleich gewählt werden kann (und die anderen beiden Werke nicht), in einem der Faust und in einem anderen "Der Verlorene". Ich bin sehr gespannt, wie die Verantwortlichen eine zumindest einigermaßen nachvollziehbarere Vergleichbarkeit des Niveaus hinbekommen werden.

Aufgabe II Interpretation literarischer Texte

  1. Interpretation eines Kurzprosatextes
    (Kurzprosa - Kurzprosa Interpretationsaufsatz  - Parabel)
    oder
  2. Interpretation eines Gedichts bzw. vergleichende Interpretation zweier Gedichte (Gedichtvergleich)
    Leitthema Lyrik: Reisen – deutschsprachige Lyrik vom Sturm und Drang bis zur Gegenwart

Kommentar: Die massive Veränderung betrifft das Wörtchen "oder". Denn nun ist es nicht mehr möglich, seine Präferenzen besonders zu üben, die Vorbereitung wird also breiter werden müssen. Auch ist es nicht mehr möglich, vorm Schreiben der Prüfung zu wechseln (es gab ja durchaus Szenarien, in denen ein Schüler abgeschreckt von einem Kurzprosatext noch zum Gedicht wechselte).

Alles in allem macht es das Ganze unvorhersehbarer. Wenn ein Schüler sich kurz vor dem Abitur auf eine bestimmte Textart konzentrieren möchte, muss er also immer beides - Lyrik und Kurzprosa - üben. Nur eines zu nehmen wäre Russisch Roulette.

Aufgabe III Analyse und Erörterung pragmatischer Texte bzw. materialgestütztes Schreiben

  1. Materialgestütztes Verfassen eines argumentierenden Textes
    oder
  2. Analyse und Erörterung eines pragmatischen Textes (Schwerpunkt Analyse oder Schwerpunkt Erörterung) - Texterörterung

Kommentar: Ich habe schon an anderer Stelle geschrieben, dass ich die Abschaffung des Essays und den Schwenk hin zum materialgestützten Schreiben für fatal halte. Das liegt weniger daran, dass nicht auch das Verfassen eines argumentierenden Textes anspruchsvoll ist, sondern daran, dass der Essay die letzte Möglichkeit war, tatsächlich frei zu schreiben. Frei von Zwängen, vorgegebenen Strukturen, ja sogar Themenzugängen.

Nun ist es eben "gestützt". Das kann zu zwei grundlegenden Veränderungen führen. Erstens ist das Ganze nun formaler: Man muss und kann üben, wie man sich auf einen Text bezieht. Zweitens hängt nun sehr viel vom Dossier ab. Ist es unausgewogen, kann der Schüler nicht mehr in eine bestimmte Richtung argumentieren. Oder es bräuchte einen sehr hohen Aufwand.

Wenn also beispielsweise das Thema "digitale Transformation" im Dossier nur mit den Worten von Spitzer und seiner Lobby gefüttert würde, kann man entweder deren Meinung übernehmen und sie so "stützen" oder muss einen großen Aufwand betreiben, in eine andere Richtung zu schreiben.

Analyse und Erörterung eines pragmatischen Textes bleibt gleich.

Alles in allem werden diese Veränderungen deshalb durchgeführt (so ein einziger Satz, der mitteilt, warum sich alles ändert), damit die Länder auf einen gemeinsamen Aufgabenpool zugreifen können.

Auch in diesem Aufgabenfeld gilt: Der gute Analytiker kann sich nicht darauf verlassen, dass auch eine Analyse gefordert wird. Die Möglichkeiten werden offener.

Die Aufgabenvarianten A und B werden alternativ gestellt, d. h. jeder Satz Prüfungsaufgaben enthält  in der Aufgabe I, II und III entweder die Variante A oder B.

Die Schülerin / Der Schüler

  • erhält alle drei Aufgaben;
  • wählt davon eine Aufgabe aus und bearbeitet diese;
  • vermerkt auf der Reinschrift, welche Aufgabe sie/er bearbeitet hat;
  • ist verpflichtet, die Vollständigkeit der vorgelegten Aufgaben vor Bearbeitungsbeginn zu überprüfen (Anzahl der Blätter, Anlagen usw.).

Unterrichtsmaterial zur Aufsatzerziehung in der Sekundarstufe II finden sie auch hier.

Abschlusskommentar

"Zwei Herzen schlagen, ach! in meiner Brust". Das fasst meine Meinung zu den neuen Aufgabenformen ganz gut zusammen. Zum einen bewirkt die Veränderung, dass es tatsächlich mehr um die Kompetenzen beim Schreiben und Analysieren geht. Es wird schwieriger, einfach einen Satz Lektürehilfen auswendig zu lernen.

Auf der anderen Seite muss man meiner Ansicht nach bemängeln, dass das Korsett sowohl thematisch als auch textspezifisch enger geschnürt wird.

Inwiefern sich dies auf die Abiturnoten oder die Freude an der Behandlung der Themen auswirken wird, sei mal dahingestellt. Ich bin skeptisch.


Der Text dieser Seite ist verfügbar unter der Lizenz CC BY 4.0 International
Urheber: Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Quelle: http://www.schule-bw.de

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