Alle, die diesen Blog lesen und verfolgen, wissen, dass ich mich immer noch sehr mit der Sache der Referendarinnen und Referendare befasse. Insofern habe ich auch zugestimmt, dass ich hier einen Blickwinkel von Referendaren veröffentliche, der deutlich machen soll, in welcher Lage die jungen Lehrkräfte (hier aus NRW) sich sehen. Ich hoffe auf eine sachliche Diskussion und natürlich um Sichtbarkeit bei den Entscheidungsträgern.
Eigentlich dachten wir, wir sind nicht mehr die ersten, die unter Pandemie Bedingungen ihr Examen machen. Zwei Jahrgänge vor uns haben das auch schon geschafft und trotzdem ist wieder alles anders?
Von Anfang an
Unser Referendariat startete unter Corona-Bedingungen im November 2020. Ein Monat ist das gut gegangen, dann plötzliche Schulschließungen schon vor den Winterferien. Damals hatten wir noch nicht mal einen ersten Unterrichtsbesuch absolviert. Unklar blieb, wie lange die Schulen geschlossen bleiben. Voller Energie und Tatendrang durften wir uns beim Online- Learning austoben und sind vermutlich jetzt alle Meister*innen von digitalen Tools. Aber ist das alles? Bis wir zurückdurften, mussten wir uns nochmal mindestens drei Monate gedulden. Im Distanzunterricht durften wir unsere eigenen Klassen kennenlernen und absolvierten Planungspräsentationen und Unterrichtsstunden über digitale Plattformen als Unterrichtsbesuche. Unterricht unter Anleitung gab es auch noch, häufig waren das aber eher Nachhilfestunden von uns für unsere Ausbildungslehrkräfte in Sachen Technik. Dann kurz vor den Osterferien hieß es Wechselunterricht. Nach den Osterferien gab es dann nochmal kurz kompletten Distanzunterricht, danach wieder Wechselunterricht. Langfristige Unterrichtsvorhaben und Reihenplanungen waren in diesem ganzen hin und her häufig für die Tonne. Zu oft mussten wir zwei oder drei Eventualitäten mitdenken, als ob wir nicht schon genug anderes zu tun gehabt hätten. Die meisten von uns haben erst ihren 7. oder 8. Unterrichtsbesuch in Präsenz in voller Klassenstärke abhalten können, zu vor häufiges Beten, dass die Klasse, man selbst oder die Fachleitung nicht in Quarantäne muss. Und ob wir die Lernenden unserer Klasse dann richtig kannten und die Lernausgangslagen bestimmen konnten? Fühlte sich ein bisschen so an wie das schwarze Bild unserer Lernenden (Kamera aus) während des Homeschoolings.
Von mangelnder Praxiserfahrung spricht in unserem Jahrgang aber auf einmal keiner mehr.
Und jetzt?
Wir haben im Februar Examen. Die Winterferien sind eigentlich eine gute Zeit, um sich auf das Staatsexamen vorzubereiten, dachten wir. Aktuell ist wieder alles unklar, wie es nach den Weihnachtsferien weitergehen soll. Verlängerte Ferien, Schulschließungen, Wechselunterricht, Distanzunterricht? Keine*r weiß, wie es weitergehen wird. Da kommen die Erinnerungen von vor einem Jahr doch wieder hoch. Auch jetzt heißt es wieder Reihenplanungen und langfristige Unterrichtsvorhaben undenkbar?
„Nach derzeitiger Rechtslage sollen alle in der OVP enthaltenen pandemiebedingten Ausnahmevorschriften der §§ 4a und 32a OVP zum 31. Dezember 2021 auslaufen.“*
Unterstützung haben wir uns vom Prüfungsamt erhofft. Die hatten bereits mit zwei Jahrgängen Erfahrungen gemacht. Aber anstatt vorausschauend zu planen, dachte das Prüfungsamt wohl, die Pandemie sei zu Ende und deshalb könne man ja auch Vorkehrungen zu Alternativformaten aussetzen. Auch der Passus eines Freiversuchs ist für uns nicht mehr gegeben. Warum auch? Wir hatten doch ein ganz normales Referendariat oder nicht?
Leute, wir waren noch nie ohne Maske im Klassenzimmer! Vor den Sommerferien kannten uns kaum Lernende und ob wir schon so richtig im System Schule angekommen sind, sei auch mal dahingestellt. Keine*r kann was für die aktuelle Situation, aber warum arbeitet das Prüfungsamt jetzt auch noch gegen uns? Wenn wir euch doch eins zeigen konnten, dann wie flexibel wir unter den Gegebenheiten agiert haben, aber muss das so kurz vor der Prüfung auch noch sein? Warum können Planungspräsentationen unter diesen Gegebenheiten nicht zumindest eine Option sein? Ich mein, in digitalen Tools sind wir doch Meister*innen. Und warum hatten andere Jahrgänge einen Freiversuch? Sind wir nicht genauso betroffen gewesen?
Die Pandemie hat das digitale Lernen vermutlich weit nach vorne gebracht. Die Referendariats-Ausbildung hat sich leider nicht weiterentwickelt und wirkt vor dem Hintergrund eher rückschrittlich.
*https://www.pruefungsamt.nrw.de/startseite/aktuelles