Alle Jahre wieder fällt irgendeinem Journalisten (oder einem aufgebrachten User) ein, dass er noch seine semi-witzige Kolumne mit unterkomplexen Oberflächlichkeiten füllen muss. Seinen Blick über die Raufasertapete schweifen lassend erinnert er sich an seine Schulzeit und hat die glorreiche Idee, den Lehrern des Landes richtig einen einzuschenken. Mal wieder. Denn die Gerhard-Schröder-Gedenkkeule wird in regelmäßigen Abständen herausgeholt. Natürlich: Denn alles, was man über die faulen Säcke namens Lehrer sagt, ist wahr. 

Lest entweder

Die Updates zu den wiederkehrenden Kolumnen finden sich am Ende des Essays, der die reine Wahrheit entlarvt.

Lehrerklischees, oder: Ihr habt mich erwischt!

Ferienzeit. Lesezeit. Auch mal bei Unterhaltungsmedien. Spiegel-Online zum Beispiel. Lehrermangel festgestellt. Nichts Neues, aber nun gut. Die Kommentare verheißen hingegen nichts Gutes. Ein bloßes „halbes Jahr Arbeit“ hätten die Lehrer, wenn man alles abziehe, also Wochenenden, Hitzefrei, Ferien, bewegliche Feiertage, Schulausflüge und was es sonst noch alles gibt, das die Pädagogen eigentlich von Burn-Out und Frühpensionierung trennen müsste. Dass dem nicht so ist, dass also ein hoher Prozentsatz an Pädagogen in die Arbeitsunfähigkeit geht, liegt, so „tschephu“ daran, dass diejenigen, die die Diagnosen stellten, selber Beamte sind. Alles Verschwörung also? Auf ZDF-Info einigte man sich schnell auf den reißerischen Titel: “Versager im Dienst” (Mittwoch, 26.02.2014). Was soll das? Eigentlich ist doch alles wahr.

Es ist endlich an der Zeit, dass wir Lehrer zugeben müssen. Ja, alles ist ein abgekartetes Spiel. Gerhard Schröder hatte als er noch keine Ölrohre in der Taiga verlegen musste recht, als er von den „faulen Säcken“ sprach. Denn es ist so, wie alle sagen:

In den Ferien kann man immer und sofort abschalten, weil am Ende des letzten Schultages alles, aber auch wirklich alles erledigt ist. Sofort stürzt man in das nächste Flugzeug nach egal-wohin und lässt es sich bis Sonntagabend um 8 Uhr abends gut gehen. Dann fängt der Tatort und der Ernst des Lebens an.

Montags, während der Fahrt in die Schule, überlegt man sich dann, was man unterrichten könnte, was kein Problem ist, weil das Lehrerstudium so ungemein praxisnah ist, dass sowohl das Methoden- als auch das Wissensrepertoire quasi nicht mehr genährt werden muss. Und das Referendariat ist so locker, dass eigentlich nichts mehr Neues dazu kommt. Endlich kann man mal sein, wie man ist.

Da die Schüler still sind und immer zuhören, vergeht so eine Woche dann auch, ohne dass man nur den geringsten Funken von Anstrengung über sich ergehen lassen muss. Was hätte ich bei anderen Jobs gelitten. Aber als Lehrer, nein, als Lehrer kommt schon der nächste bewegliche Ferientag.

Diese Ferientage verlaufen dann im Prinzip wie die Ferien selbst, da man weder Dienstsitzungen hat, noch Konferenzen. Man braucht auch keine Fortbildungen zu machen, da die sich durch das fundamentale Studium erübrigt haben.

Korrekturen könnten nun für den gewieften, auf seine Anstrengung pochenden Pädagogen ein Argument sein, aber auch die sind ja im Prinzip nicht weiter als Freizeitbeschäftigung. Was kann denn so schwer daran sein, ein paar Aufsätze zu korrigieren? Zumal es so gut wie nichts zu korrigieren gibt. Alles ist perfekt und man ist in wenigen Tagen durch.

Hitzefrei gibt es natürlich auch alle zwei bis drei Tage. Vor allem im nördlichen Schwarzwald kann man Anfang des Frühlings vor Hitze sonst auch nicht mehr aus dem Haus. Und da man dann ja sowieso zu Hause ist, kann man direkt wieder in die Ferienstimmung übergehen.

Und bevor ich es vergesse: Ja, ihr Kritiker, ihr habt auch recht damit, dass Klassenfahrten pures Freizeitvergnügen sind. Keine Verantwortung, keine Vorbereitung, kein Druck, keine Organisation. Zurücklehnen, die Kinder wegschicken und totfahren lassen – und genießen.

Manche Pauker haben sogar so viel Zeit, dass sie aus Spaß noch Blogs unterhalten – natürlich alles auf dem Rücken ihrer Schüler.

Dem kann man eigentlich nichts mehr hinzufügen, außer: Ihr habt mich erwischt. Ich bin einer von ihnen.

Und das nächste Mal werde ich mich über Ärzte beschweren. Denn ich weiß alles, was Ärzte so machen. Ich war schließlich auch mal ein Patient. Aber Arzt werden will ich irgendwie auch nicht.

Updates

UPDATE: Alle Jahre wieder. Dieses Mal dieser glorreiche Kommentar!

 

UPDATE: Nun sind es fünf Jahre. Aber seht selbst.

UPDATE: Mittlerweile sind vier Jahre seit Erscheinen des Artikels vergangen. Wieder gibt es eine neue Welle der Empörung über die faulen Lehrer. Dieses Mal verzichte ich jedoch auf eine Verlinkung.

UPDATE: Zwei Jahre sind mittlerweile vergangen seit es dieser Artikel auf Nummer 1 der Google-Suchliste schaffte, weil wohl viele Leute wissen möchten, wie das so ist mit den Lehrerklischees. Und es ist mal wieder so weit. Das Lehrerbashing ist en vogue. Und zwar von Menschen, die ihre Schulzeit so erlebten, wie folgt:

Ich bin nicht gerne in die Schule gegangen. Es war ein langweiliger Ort, an dem gelangweilte Lehrer an der Tafel standen und souverän jedem Thema den Spannungsstachel zogen. Geschichte bestand im Auswendiglernen von Jahreszahlen, als ob Antike, Mittelalter, Renaissance und Neuzeit aus nicht mehr als ein paar trockenen Daten bestanden, die wie Vokabeln abgefragt werden müssen. Sieben, fünf, drei – Rom schlüpft aus dem Ei.

Dass so jemand wie dieser Welt-Journalist einen besseren Deutschlehrer gebraucht hätte, zeigt sich am mangelnden Differenzierungsvermögen. Da sind es “die” Lehrer (ja, alle), die “Dienst nach Vorschrift machen”. Alles, was dann folgt, ist nur mit einem Wort zu beschreiben: blöd! Aber wenn man keine Ahnung hat, dann schreibt man eben über Dinge, die man nicht kennt. Und jetzt viel Spaß mit der Version von 2013. Denn eigentlich haben sie ja alle Recht, die lieben Kritiker.

 

Einblicke in den Alltag eines Lehrers.

Habe ich noch etwas vergessen? Ihr könnt gerne kommentieren.

Natürlich gibt es auch Schülerklischees. Zum Beispiel, dass sie keine Bücher mehr lesen. Wenn dem so ist, gibt es hier ein Video: Das Buch – ein neues Medium stellt sich vor. 

 

37 Kommentare

  1. Deinen Artikel werde ich mir das nächste Mal an die Stirn kleben, sobald es mit dem “Ach, du bist Lehrerin….da hast du ja drei Monate Urlaub… blabla…faule Beamte….blabla…nur 28 Stunden…blabla…völlig überbezahlt…blabla…man stelle sich das in der freien Wirtschaft vor…blabla…du weißt ja nicht, wie es im richtigen Leben ist…blabla…in der Grundschule hat man ja keine Vorbereitung…blabla…” los geht.
    Dann kann ich mich nämlich entspannt zurück lehnen. Und muss mich nicht anstrengen. Deshalb bin ich ja auch Beamtin geworden.

  2. “Sie als Lehrer haben ja so viel Freizeit!”
    “Haben Sie Kinder?”
    “Ja, zwei.”
    “Wie alt sind die?”
    “12 und 15.”
    “Und in der Pubertät?”
    “Und wie!”
    “Ich hab 30 in jeder Klasse, 6 bis 8 Stunden pro Tag.”
    “…”

  3. Du hast vergessen, dass die Kinder wie vor 20 Jahren, alle wohlerzogen sind und man keine Erziehungsarbeiten als Lehrer leisten muss, da sich die Eltern aktiv um ihre Kinder kümmern, Zeit mit ihnen verbringen und so nichts den Lehrern überlassen…

  4. Meine schlichte Antwort auf Lehrer-Bashing: “Ja, wenn du den Job so toll findest, warum bist DU dann eigentlich nicht Lehrer?” Die Antworten sind eigentlich IMMER betretenes Schweigen oder lautes Von-Sich-Weisen… 😉 Und somit hat sie die Diskussion dann sehr schnell erledigt. 😀

  5. Sehr schön! Und logo: Mit dem Tatort kommt der Höhepunkt der Woche, von dessen Spannung man sich erst einmal fünf Tage lang im Klassenzimmer erholen muss. Ich ergänze noch die Schulfeste, an denen immer Eltern und Schüler alles organisieren, während die sich die Lehrer am Bratwurststand die Wänste vollstopfen.

  6. Schöner Text. Wie wahr 🙂

    Zu dem P.S. (das jetzt nicht mehr da ist): Ich habe Spiegel Online gelesen, wo in den Kommentaren zu einem Artikel über ein Humorseminar für Lehrer der Link erwähnt wurde. So habe ich diese Seite gefunden. Vielleicht erklärt das auch den restlichen Ansturm?

    Viele Grüße!

  7. […] Lehrer-Bashing funktioniert immer dann, wenn gerade nichts anderes geht. Und es funktioniert, denn jeder hatte mal einen Lehrer, den er nicht leiden konnte oder der unfair war. Interessanter Weise ergibt sich aber ein anderes Bild, wenn man den Lehrern und den Schüler*innen zuhört. […]

  8. Da ich eine Freundin habe, die Lehrerin ist, habe ich auch in den Beruf Einblick. Ich muss zugeben, hätte ich das alles nach dem Abitur gewusst, hätte ich auf Lehramt studiert. Allein schon die Vorteile, die sie als junge Mutter hat, sind phänomenal gegenüber Frauen in der freien Wirtschaft (mit Ende 20 bereits zwei Kinder und Haus (wer kann sich sonst mit Mitte 20 bereits ein Haus in Düsseldorf leisten???) und keinerlei Angst nach der Elternzeit wieder einen Job zu finden, geschweige denn aus diesem rausgemobbt zu werden wegen der Kinder). Ich bin mir sicher, dass einige Lehrer wirklich bemüht sind, allerdings waren 80% meiner Lehrer auch extrem uninspirierend und haben mir jeglichen Spaß am Lehrnen genommen. Daher würde ich sagen, ist das Ganze ein extrem schwieriges Thema, die wenigsten Lehrer haben jemals in der freien Wirtschafts gearbeitet und können damit gewisse Kritikpunkte nachempfinden (die besagt Freundin schaut auch immer wie ein Auto, wenn wir ihr von Job-Ungewissheiten etc. etwas erzählen). Und die wenigsten nicht Lehrer haben jemals an einer Schule gearbeitet. Ob ich 8 Stunden Teenager ertragen würde? Wer weiß das schon.

    • Ich finde die Gedanken am Schluss wichtig. Aber auch so habe ich Fragen: Was genau ist diese “freie Wirtschaft” von der alle reden? Diese Pauschalisieren ist schwierig, weil es sicher zutreffend sein kann, je nachdem, in welchem Unternehmen etc. man sich befindet. Und andersrum kann ich genauso – und genauso unzutreffend – sagen: In der “freien Wirtschaft” würde ich mit meinem Abschluss um einiges mehr verdienen (plus allem, was man mit mehr monetären Mitteln machen kann). Das andere ist: Dass Sie von ihrer Freundin auf alle anderen schließen, ist absolut nachvollziehbar, aber eben auch gefährlich. Ich weiß nicht, welchen Job Sie haben, aber ich würde mich davor hüten, alle jene, die ihn machen, über einen Kamm zu scheren. Gibt es faule Lehrer? Ja, klar. Wie in jedem anderen Job auch. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich auch genügend Lehrer kenne, die sich Tag für Tag für Ihre Schüler*innen verzehren, alles geben und das bis es nicht mehr geht. Ihnen sei auch das Haus in Düsseldorf gegönnt.

      • Natürlich kann man nicht auf alle schließen. Da ich selber in einem gerne pauschalisierten Beruf arbeite, kenne ich dies nur zu gut. Allerdings habe ich auch als Immobilienmaklerin Einblick in diverse Gehaltsabrechnungen und die Vorstellung, dass Sie als Lehrer weniger verdienen als jemand, der mit ähnlichem Universitätsabschluss in der sogenannten “freien Wirtschaft” arbeitet, ist schlichtweg falsch. Von der Höhe eines Lehrergehalts, den Urlaubsansprüchen und den Sicherheiten, die dieser Beruf mit sich bringt, können die meisten Master-Absolventen nur träumen. (einige Ausnahmen in wenigen Studiengängen einmal ausgeschlossen) Daher kommt auch der Neid 😉 Dazu finde ich, dass einige Passagen in Ihrem Text als Vergleiche sehr hinken. Was sicher der gewollten Überspitzung dient. Denn natürlich benötigt ein Lehrer, so wie jeder andere Arbeitnehmer auch, einige Tage, bis er abgeschaltet hat im Urlaub (der bei den meisten eben nur bei ca. 24 Tagen im Jahr liegt)und genauso macht eben ein Lehrer, so wie jeder andere Arbeitnehmer auch, in seiner Freizeit schon einmal Fortbildungen. Dadurch bezweckt der Text bei einem Nicht-Lehrer leider genau das gegenteilige Gefühl, welches, glaube ich, von Ihnen beabsichtigt war. Aber das ist reine Interpretation, vielleicht wollte Sie auch etwas anecken und provozieren? Trotzdem spannend einmal etwas mehr über die andere Seite dieser ständigen Diskussion zu erfahren.

        • Damit haben Sie Recht: Ich wollte natürlich anecken und bewusst polemisch sein. Wenn darüber ein Austausch stattfindet, umso besser.

        • Sicherlich ist das Pauschalisieren immer schwierig, doch habe ich, dank 10 Jahren in der freien Wirtschaft (als Industriemechaniker in einer Lebensmittelfabrik und Testfahrer für die Marke mit dem Stern) und mittlerweile 5 Jahren im Schuldienst einen gewissen Vergleich. Ich arbeite jetzt deutlich mehr und verdiene marginal mehr, dafür macht der jetzige Beruf deutlich mehr “Spaß”.
          Die oft angebrachte Jobsicherheit bezieht sich auch nur auf einen Job irgendwo in BaWü und da würde man idR auch in einem anderen Tätigkeitsfeld fündig werden. Zudem habe ich als Industriemechaniker 8-10 Std. täglich gearbeitet und war danach Privatperson und habe, ehrlich gesagt, nach der Schicht, am Wochenende und während des Urlaubs keinen Gedanken an die Arbeit / die Firma verschwendet. Dies ist jetzt völlig anders, da man eben nach der Schule (meist der angenehmere Teil des Jobs) an den Wochenenden oder in den Ferien zuhause korrigiert, plant, oganisiert, vorbereitet etc.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein