Man wird ja als Lehrer öfters mal gefragt, ob der Beruf den auch Berufung sei oder ob man es sich jetzt, nach ein paar Jahren, nicht anders überlegen würde. Eine kurze und knappe Antwort verbietet sich da völlig. Denn ob ein Lehrer es gerade noch so schafft, die Wohnungstür zu öffnen und auf der Stelle im Flur über der Tasche einzuschlafen, wie eine missglückte Yoga-Figur, oder ob man über die Treppen hüpft und sich direkt an den Schreibtisch schwingt, um frisch heraus die nächsten Stunden zu planen, entscheidet man nicht selbst. Kurz gesagt: Jeder Lehrer wird zustimmen, dass es SOLCHE und SOLCHE Stunden gibt. Das hat weniger mit der Klasse als Vielmehr mit den Begleitumständen zu tun. Während das eine Mal alles stimmt, gibt es das andere Mal eine Ansage und dann noch eine, Schüler machen eine Umfrage, der Hauptdarsteller von Fast and Furious ist tot und was es sonst noch so an wichtigen Dingen im Leben von Pubertierenden und Postpubertierenden (also den Lehrern) gibt.

Und zwischendrin kommt dann so etwas heraus, was man Unterricht nennt.

Schatten- und Sonnenseiten des Unterrichts.

 

SOLCHE SOLCHE
Kurz vor dem zweiten Klingeln komme ich in die Klasse. Sie strahlen mich an, die Sonne scheint und die Begrüßung rollt kräftig durch den Raum. Ich steige in die Stunde ein, die Schüler diskutieren sofort los und sind ganz bei der Sache. Kurz nach dem zweiten Klingeln bemerke ich, dass ich zwar alles kopiert habe, es sich aber um einen anderen Tag gehandelt hat. Unter leisem Fluchen stürme ich zum Drucker. Der eine Drucker braucht neuen Toner, der andere neues Papier. Ich renne zum Sekretariat. Keiner da, weil es wohl jemandem schlecht ist. Ich renne in das Krankenzimmer und bemerke, dass ich eigentlich das DIN-A 4 brauche…
Die wichtigsten Dinge sind schon ins Heft notiert und jetzt können wir mit dem Arbeiten anfangen. Gruppen bilden sich innerhalb von 15 Sekunden, die Blätter werden gelesen und Ideen ausgetauscht. Mit vor Spaß geröteten Wangen geht es los.

 

…das ich nun hochgetragen habe. Ich kopiere die Seiten und stürme in die Klasse. Die Schüler sitzen mehr über als nebeneinander. Ich rufe, dass ich da bin. Eineinhalb Minuten später bemerkt mich jemand und zuckt mit den Schulten. Ich rufe: Hallo, ich bin da. Dann geht es los. Also das Einsammeln der Geldes, das ich noch machen wollte, aber leider habe ich die Liste verloren, die ich holen gehe. Ich renne ins Lehrerzimmer zur Liste und will sie kopieren. Der zweite Toner ist auch alle. Ich merke, dass ich ja einfach auch die Liste in meiner Hand nehmen kann und gehe wieder runter. Die Schüler sitzen wieder zusammen wie Gemälde von Van Gogh. Ich klatsche mit den Händen und sie klatschen mit.
Die Schüler machen geniale Szenen über die Lektüre vor und wir nehmen sie auf und schicken sie an einen Wettbewerb, den wir dann natürlich später auch gewinnen. Die Schüler applaudieren und jauchzen, ob wie morgen auch wieder weiter machen können. Ich applaudiere auch und lasse mich dazu hinreißen, einen Kuchen mitzubringen. Während ich sage, dass wir doch bitte Unterricht machen wollen, merke ich, dass ich zwar alles kopiert habe, aber leider keine Folie kopiert habe. Ich frage die Schüler, ob sie es auch so sehen könnten, woraufhin alle „NEIN“ rufen. Einige Schüler melden sich, weil sie es kopieren wollen. Ich lasse sie gehen. Sie kommen wieder, weil sie ja nicht den Code haben.Ich sage, sie sollen sich setzen und schon einmal über den Sinn des Lebens nachdenken und renne zum Kopierer.
Ein Schüler sagt, dass ihm die Stunde nicht nur Spaß gemacht hat, sondern auch etwas zu seinem Leben beigetragen hat und steht spontan auf den Tisch (ja, was jetzt folgt ist alles aus dem Film, in den sich die Lehrer so gerne reindenken). Dann sagt er noch O’Captain, my Captain“ und alle tun es ihm nach. Als ich wieder zurück bin und die Folie auflegen will, bemerke ich, dass der Overheadprojektor nicht da ist. Ich frage die Klasse, warum sie mir das nicht gesagt haben und sie antworten, dass ich ja auch nicht gefragt habe. Ich bitte einen rüberzugehen, um den OHP zu holen. Der ist aber, wie sich rausstellt kaputt. Ich frage sie, ob sie jetzt den Sinn des Lebens gefunden haben und sie sagen zu meinem Erstaunen ja, es sei ein Ton, der der Sinn des Lebens sei. Und während ich noch so nachdenke, warum der Sinn des Lebens ein Ton sein soll…
 

 

 

 

…ertönt die Glocke und ich frage mich

 

 

 

 

War das jetzt eine SOLCHE oder eine SOLCHE Stunde?

Warnung: Beitrag kann Spuren von Ironie enthalten.

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