In einem Gespräch mit einem mir sehr bekannten Referendar versuche ich, in Erinnerung zu rufen, vor welchen großen und kleinen Problemen man am Anfang der Schuldienstes stand. Und vielleicht heute noch steht. Mein Gesprächspartner: Ich selbst.

 

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Referendars-Ich: Danke, dass du dir Zeit nimmst. Obwohl ich finde, dass ein solches Gespräch schon eine Menge Selbstbezogenheit erfordert. Aber gut…

Lehrer-Ich: Musst du gerade sagen.

Referendars-Ich: Bitte lass’ uns nicht mit Nebensächlichkeiten aufhalten. Ich habe keine Zeit.

Lehrer-Ich: Was musst du denn machen?

Referendars-Ich: Weiß ich noch nicht.

Lehrer-Ich: Du hast keine Zeit, weiß aber noch nicht, warum nicht?

Referendars-Ich: Genau. Eigentlich fängt das Referendariat erst in ein paar Monaten an, aber wenn ich so im Internet surfe, dann scheint es so, als wüssten alle schon ganz genau, was sie zu tun haben. Es wird mir empfohlen schon mit einem Vorpraktikum anzufangen, um die Schule kennenzulernen und…

Lehrer-Ich: Halt, halt, halt!

Referendars-Ich: Bitte?

Lehrer-Ich: Sehe ich das richtig: Du hast eigentlich Zeit, aber du willst dir jetzt schon den Stress machen, den du bald erst haben wirst. Wow. So hatte ich das gar nicht in Erinnerung. Ein Härtefall also. Mein erster Tipp: Entschlacke ein wenig. Natürlich kannst du dich einlesen, aber das, was du im Referendariat erlebst, kommt früh genug.

Referendars-Ich: Und was soll ich stattdessen machen?

Lehrer-Ich: Nun, ich würde ja erst einmal gar nichts machen und versuchen, Kraft zu tanken. Aber wenn du unbedingt was tun willst, dann sprich mit Leuten, die sich auskennen und nicht mit denen, die sich denselben Stress machen. Guck mal auf Twitter vorbei…

Referendars-Ich: Ich weiß nicht. Das ist nichts für mich…

Lehrer-Ich: Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mir einiges erspart.

Referendars-Ich: Erspart?

Lehrer-Ich: Die Lehrerkrankheit, alles besser zu wissen, beginnt nicht mit der Verbeamtung. Leider geht es schon früher los. Irgendjemand weiß immer schon, was neu, wichtig oder besonders schlimm ist. Da braucht man Leute, die einen auf den Boden bringen und sagen, welche Prioritäten man setzt.

Referendars-Ich: Was ist denn am wichtigsten?

Lehrer-Ich: Am wichtigsten ist, dass man früh genug versteht, dass man weder perfekt ist noch, dass es von einem erwartet wird. Im Gegenteil: Wer im Referendariat nicht experimentiert, der wird später länger brauchen, sich zu finden?

Referendars-Ich: Sich zu finden? Bist du jetzt unter die Esoteriker gegangen? So will ich aber später nicht sein.

Lehrer-Ich: Zu spät. Scherz beiseite: Sich als Lehrperson finden. Das, was man so vage „authentisch“ nennt, kann ja vieles sein. Es gibt strenge, lustige, coole, altmodische und viele Lehrer mehr, die eines gemeinsam haben: Sie machen guten Unterricht und werden von den Schüler_Innen gemocht. Nicht, weil sie gleich sind, sondern weil sie sich gefunden haben. Aber das geht nur, wenn man experimentiert.

Referendars-Ich: Das sagt sich so leicht. Weißt du nicht mehr, an was man alles denken muss. Und dann kommen die Besuche, die Prüfungen… Ich könnt schon wieder heulen.

Lehrer-Ich: Klar weiß ich das noch. Und ich weiß auch noch, was für ein Druck das war. Aber auf der anderen Seite erinnere ich mich gut daran, wann mit und den Kindern der Unterricht am meisten Spaß gemacht hat.

Referendars-Ich: Und wann war das?

Lehrer-Ich: Wenn wir gemeinsam Sachen ausprobiert haben und auch akzeptiert haben, wenn mal was nicht geklappt hat. Die Schüler_Innen respektieren jemanden, der sein eigenes kleines Scheitern zugibt mehr als jemanden, der alles perfekt machen will.

Referendars-Ich: Aber das wird doch von uns gefordert: Alles perfekt zu machen.

Lehrer-Ich: Nein, das stimmt so nicht. Ich gebe dir Recht. Es hat den Anschein, als wenn alles perfekt laufen sollte. Aber in Wirklichkeit geht es darum, das große Ganze zu sehen. Die Angemessenheit der Situation. Das sind wir schon tief im Unterricht. Eigentlich kann nichts Besseres passieren, als wenn dir die Lehrprobe aus dem Ruder läuft.

Referendars-Ich: Wie bitte?

Lehrer-Ich: Na, stell’ dir vor, jemand bekommt Nasenbluten, gerade als du in der Erarbeitungsphase bist. Was denkst du ist besser: Unterricht durchziehen und Mäxchen auf die Toilette schicken oder dich um das kümmern, was wichtig ist?

Referendars-Ich: Verstehe. Und wie bekomme ich ein Gespür dafür?

Lehrer-Ich: Indem du von Anfang an daran denkst, was wichtig ist: Die Kinder. Nicht der Unterricht. Nicht der Besucher. Nicht der Fachleiter. Nicht die Note. Natürlich: All das wird entscheidend sein, wenn es um den Abschluss geht. Ja, um den Job. Aber eine gute Note bekommt man nicht, weil man sekundengenau taktet oder weil man die schönste Pyramide ausgeschnitten hat. Das sind Kleinigkeiten. Das Wichtigste und schwerste ist die gute Beziehung zur Klasse. Und das merken die Kinder.

Referendars-Ich: Und warum schwer? Wie stelle ich das an?

Lehrer-Ich: Schwer, weil du dauernd von Klasse zu Klasse springst und nie eine wirklich lange Zeit hast, um dich um die wichtigen Dinge zu kümmern. Dann das Organisatorische. Es ist wirklich nicht einfach. Das Beste, was man machen kann, ist wirkliche Neugierde an den Tag zu legen. Die Namen wissen und merken. Fragen, wie es den Kindern geht, was ihnen Spaß macht. Wenn die Beziehung zur Klasse stimmt, kann man sich auf den Rest konzentrieren. Andersrum wird es sehr schwer.

Referendars-Ich: Und was ist, wenn ich was falsch mache?

Lehrer-Ich: Umso besser. Dann wird das thematisiert. Anders: Alles richtig machen geht nicht. Schlicht unmöglich.

Referendars-Ich: Ich male mit immer Situationen aus, in denen ich nicht weiterkomme. Hast du da einen Tipp für?

Lehrer-Ich: Solche Situationen wird es immer wieder geben. Auch jetzt noch oder in zehn Jahren. Es gibt verschiedene Strategien, damit umzugehen. Meine ist: Transparenz. Ich weiß etwas nicht: Ich sage, dass ich es nicht weiß. Ein Schüler ist Experte: Ich freue mich und binde ihn ein. Ich bin sauer… Usw.

Referendars-Ich: Hört sich einfach an.

Lehrer-Ich: Ganz so leicht ist es nicht. Man muss auch Zugeständnisse an sich selbst machen. Aber dann läuft es.

Referendars-Ich: Das ist ja alles schön und gut, aber ich weiß jetzt immer noch nicht, was ich jetzt machen soll.

Lehrer-Ich: Erstens: Mache dich nicht verrückt. Zweitens: Lies doch schon ein wenig von dem, was du später unterrichtest. Stell dir vor, wie du es erklärst. Oder schreibe einen Blog. Falls du da keine Lust zu hast, solltest du dir Sorgen machen. Die Schüler merken, ob jemand für seine Themen brennt oder nicht.

Referendars-Ich: Hört sich gut an. Aber einen Blog? Wofür das denn?

Lehrer-Ich: Lehrer sind in der Tat oft Einzelkämpfer. Aber es gibt ein kleines gallisches Dorf, das immer größer wird. Da schreiben die Lehrer darüber, was sie bewegt, wo sie Schwierigkeiten haben oder welche Tipps sie haben. So kann man sich selbst nochmals hinterfragen und gleichzeitig anderen helfen.

Referendars-Ich: Und was ist, wenn ich merke, dass ich eigentlich kein Lehrer werden will.

Lehrer-Ich: Dann wirst du kein Lehrer. Lass es. Mach was anderes.

Referendars-Ich: In unserem Falle habe ich ja eine Sicherheit.

Lehrer-Ich: Ich mag deinen Humor.

Wer noch mehr erfahren möchte, kann das Buch “Das Abc der gelassenen Referendare” käuflich erwerben. Es richtet sich an Lehramststudentinnen und Studenten sowie an Referendarinnen und Referendare, die schon vor oder beim Beginn ein paar hilfreiche Tipps gebrauchen können.

Man kann es hier über Amazon oder auf der Seite des Verlags kaufen.

 

Weitere Referendariatsthemen im Blog: Schizophrenie als Lebensgefühl,Eine sehr lebendige KlasseLehrerklischeesUnterricht: Dichtung und WahrheitTest: welcher Lehrertyp sind Sie?Rede zum Abschluss des Referendariats

Aktuell:

Referendars-Gedanken, Folge I: Tage des Zorns 

Referendars-Gedanken, Folge II: Tage der Demut

Referendars-Gedanken, Folge III: Tage der Erschöpfung

 

 

 

5 Kommentare

  1. Mir ist mein Referndars-Ich inzwischen so fremd, dass ich vermutlich nicht mit seiner Stimme sprechen könnte. Dafür würde es mich andererseits sehr interessieren, was es mir zu sagen hätte. Bei dir hat das Referendars-Ich ja keine großen Ratschläge an das Lehrer-Ich, aber das ist vermutlich normal so.

  2. und liebes referendar-ich, lass dich trotz miserabler Bezahlung (ein Bachelor verdient bereits mehr als du mit deinem lausigen Examen) und Entsozialisierung deiner Familien- bzw. Lebensumstände (ohne flexible Mobilität geht im Ref und danach gar nichts) sowie dem Spitzenranking beim Burn-Out-Syndrom bitte nie entmutigen, denn wie man sich in einer Infobroschüre eines gewissen Verbandes äußerte, die Defizite in der Lehrerausbildung seien systemimmanent.
    Tatsächlich kann der Beruf, falls man sich gegenüber den Diskrepanzen eine TeflonHaut aneignet, sogar schön sein.

  3. Ich stehe noch vor dem Referendariats-Ich. Noch sehr weit davor. Zunächst habe ich noch ein komplettes Semester Praktikum. Auch dafür hat mir der Text schon geholfen 🙂
    Danke für deine Kreativität und Können, hier das “Interview” einzustellen.
    Es ist auch für später eine super Idee, um seine Entwicklung der Lehrerpersönlichkeit zu überblicken 🙂
    Einen schönen Tag noch und liebe Grüße 🙂

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