REFERENDARIAT: Völlig ernst gemeinte Überlebenstricks zum Referendariat

Bob Blume
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3. November 2013
17 Kommentare
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Das Referendariat ist eine sehr schöne und unanstrengende Zeit, in der die eigene Gesundheit gefördert, die Stimme geschont und die Selbstwahrnehmung gestärkt werden. Hat man es hinter sich, will man es immer wieder machen. Wobei mehrere Monate Fegefeuer auch eine Alternative wären. Vielleicht sogar die entspannendere. Mit diesen Überlebenstricks gelingt das Referendariat auf jeden Fall. 

1. Nimm alle Ratschläge an

Dieser erste Trick bezieht sich natürlich schon auf den Text an sich. Alle wissen, was man in Stresssituationen macht, also wollen auch alle helfen. Nehmt alles an. Immer. Nehmt also diesen Text genau so ernst, wie die Ratschläge des erstbesten Kollegen, der 1970 auch schon mal im Referendariat war. Auch wenn es euch innerlich zerreißt, setzt keine Prioritäten, sondern zergeht wie die Butter in der Pfanne der Ratschläge.

2. Das Wort der Fachleiter ist Gesetz

Die Fachleiter wissen und können alles, da sie nicht nur meist sehr gut ausgebildete Lehrer sind, sondern neben ihrem Job als Fachleiter oftmals fast genau so viele Stunden geben wie ihr. Da es beim Lehrerberuf überhaupt nicht auf Persönlichkeit und individuelle Präferenzen ankommt, müsst ihr euch nur selbst aufgeben und auf alles hören, was ihr gesagt bekommt.

3. Zündet ein Feuerwerk ab

Egal, was alle anderen über die Unterrichtsbesuche und die Lehrproben sagen: Zündet ein Feuerwerk ab. Ihr werdet später im Beruf auf jeden Fall auch die Chance haben, für jede einzelne Stunde weitere drei Tage am Schreibtisch zu sitzen. Innerhalb von fünf Jahren wird es zwar etwas problematisch, aber das Schöne ist ja, dass nur alle anderen den Schizophrenen für verrückt halten. In diesem Sinne: Erfindet die Didaktik neu, bringt einen selbst angemalten rosa Elefanten mit, der zum Einstieg das Einmaleins aufsagt oder ein Lied singt.

4. Hinterfragt eure Existenz

Wenn es nicht klappen sollte, dass ihr Tag für Tag und zwar an jedem Tag in der Woche besser seid, als ihr euch vorgenommen habt, dann kann es nichts werden. Ihr solltet auf keinen Fall denken, dass dies nur am Tag oder an den Schülern lag, dass es nicht geklappt hat. Es ist immer alles eure eigene Schuld. Nicht nur das: Vielleicht hab ihr den falschen Beruf gewählt. Und was sagt das erst über euren Charakter aus. Vielleicht ist das gesamte bisherige Leben eine Lüge. Brecht also bei der kleinsten Kleinigkeit zusammen und zweifelt an eurer Existenz.

5. Nehmt die Schüler nicht ernst

Na klar, ihr werdet Lehrer (oder wollt es). Aber deshalb sollte man die Schüler lange nicht ernst nehmen. Seht sie wie Manager das Geld: Sie sind euer Material, wenn es um den steilen Aufstieg auf der Karriereleiter geht. Deshalb solltet ihr auch nicht auf die Klasse, geschweige denn auf einzelne Schüler eingehen. Zieht euer Ding durch, egal was passiert. Dies gilt natürlich auch für Lehrproben und Besuche. Nur weil ein Schüler, nachdem er durchs Fenster gestürzt ist, fast verblutet, heißt das nicht, dass ihr euch darum kümmern solltet.

6. Haltet euch immer an den Plan

Deshalb heißt es auch: Wenn ihr einmal einen Plan habt, dann müsst ihr euch zu jeder Zeit daran halten. Und zwar auf die Minute genau. Falls Schüler auf eine gute Idee kommen sollten, tut einfach, als hättet ihr es nicht gehört. Plant so, dass die Schüler gar nicht erst die Möglichkeit haben, zu Wort zu kommen. Die Fachleiter werden es euch danken, weil sie sehen und anerkennen, dass eure Struktur so steif ist, dass ihr auch mal ein toller, steifer Lehrer sein werdet, der nicht auf die Schüler, aber dafür auch nicht selber eingeht.

7. Macht euch gegenseitig Stress

Es gibt immer einen Termin, den jemand anderes noch nicht weiß. Surft im Web und schaut auf den Kalender. Es wird sich ein Termin finden lassen, den noch nicht jeder weiß. Wenn dem so ist, reagiert direkt panisch. Erzählt es herum, indem ihr eure Augen aus dem Kopf drückt, damit jeder weiß, was er verpasst hat. Zweifelt dabei aber auch immer an eurer eigenen Fähigkeit, Informationen aufzunehmen. Das heißt: Selbst wenn ihr was zu wissen glaubt, schaut noch mal nach. Und dann nochmals. Und dann sagt es allen anderen. Immer wieder.

8. Macht euch doppelt Stress

Noch mehr Stress machen könnt ihr, wenn ihr die Prüfungsordnung so schnell wie möglich so studiert, dass ihr schon alles wisst (bzw. wieder zu wissen glaubt), dass ihr alle anderen damit behelligen könnt. Aber gebt euch nicht zufrieden. Fragt die Dozenten und Fachleiter schon in der ersten Sitzung danach, was man nach der Einstiegsfrage machen muss. Und dann fragt ihr jede weitere Sitzung. Falls sich etwas ändern wird, und das wird es, vergesst nicht, direkt panisch zu reagieren. Ruft andere Referendare an und macht ihnen Angst.

9. Seid nie ehrlich

Wenn ihr bis dahin alles beherzigt habt, seid ihr auf einem guten Weg. Lügt aber, was eure eigene Planung und den Unterricht angeht. Sagt, dass ihr immer alles unter Kontrolle habt, dass die Schüler euch lieben und schon am ersten Tag ein Lied für euch geschrieben haben. Sagt, dass euch das alles kalt lässt und dass ihr gar nicht verstehen könnt, was das Gejammer soll. Sagt euren Eltern, dass ihr den Job mögt und dass ihr euch darauf freut.

10. Kappt alle sozialen Kontakte

Mal ehrlich: Es geht ja nur noch um euch. Ihr solltet eigentlich gar nichts mehr machen, was euch Spaß macht. Kein Buch, keinen Film, keine Spaziergänge. Das Wichtigste ist aber, dass ihr all eure sozialen Kontakte zerstört. Das macht ihr am besten, indem ihr nur darüber redet, wie schlecht es euch geht und die anderen nicht mehr zu Wort kommen lasst. Wenn dann mal jemand fragt, ob ihr was machen wollt, dann lacht einfach ganz laut und sagt, dass ihr über ihn und nicht mit ihm lacht. Nur wenn ihr alle sozialen Kontakte zerstört habt, werdet ihr erfolgreich sein.

Wenn ihr all diese Tipps beherzigt, werdet ihr ein verdammt tolles Referendariat haben. Nach mehreren Jahren geschlossener Station werdet ihr den Lehrerberuf dann bestimmt auch genießen können.

Wegweiser

Dieser Beitrag ist Teil des Buches „Wegweiser Referendariat“, in dem alle wichtigen Blogartikel zum Referendariat vollständig überarbeitet, erweitert und angepasst in einem handlichen Buch auf 200 Seiten gesammelt sind.

Der Lehrer und Schulleiter Jan-Martin Klinge urteilt über das Buch: „Es ist ganz einfach: Wenn Sie dieses Buch lesen, werden Sie ein besserer Lehrer“.

17 comments on “REFERENDARIAT: Völlig ernst gemeinte Überlebenstricks zum Referendariat”

  1. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so arg über einen Beitrag lachen musste. Zum Teil auch über mich selbst: Bis zum rosafarbenen Elefanten dachte ich tatsächlich, dass es ernst gemeint ist. ?

  2. Noch mehr Tipps: Lass Dich immer überreden das zu machen was du wirklich nicht kannst, gerade im UB. Benutze immer und ausgiebig die Tafel: Lange Sicherungen stärken das Selbstbewusstsein

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