Bevor man diesen Beitrag liest, zunächst ein Disclaimer: Es geht hier nur um mich und die Rollen, die ich inne habe, die ich mir zuschreibe und die mir zugeschrieben werden. Es ist ein persönlicher Artikel, ein lautes Denken, eine Reflexion. Es geht um eine Frage, die mich zunehmend beschäftigt und die durch eine Diskussion für mich nochmals virulent geworden ist. Nämlich die titelgebende Frage, wer ich (im professionellen Sinn) eigentlich bin. Und wie viele davon. Nach dem Schreiben des Artikels habe ich das Gefühl, dass man diesen als Rechtfertigung lesen kann. Dies war und ist nicht intendiert. 

Worum es nicht geht

Wenn ich darüber schreibe, was ich mache und welche Rolle ich dabei habe, spare ich meine Rolle als Ehemann und Familienvater aus. Dies handhabe ich auch online in den meisten Fällen so.

Worum es geht

Als ich meinen Blog im Jahre 2012 startete (und außer einem wenig benutzten Twitter-Kanal, den ich dann wieder löschte, nicht auf Social-Media anwesend war) war das für mich deshalb eine so grundlegende Veränderung, weil ich mir eingestehen musste, dass es mich doch erfreute, wenn jemand las, was ich schrieb. Ich schrieb bis dahin, so sagte ich, für mich. Seit ich etwa 15 war. Zaghafte literarische Versuche, Politisches, wenig Bildung, viele Lieder.

Als ich aber sah, dass es eine Resonanz gab, da freute mich das. Dass es damals 20 Lesende am Tag waren und nicht 5000 interessierte mich damals wie heute nicht. Aber dennoch: Mutig schrieb ich in die Selbstbezeichnung “Blogger” und als ich meinen ersten Artikel für den Raabe-Verlag schrieb, schrieb ich auch noch “Autor” dazu. Eine Selbstüberhöhung, der einen Wunschtraum von mir in die Selbstbezeichnung brachte: ein Autor zu sein und schreiben zu können. Weil ich es liebe zu schreiben.

Mittlerweile, als hauptberuflicher Lehrer, stehen diese drei Selbstbezeichnungen immer noch auf dem Blog:

Aber geändert hat sich dennoch etwas. Es sind Bezeichnungen dazugekommen, von denen ich bisher nicht wusste, wie ich mit ihnen umgehe. Ich glaube, ich weiß es aber immer mehr. Dazu mehr in dieser Reflexion.

 

 

 

Anlass

Nach einem für mich unsäglichen Artikel im Tagesspiegel, schrieb ich einen Artikel, in dem ich die Machart und die Aussage dieses Artikels scharf verurteile. Dass ich Stellung zu Artikeln oder zu politischen Entscheidungen treffe, ist nichts Ungewöhnliches (allein in der Coronazeit gab es davon etliche, z.B. hier, hier oder hier). Genauso veröffentlichte ich Gastartikel von Eltern, um auch ihre Perspektive einzubringen (z.B. hier oder hier). Und das im Übrigen immer in einer Zeit, in der gerade auf Social-Media die (nachvollziehbare) Empörung in die eine oder andere Richtung ging. Es mag für den einen oder anderen merkwürdig erscheinen, aber ich schreibe Artikel zu aktuellen Themen aus Impulsen heraus, ohne viel nachzudenken (was man dann leider auch immer mal wieder an Flüchtigkeitsfehlern erkennen kann).

Nun aber war ich mit folgender Aussage des von mir sehr geschätzten Kollegen Matthias Förtsch konfrontiert, der der Auffassung ist, dass man Lehrer-Bashing grundsätzlich ignorieren sollte (was eine nachvollziehbare Auffassung ist).

In meinen Antworten erklärte ich dann sowohl, dass ich auf den Beitrag reagiert habe, weil es das ist, was ich als Bildungsblogger tue als auch, dass mir viele Lehrerinnen und Lehrer geschrieben haben, dass sie meinen Beitrag als wichtig erachteten. Darauf schrieb Matthias, ob ich mich als Sprachrohr für alle Lehrerinnen und Lehrer fühle.

Diese Frage, die für mich deshalb ein wenig als Anklage klingt, weil die Mengenbezeichnung keine ist, die irgendjemand für sich reklamieren könnte, ist für mich zentral für eine Antwort darauf, welche Rolle und Funktion ich in welchem Kontext einnehme. Denn auch das sollte klar sein: In unterschiedlichen Kontexten übernimmt man unterschiedliche Rollen. Auffällig dabei ist allerdings für mich mehr und mehr, wie sehr diese vermischt werden können. Das ist nicht, dass man jemandem vorwerfen könnte. Für mich und meine Rollen bedeutet das aber immer wieder Verwirrung, Irritation oder zumindest die Fragestellung, wer genau eigentlich gemeint ist.

Zu den Rollen:

Lehrer

Ich bin Gymnasiallehrer, wenngleich ich mich sehr darüber freue, auch als Realschullehrer gearbeitet und auch Werkrealschüler unterrichtet zu haben (eine Erfahrung, die ich mittlerweile nicht hoch genug einschätzen kann). Als Gymnasiallehrer bin ich verantwortlich für meine Schülerinnen und Schüler. Für mich ist es ein zentrales Anliegen, ihnen Perspektiven auf die Welt zu eröffnen, in die Zukunft, die Vergangenheit, ihre Identität, ihre Fähigkeiten. Das ist mein Hauptanliegen: Diese Perspektiven zu geben, die Kunst des Lernens zu verbessern und sie bei der Entdeckung all der interessanten Entwicklungen der Welt zu unterstützen.

Ich trete ihnen gegenüber nicht als Referent, als Influencer oder als Webvideoproduzent auf. In der Schule und der Klasse kann ich von anderen Tätigkeiten profitieren, aber ich trage sie nicht vor mir her (zumindest hoffe ich das, denn das ist alles andere als das, was ich möchte). Die Rolle als Lehrer meiner Schule, nämlich der, an der ich arbeite, halte ich von meinen anderweitigen Tätigkeiten auf Distanz. Ich twittere nur dann über Dinge, die in der Schule passieren, wenn diese entweder sowieso öffentlich sind, wenn es abgesprochen ist oder wenn es sich um eine Erfahrung handelt, die verallgemeinert werden kann.

Blogger

Ich blogge. Und das macht mich zum Blogger. Aber auch wenn ich bei der tollen und langen Liste von Lehrerblogs eingereiht bin, würde ich den Blog immer noch nicht als solchen bezeichnen. Einfach deshalb, weil ich hier sowohl literarisch tätig bin, weil ich eben Kolumnen schreibe, weil ich Unterrichtsmaterialien und Musterlösungen zur Verfügung stelle, weil Menschen aus unterschiedlichen Bereichen Gastbeiträge schreiben können. Ich verstehe, dass das ein wenig merkwürdig sein mag, aber ich schreibe hier auf meinem Blog als Blogger. Auf der Homepage meiner Schule tue ich es als Lehrer.

Natürlich gibt es inhaltliche Überschneidungen, das ist gar keine Frage. Aber ich meine Rolle als Blogger trenne ich von der als Lehrer meiner eigenen Schule.

In meinem Blog teile ich, was ich tue. Ich schreibe Interpretationen, um mir selbst über Inhalte klar zu werden (und nicht nur passiv dabei zu sein), schreibe Erfahrungsberichte und Anleitungen, weil ich denke, dass ich andere für Dinge begeistern kann, wenn ich selbst begeistert bin. Und schreibe immer noch Literatur, weil es mir einfach Spaß macht, und unabhängig davon, ob diese gelesen wird oder nicht.

Referent

Seit etwa 2014 arbeite ich als Referent für digitale Medien. Wenn ich als solcher auftrete und zu Themen wie digitale Didaktik oder Fernunterricht den Teilnehmenden vorgestellt werde, werden meine Selbstbezeichnungen meist kurz erwähnt. Aber auch hier spielt meine Funktion als Lehrer einer bestimmten Schule eher eine untergeordnete Rolle. Ich trete auf als Experte für digitalen Unterricht, und zwar deshalb, weil ich diesen seit 10 Jahren durchführe, öffentlich reflektiere und, soweit möglich, theoretisch zu ergründen versuche.

Mein Ziel ist es, dass reflektiertes Lernen im digitalen Wandel, eines, das auch die Kultur der Digitalität ernst nimmt, Anschluss findet. Anschluss findet auch bei denen, die den massiven Veränderungen kritisch gegenüber stehen. Ich will keine Revolution, bei der keiner mitkommt, sondern eine Evolution, deren Nutzen möglichst viele verstehen.

Webvideoproduzent

Ich mache Youtube-Videos und seit neuestem auch ab und an Kurzvideos als eine Art Möglichkeit, über mich selbst oder die Umstände zu lachen. Die von anderer Seite erfolgte Zuschreibung finde ich am wenigsten geeignet, um meine Tätigkeiten zu beschrieben, einfach weil dies neben meinem Beruf als Lehrer und meiner Nebentätigkeit als Blogger, Referent etc. am wenigsten Zeit einnimmt. Das gilt im Übrigen auch für die Bezeichnung Podcaster.

Meine Videos sollen vor allem meinen Oberstufenschülerinnen und -schülern die Möglichkeit geben, Inhalte vor- oder nachzubearbeiten. Sie dienen als Impulse für Zuhause oder in individuellen Arbeitsphasen. Aber auch hier muss ich zugeben: Es ist auch einfach ein Hobby, das mir Spaß macht, wenn ich es ausüben kann.

Autor

Ich habe schon anklingen lassen, dass ich mich in einer Art Hoffnung, dass sich mein Wunsch erfüllen möge, schon sehr früh als Autor bezeichnet habe. Seitdem ich bei einer vorzüglichen Agentur unter Vertrag stehe, die mit mir Projekte plant und durchführt, ist diese Bezeichnung keine mehr, vor der ich zurückschrecke. Nach mittlerweile acht Fachbüchern und einem Publikumsbuch denke ich, dass dies auch nicht zu hochgegriffen ist.

In den bisherigen Büchern, die ich schreiben durfte, habe ich immer wieder versucht, meine Begeisterung für den Beruf oder für Unterrichtsmethoden, gerade wenn sie mit digitalen Medien zu tun haben, mit anderen zu teilen. Ich wiederhole es hier nochmals: Mir geht es um Anschlussfähigkeit. Ich bin so überzeugt davon, dass sich Lernen, Lehren – ja, dass sich Bildung ändern muss, dass ich es für wenig sinnvoll halte, eine Revolution auszurufen und mit den Schultern zu zucken, wenn viele auf der Strecke bleiben.

Influencer

Dem Begriff Influencer haftet, meist wohl auch zu Recht, ein unangenehmer Unterton an. Man assoziiert gut aussehende, durchtrainierte Menschen, die ihre Parfümlinie, Kekse oder Schuhe verkaufen wollen (übrigens: Sollen Sie doch! Ich habe schon öfter mal Sachen gekauft, die von Influencern gelobt worden sind. Ätsch). Im Bildungsbereich ist es nicht so einfach. “In Anlehnung an Zaske (o.J.) sind Bildungsinfluencer*innen „digital[e] Meinungsbildner“ im Bildungsbereich”, schreibt Elke Höfler in ihrem Artikel zu Bildungsinfluencern. Und weiter:

“Das Attribut Bildungsinfluencer*in verleihe man sich nicht selbst, sondern man werde dazu ernannt, meint Andreas Wittke (2019a) in einem Vortrag über Bildungsinfluencer*innen;”
Ganz in diesem Sinne habe ich nach einem öffentlich ausgetragenen Konflikt, in dem ein Medienexperte mich in diskreditierende Absicht als einen solchen bezeichnete, die Bezeichnung auf Instagram übernommen (Ich rolle das hier nicht nochmal aus). Und nachdem ich als solcher für die Wahl-Sendung auf Youtube, eine Initiative des UBSK zur Prävention von Kindesmissbrauch und als Influencer für den Lehrerberuf unter Vertrag genommen worden bin, kann ich das wohl auch so sagen: Ich bin Bildungsinfluencer!
Als solcher bin ich vor allem auf Instagram aktiv (mehr dazu in dem Podcast Lehrerzimmer Leaks). Habe ich während der Anfangszeit von Corona eher Tutorials geteilt, sind es nun vor allem Kommentare und Aphorismen zur politischen Lage und dem Lehrer:innenberuf, die ich dort teile. Übrigens: Man mag das bescheuert, sinnlos oder peinlich finden. Mir schreiben täglich bis zu hundert Personen, wie sehr eine Aussage, ein Post oder sonstiges ihnen Mut gemacht hat, sie zum Lachen gebracht oder sie unterstützt hat. Und wenn das so ist, dann mache ich das sehr gerne!
Dass der Begriff “Bildungsinfluencer” auf das Publikumsbuch kam, war eine Entscheidung, die ich zusammen mit dem Verlag getroffen habe. Dabei ging es es darum, wie das “Ich” in dem Titel einer breiten Öffentlichkeit verständlich gemacht werden kann. Auch “Blogger” war um Gespräch, bezeichnet aber einen kleineren Teil dessen, was ich online tue. Deshalb wurde es eben “Bildungsinfluencer”, ein Titel, der natürlich auch von Zeitungen übernommen wird, die Interviews mit mir durchführen.

Kritik

Gerade die letzte Rolle ist natürlich jene, die am meisten kritisiert werden kann. “Die Beiträge im #twitterlehrerzimmer oszillieren zwischen den Polen eines inhaltsgetriebenen Working out loud (vgl. Wampfler, 2020) und einer subjektgetriebenen Selbstdarstellung zur Identitätskonstruktion in einer Gesellschaft der Singularitäten, wie von Reckwitz (2019a, 2019b) beschrieben”, heißt es nochmals bei Höfler.

Meiner Erfahrung nach erfolgt die Beschreibung der Intention immer nach Gruppenkonstellationen: Ist jemand der eigenen Sache verpflichtet, ist sein Tun gut und die Person nur zufällig im Mittelpunkt (das muss dann auch immer wiederholt werden, als sei eine Veröffentlichung oder eine Artikel etwas Peinliches, weil es nicht aus dem Nichts auftaucht, sondern auch von einer Person verfasst worden ist).

Ist jemand nicht der eigenen Sache verpflichtet, ist sein Tun schlecht und sein Handeln getrieben von Egoismus und Gier nach Likes. Wer aber gut oder schlecht ist. Beim wem es um die Sache geht oder nur um sich selbst, das entscheiden die Netzwerke. Ist das Urteil einmal gefällt, kann nichts getan werden, um diesem entgegenzusteuern.

Interessant ist es dennoch, die teilweise in Verleumdungen und übler Nachrede resultierenden Reden von einigen Protagonisten zu erfahren und gleichzeitig von den minutiös geplanten Social-Media-Kampagnen dieser Figuren zu hören, in denen jede Aktion genau abgesprochen wird, um eine möglichst hohe Wirkung (und das heißt natürlich auch Retweets und Likes) zu erzielen. Das würde natürlich innerhalb bestimmter Kreise keiner kritisieren, denn dann handelt es sich um die Guten (ich bleibe hier bewusst sehr im Vagen, weil ich die teilweise bösartigen Auswüchse, die sich mir gegenüber schon ergeben haben und auch weiterhin ergeben, nicht einmal Menschen antun würde, die ich für intellektuell herausgefordert halte).

Wer ich nun eigentlich bin?

Bin ich also nun Ehemann, Vater, Lehrer, Blogger, Webvideoproduzent, Podcaster, Autor oder Influencer? Die Antwort ist: Ja!

Aber eben nicht in jedem Kontext gleichermaßen. Ich verstehe sehr gut, dass das verwirrend ist und ehrlich gesagt habe ich schon mehr als einmal den Wunsch gehabt, dass ein Agent Smith mich vor die Wahl stellt, mir eine Sache auszusuchen. Aber vielleicht sind es auch die unterschiedlichen Rollen, die das Leben so spannend machen können.

Eines ist für mich jedenfalls klar: Wenn ich einen Impuls habe, auf einen diskreditierenden Artikel oder eine politische Entscheidung zu antworten, dann werde ich das auch weiterhin tun. Zum einen, weil ich die Schnauze nicht halten (auch dann, wenn mich das auf eine Naziliste bringt) kann, weil ich es liebe zu schreiben und weil in der Tat sehr viele Menschen immer und immer wieder sagen, wie sehr sie es schätzen, dass ich die Stimme erhebe und die Bilder die von Lehrerinnen und Lehrern gezeichnet werden, nicht so stehengelassen werden sollten. Falls sich das dann nochmals 25.000 Menschen durchlesen, dann entschuldige ich mich jetzt schonmal im Voraus.

Und falls das jemand blöd findet oder peinlich oder egozentrisch oder anmaßend oder was auch immer: Ich verstehe das. Ich finde selbst einige, die von sich selbst meinen, Heilige zu sein blöd, peinlich, egozentrisch oder anmaßend. Aber das Schöne ist: Keiner wird dazu gezwungen, jemandem zu folgen, Texte oder Bücher zu lesen oder auf derselben Plattform zu sein. Entsprechend sollten die Konsequenzen getroffen werden.

Und was meinen die Follower?

Ich habe mal auf Instagram gefragt, wie die Follower zu dem Sachverhalt stehen. Hier die Frage und einige Antworten.

Dagegen halten?

Tschüss, euer Bildungsinfluencer.

 

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