Bald wird in allen Bundesländern der Unterricht wieder begonnen haben. Die Bedingungen: Unterschiedlich, verschieden, unübersichtlich. Alles bleibt also anders, wie gehabt. Vor den Weihnachtsferien sind viele Lehrerinnen und Lehrer auf dem Zahnfleisch gegangen, formulierten selbst, dass es so nicht weitergehen könne. In einem Space zur momentanen Lage ergaben sich einmal mehr diese Stimmen, die zu diesem kurzen Impuls geführt haben. Die Frage: Was können Lehrerinnen und Lehrer tun, um in der nächsten Zeit konstant weiterzuarbeiten, ohne auszubrennen?
Anmerkung
Es versteht sich von selbst, dass diese Strategien Vorschläge sind, die ich selbst auch nicht immer schaffe umzusetzen. Sie sind zunächst eine persönliche Überlegung. Am Ende des Artikels finden sich weitere Tipps aus meinem Netzwerk. Die Frage ist gestellt, aber die Antworten schaue ich mir vor Beendigung des Artikels nicht an, damit meine eigenen Überlegungen nicht verzerrt werden.
Mein Fokus liegt auf denjenigen Bereichen, die entweder am meisten Zeit einnehmen (Vorbereitung, Nachbereitung und Korrektur) und denen, bei denen es am schwierigsten ist, Abstriche zu machen (Unterricht, Terminierung von Klassenarbeiten). Auch wenn es höchstwahrscheinlich klar ist, sollte hier nochmal deutlich werden, dass dies keine Empfehlung für "Dienst nach Vorschrift" ist, sondern der Versuch, Vorschläge dafür zu geben, dass weiterhin guter Unterricht gewährleistet werden kann, ohne dass man sich dafür bis in die Erschöpfung aufreibt.
Vorbereitung I
Seit diesem Schuljahr arbeite ich meist nach dem von mir erdachten Zwieback-Prinzip. Die Kurzfassung: Ich versuche an ein bis zwei Tagen die nächste Woche so vorzubereiten, dass der Unterricht grundsätzlich gehalten werden könnte, auf einem guten bis ordentlichen Niveau. Quasi der erste Backvorgang. Wenn ich genügend Ressourcen habe, dann kommen die Gimmicks, aber eben erst dann. Im bisherigen Schuljahr hat diese Vorgehensweise dazu geführt, dass ich in der Zeit, als ich eine Kollegin vertreten habe und es extrem anstrengend war, auf den zweiten Durchgang der Vorbereitung verzichtet habe. Als sich die Situation ein wenig entspannte, konnte ich an Details feilen. Auch wenn es sich "einfach" anhört: Auszuhalten, dass nicht alles bis ins letzte Details geplant ist, ist gerade für Anfänger, die aus dem Referendariat kommen und denken, alles müsste eine 1er Lehrprobe sein, nicht einfach. Aber es schont letztlich die eigene Gesundheit und wir alle wissen, dass gerade Stunden, in denen es ein wenig Freiraum gibt, besonders fruchtbar sein können.
Vorbereitung II
Für den einen oder anderen mag es eine Zusatzarbeit sein. Für mich aber ist das ständige Protokollieren dessen, was ich schon gemacht habe (bei mir digital über die Applikation OneNote, in der ich für jede Woche einen Stundenplan habe) psychisch entlastend. Es ist nur eine Kleinigkeit. Aber der Blick auf die Haken hinter die vorbereiteten Stunden entlastet mein Gehirn von der ständigen Frage, ob ich auch wirklich fertig bin.
Nachbereitung
Noch ein Wort zum Einsatz digitaler Tools: Einige wenige Tools wie Padlet (oder TaskCard), Board.Net und Etherpads sind nicht nur nützlich, um den Unterricht innovativer zu gestalten oder nach außen zu öffnen. Richtig eingesetzt helfen sie dabei, Unterrichtsergebnisse zu archivieren und somit die Sicherungsphase abzuschaffen. Richtig gehört! Das geht natürlich nicht immer und es ist vielleicht auch nicht immer geboten oder sinnvoll. Aber manchmal eben schon. Wenn also eine offene Aufgabe gestellt wird, die in einer Ergebnissammlung mündet und diese Ergebnisse dann direkt digital gespeichert werden, hat man entweder mehr Zeit, weil nicht alle alles zur gleichen Zeit von der Tafel abschreiben müssen oder man kann diese Zeit anders einteilen (ich habe auch schon Ergebnisse selbst zusammengefasst und der Klasse dann zur Verfügung gestellt. Was sich nach mehr Arbeit anhört, ist in Wirklichkeit eine effizientere Arbeit, da man das Ganze nicht in Echtzeit erstellen muss).
Unterricht
Der Herzstück der Arbeit von Lehrerinnen und Lehrern ist sicherlich der Unterricht. Dieser ist oftmals geprägt von verschiedenen Zwängen, die mit dem Stoff, der Zeit und den Umständen zu tun haben. Während die Umstände normalerweise auch schon herausfordernd sind und mit Baustellen vor dem Klassenzimmer, ungenügendem Platz etc. zusammenhängen, verändert Corona vieles, wenn nicht alles.
Der Scherz ist, dass die politisch Verantwortlichen dem keine Rechnung tragen.
Während also getestet wird, Pausen versetzt, Fälle eingetragen und Hygieneregeln erklärt werden, ändert sich an den systematischen Gegebenheiten (Klassenarbeiten, Konferenzen etc.) genau gar nichts. Im Tunnel der Arbeit ist es mir schon so gegangen, dass ich einen Druck verspürte, von dem ich gar nicht genau wusste, wo er herkam. Mit etwas Abstand kann man sagen: Es ist ganz einfach: Wir müssen unter extrem erschwerten Bedingungen und mit meist weniger Zeit genau dasselbe machen, wie sonst auch. Das kann nicht funktionieren. Zumindest nicht so, dass man einigermaßen gelassen bleibt (und was noch wichtiger ist: Die Schüler:innen nicht noch mehr unter Druck setzt).
Nach dieser langen Vorrede die sich daraus ergebende Schlussfolgerung: Wir können unter Umständen nicht das Gleiche leisten wie sonst. Trivial! Konkret bedeutet das, dass ich einplane, dass ich nicht alles einplanen kann. Ich plane auch nicht so weit wie sonst, da ein Jahresplan, der unter den Bedingungen der Normalität erstellt worden ist, mir ansonsten ständig suggeriert, dass ich hinterher bin. Ich finde, wir müssen verstehen: "Hinter dem Stoff" zu sein und das zu wissen und gelassen damit umzugehen ist deutlich besser, als dauerhaft zu rennen und wortwörtlich zu pressen, nur um dann festzustellen, dass man es dennoch nicht schafft.
Aber es gibt doch Bildungspläne! Ja, das stimmt. Das bedeutet auch nicht, dass man einfach alles weglässt. Es bedeutet nur, dass man einen realistischeren Blick bekommt. Und realistisch heißt: Wenn ich in einer Doppelstunde teste, dann bleibt davon eine Stunde übrig. Egal wie gut man ist. Vielleicht kommen 5 Minuten dazu, dann ist es auch gut. Aber dann plant man eine Stunde. Und wenn in die Stunde eben eine Besonderheit, die jemand Schlaues ins Buch oder in den Bildungsplan geschrieben hat, nicht mehr berücksichtigt werden kann, dann ist das so. Dafür können die anderen Inhalte dann ohne Stress und in einer besseren Atmosphäre umsetzt werden.
Klassenarbeiten
Eine Veränderung der Perspektive gilt auch für die Klassenarbeiten. Zunächst mal ist klar, dass man sowieso einen Rahmen hat, innerhalb dem man frei entscheiden kann. Also beispielsweise im Hinblick darauf, wie viele Tests man schreibt oder wie lang eine Klassenarbeit ist oder sein muss.
Was aber die meisten älteren Kolleginnen und Kollegen sowieso schon wissen und was Referendarinnen und Referendare und junge Lehrkräfte erst lernen müssen, ist eine Abwandlung eines Spruchs, der vor dem Internetzeitalter den Journalismus augenzwinkernd aufs Korn genommen hat: Es passiert immer nur so viel, wie in die Zeitung passt. Analog könnte man sagen:
In der Klassenarbeit werden die Themen geprüft, die bis dahin geschafft worden sind.
Das kann Druck nehmen. Denn anstatt sich vorzunehmen, dass man soundsoviele Themen durcharbeiten muss innerhalb einer bestimmten Zeit, kann man relativ locker über den Daumen peilen, wann die Klassenarbeit stattzufinden hat, davor eine oder mehrere Übungsstunden einplanen und einfach schauen, wie weit man bis dahin kommt. Das ist kein Hexenwerk, kann aber ungemein Druck aus dem Kessel nehmen.
Zu den Arbeiten noch eine letzte Sache: Normalerweise versuchen ja alle möglichen Ratgeber zu erklären, wie man Aufschieberitis vermeidet. Ich plädiere dafür zu lernen, Dinge, die man aufschieben kann, aufzuschieben. Ohne schlechtes Gewissen. Die Klassen verstehen meist, wenn man sagt, dass man sich müht, aber es eben etwas länger dauern kann, bist man alles korrigiert hat. So ist das Leben! Keine Klasse hat etwas davon, wenn die Arbeiten nach einer Woche korrigiert sind und die Lehrkraft krank ist.
Erstes Fazit
Ich vermag nicht zu beurteilen, ob die hier ausgeführten Empfehlungen sowieso schon allen klar sind oder nicht. Ich freue mich über Kommentare und Anmerkungen. Für mich sind diese Punkte allerdings erste Leitlinien, denn, wie schon angemerkt, schaffe ich es auch nicht immer, mich an alles zu halten. Dass ich es aber muss, ist mir seit der ersten Hälfte des Schuljahrs klar. Es kann nicht darum gehen, dass die Schrauben immer mehr angezogen werden, während sich an der eigenen Haltung nichts ändert.
So, und nun schaue ich noch rüber auf Twitter und werde einige Tipps von dort einfügen, sofern es welche gibt:
Tipps aus dem Netzwerk
Bevor ich hier einige Tipps sammle, sei angemerkt, dass nicht alle Eingang finden werden, da sich nach einer Stunde 50(!) Kommentare angesammelt haben. Aus meiner Sicht zeigen sie deutlich, wie sehr das Thema auf dem Herzen brennt (einiges, was sich mit dem, was ich geschrieben habe, doppelt, ist nicht enthalten).
Es sei auch angemerkt, dass auf meine Frage, ob es Strategien gebe, auch viele mit Nein geantwortet haben. Ich hoffe, für diejenigen, ist der Artikel eine Hilfe.
- Aufs Schlafkonto achten, weniger Alkohol bei Frust, Süßes essen, wenn man will, viel draußen sein
- mehr auf den Körper achten, früher Schluss machen, nichts mehr einfach so dazu machen
- ein Tag nach dem anderen angehen, laufen gehen, nur über den PC mit Schule befassen
- keine Schulcloud-Anfragen nach 17:30, Mails von der SL erst am nächsten Morgen
- krankschreiben lassen, wenn es nicht mehr geht
- gelassener werden
- Schule auch mal gut sein lassen
- an die Schüler denken, denen es ähnlich geht (von einer Mutter)
P.S. Dieser Artikel ist in einem Rutsch geschrieben. Sollte jemand einen Rechtschreibfehler finden, sagt mir bitte gerne Bescheid und ich werde es korrigieren. Mir ist gerade wichtiger, den Artikel zur Verfügung zu stellen, als minutiös darauf zu achten, ob er perfekt ist.