GASTARTIKEL: Homeschooling aus Elternsicht

Bob Blume
I
1. April 2020
3 Kommentare
I
266 views

Die Schulschließungen sind mitten in der dritten Woche und allerorten wird eine erste Bilanz gezogen: Wie ist es bisher gelaufen? Was ist zu verbessern? Was sind nun die Wünsche der Beteiligten. Während manche davon berichten, dass der Online-Unterricht gut läuft, ist es bei anderen nicht ganz so einfach. Um den Leserinnen und Lesern Einblicke in die Sicht der Eltern zu geben, habe ich drei bloggende Mütter nach ihrer Sicht auf die Dinge gefragt. Dies ist nun der dritte Artikel. Herzlichen Dank an Alu Kitzerow, die an anderer Stelle ihre Tochter zu Wort kommen lässt, darüber geschrieben hat, inwiefern die Corona-Krise Familien am härtesten trifft und fordert, dass wir die Kinderarmut nicht vergessen. 

Zwei Wochen Home-Schooling liegen nun schon hinter uns und ich glaube in den letzten zwei Wochen sind meine Augenbrauen vollständig ergraut. Als Mutter von zwei Schüler_innen in der Grundschule und der Oberschule habe ich oft den Eindruck, dass Schule und auch Lehrpersonal die Situation von Familien daheim oftmals verkennen und den ausgeübten Lehrplandruck auch noch auf uns abwälzen.

Wir Erziehungsberechtigen sind jedoch größtenteils berufstätig, Etliche von uns gehen geregelten Tätigkeiten nach, meist sogar außer Haus. Unsere Schulkinder sind also oftmals an den Tagen entweder auf sich allein gestellt oder mit Geschwisterkindern und arbeitenden Elternteilen daheim.

Nicht alle SuS haben eigene Rechner zur Verfügung oder die benötigten Programme zur Bearbeitung. Ich wünschte es wäre anders, aber das ist die Realität, die bereits in den Klassen meiner beiden Kinder spürbar ist (und mich persönlich sehr traurig macht). Entsprechende Bitten vieler Familien den letzten Tag vor der Schulschließung nochmal intensiv mit Übungen zu digitalen Plattformen und Lernformen zu verbringen wurden oftmals überhört. Die Lehrkräfte waren selbst zu oft mit den plötzlich neuen Anforderungen überlastet und Eltern fühlten sich somit von Anfang an allein gelassen.

Seit zwei Wochen drucken wir Eltern so viele Papiere aus, dass die Druckerpatrone nun aufgegeben hat. Gleichzeitig kenne ich Familien mit Anspruch auf BUT, die weder das Geld für einen Drucker noch für neue Patronen oder Papierpakete zusätzlich aufbringen können. Manche Eltern verfügen nicht mal über ausreichende Sprachkenntnisse, um die Papiere zu verstehen.

Als Mutter kann ich es nicht verstehen, wie sie diese komplett neue Vorgehensweise als vollwertigen Unterrichtersatz anerkannt werden soll? Weder verfüge ich über die Möglichkeiten ausgebildetes Lehrpersonal zu ersetzen, noch sehe ich dies als Aufgabe der Eltern.

E-Mails die mit vielen Ausrufezeichen gespickt an die SuS verschickt werden und somit Drohkulissen von nicht hochgeladenen Hausaufgaben aufmachen, sind eindeutig nicht Digitalisiertes Lernen und auch kein angemessener Umgang mit den SuS.

Viele Kinder sorgen sich daheim um ihre Eltern, Geschwister und Großeltern und haben zusätzliche Sorgen in der Isolation. Schule ist auch immer ein Schutzraum, dieser wird durch Covid-19 plötzlich gesprengt. Ich wünsche mir für alle Kinder, dass Lehrkräfte auch weiterhin einen sehr direkten und wertschätzenden Kontakt zu allen SuS zu suchen, um diese besondere neue Lernatmosphäre für alle erträglich zu machen.

Digitales Lernen kann nur funktionieren, wenn alle die diversen Plattformen nicht als Ablageort (mit Ausdrucken und wieder einscannen) benutzen, sondern wenn Möglichkeiten von Wiederholungen und auch Abweichungen im Lernprozess ermöglicht werden.

  • Welche Videoformate kann man ergänzend einsetzen?
  • Welche Kanäle sind verstärkend einsetzbar?
  • Gibt es Podcasts, die man selbst aufnehmen kann oder die genutzt werden können?

Das Lerninhalte sich nicht nur stur im Frontalunterricht vermitteln lassen, diese Erkenntnis sollte in diesen Zeiten des nunmehr schnell eingesetzten „Digitalpaktes“ doch wirklich alle erreicht haben?

Inzwischen gibt es viele Briefe vom SIBUZ diverser Städte mit Lerninformationen für den Home-Schooling Unterricht, aber diese verlangen zu viel von uns Eltern, einfach zu viel. Wir sollen dies und das und jenes, aber wir sind eben auch noch Eltern, Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder vielleicht Selbstständige und Künstler, die gerade ihre Existenz verlieren. Wir sind Pflegepersonen und zudem noch sorgende Eltern und Kinder.

Ein direkter Vergleich mit der Lernsituation in der Schule kann und sollte nicht gemacht werden, dies bedeutet für mich ganz klar:

Keine Drohungen von Benotungen in dieser Zeit und dazu auch klare Entscheidungen aller Länder! Der Versuch von persönlichen Nachrichten, Chatformaten oder Telefonaten mit SuS sollte angestrebt werden (natürlich im Rahmen des DSVGO).

Neue Lerninhalte die zu Hause allein (mit uns) erlernt werden müssen sind nicht anzustreben, denn Familie kann einen Lernraum nicht ersetzen.

Das alles ist weder förderlich für die Vermittlung von Wissen noch für das Verhältnis von Eltern und Kindern. Auch für das Verhältnis von SuS und Lehrkräften, welches sicherlich auch nach dieser schwierigen Zeit noch vertrauensvoll sein sollte, erscheint das langfristig nicht sinnvoll Druck weiterzugeben.

Ich weiß als Mutter, aber auch Forscherin im Bereich der Zukunftsforschung, sehr gut, dass diese Zeiten von allen Beteiligten viel im Bereich des digitalen Lernens abverlangt, aber ein Beginn von erfolgreicher Umsetzung wäre schon mal gegeben, wenn alle nicht einfach annehmen würden, dass alles nun zu Hause allein erfolgen kann und muss.

Meine Augenbrauen haben dies bereits vor einiger Zeit erkannt und erwarten Verständnis und Empathie auf allen Seiten.

Alu

Alu Kitzerow *schreiben*reden*treffen*
twitter: grossekoepfe
instagram: grossekoepfe

 

3 comments on “GASTARTIKEL: Homeschooling aus Elternsicht”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Newsletter
warum lernen?
Kategorien
Bildung
Unterricht
Referendariat
Vermischtes
Literatur
Material
chevron-down