Vor einiger Zeit wurde ich gefragt, ob ich nicht etwas zum Thema “Klassenfahrt” schreiben könnte. Ich habe zwar schon einige Klassenfahrten hinter mir, aber immer dann, wenn ich jemanden kenne, der noch tiefer in der Materie ist, freue ich mich, einen Gastartikel anzubieten. So schreibt mit Gerald Wenge jemand diesen Gastartikel, der ein ganzes Buch zu dem Thema verfasst hat. Wegen dieses Hinweises und weil dieses Buch am Ende erwähnt ist, muss dieser Beitrag als Werbung gekennzeichnet werden.

„Wohin machen wir unsere Klassenreise?“

Das Referendariat ist beendet, man übernimmt als Lehrerin oder Lehrer eine 5., 8. oder 11. Klasse, die Arbeit beginnt einem langsam über den Kopf zu wachsen, abends hockt man bis 10 Uhr am Schreibtisch – und am nächsten Morgen stellt ein Schüler diese Frage. „Wohin machen wir unsere Klassenreise?“ Für die Beantwortung dieser Frage gibt es zwei Shortcuts: Man fragt eine erfahrene Kollegin und hängt sich an deren Reise dran oder man ruft direkt bei einem der etablierten Anbieter für Klassenreisen und lässt sich ein Paket zusammenstellen – das man allerdings in keiner Weise beurteilen kann, weder die Qualität noch die Kosten betreffend. Beiden Shotcutswohnt außerdem ein weiteres, wenn nicht das größte Manko überhaupt inne: Die Schülerinnen und Schüler lassen sich kaum an den Planungen beteiligen.

Als verantwortliche Lehrkraft plagen einen jedoch weitere Sorgen und Ängste:

  • Welche Genehmigungen und Zustimmungen muss ich einholen – und hafte ich für Fehler bei der Einholung von Genehmigungen
  • Muss ich als Lehrerin dafür geradestehen, wenn die Schulfahrt teurer wird als geplant?
  • Kann ich zur Rechenschaft gezogen werden, wenn Schüler auf einer Schulfahrt zu Schaden kommen, rauchen, trinken, verunglücken?
  • Und wie soll das mit der Aufsichtspflicht in Amsterdam funktionieren, das geht doch gar nicht.

Dazu kommen organisatorische Aspekte wie die Frage, wie sich ein so komplexes Vorhaben wie die Planung einer Klassenfahrt in die eh knapp bemessene Unterrichtszeit integrieren lässt, zumal auch die wenigen Klassenlehrerstunden immer schon von anderen Dingen angeknabbert werden.

Wie bekommt man die Dinge also in den Griff?

Zunächst geht es darum, sich über das Genehmigungsverfahrenschlau zu machen und den rechtlichen Rahmen zu kennen, in dem man handelt. Konkrete behördliche Vorgaben für Klassenfahrten findet man in den länderspezifischen „Richtlinien für Schulfahrten“. Geregelt werden u. a.:

  • Ziele und Arten von Schulfahrten, die durchführbar sind
  • Anzahl und Dauer von Schulfahrten pro Schulform oder -stufe
  • Teilnahmepflicht und Ausnahmen
  • vorbereitende Maßnahmen sowie einzuholende Zustimmungen
  • Finanzierung und Abrechnung inkl. Reisekostenerstattung der Lehrkräfte
  • Ordnungsmaßnahmen
  • Jugendschutzbestimmungen
  • Versicherungsschutz

In dem dort ausformulierten Rahmen muss man sich bewegen; Freiräume oder Interpretationsmöglichkeiten gibt es kaum.

Großen Respekt haben viele Lehrerinnen und Lehrer außerdem vor der Kostenplanung. Festgelegte Obergrenzen müssen eingehalten werden, eigenes Geld will man keinesfalls verauslagen, dann müssen die Schüler bzw. deren Eltern unbedingt rechtzeitig … kurz: ein ganzes Bündel Sorgen. Drei Maßgaben spielen bei der Kostenplanung von Anfang an eine zentrale Rolle: Sparsamkeit, Transparenz und Dokumentation. Angebote sind vor und auf der Fahrt miteinander zu vergleichen (Sparsamkeit), über alle geplanten wie angefallenen Kosten muss jederzeit Auskunft erteilt werden können (Transparenz) und die Ausgaben sind für die Abrechnung am Ende sorgfältig zu dokumentieren (Dokumentation).

Versucht man, die Kosten vorab so genau wie möglich zu beziffern (und nichts anderes erwarten die Schüler, die Eltern und die Schulleitung), sollte man stets Puffer einbauen und drei Kategorien gedanklich voneinander trennen:

  1. Planbare Kostensind alle Kosten, die bei einem normalen Verlauf anfallen, zum Beispiel Fahrtkosten im Inland oder die Kosten für die Unterkunft.
  2. Unsichere Kosten sind durch fehlende Informationen oder Risiken möglicherweiseentstehende Kosten, zum Beispiel Fahrtkosten im Ausland oder Kosten in der Folge von Verspätungen von Verkehrsmitteln
  3. Unvorhersehbare Kostenschließlich können durch außergewöhnliche Umstände anfallen: die gebuchte Unterkunft kann beispielsweise nicht bezogen werden oder ein Schüler wird bestohlen.

Aufgrund des anstrengenden Tagesgeschäfts beginnen viele Lehrerinnen und Lehrer oft spät mit den Planungen für eine Klassenfahrt. Idealtypisch gilt ganz grob dieses Zeitraster:

  1. Klärung und vorläufige Ankündigung: ca. 12-9 Monate vorher
    Zunächst sollte innerhalb der Schule besprochen und geklärt werden, ob eine Klassenfahrt überhaupt stattfinden muss, soll oder darf. Erst danach sollten Schüler und Eltern in die Planungen einbezogen werden.
  2. Erkundung der Rahmenbedingungen und eigene Akzentsetzungen: ca. 9 Monate vorher
    Bevor die verantwortliche Lehrperson weiter plant, sollte sie sich eingehend damit befassen, welche Rahmenbedingungen bereits unabänderlichgesetzt sind. Nachdem der Rahmen bekannt ist, sollte man innerhalb dieses Rahmens seine persönlichenAkzentsetzungen und Bedingungen formulieren.
  3. Besprechung(en) mit der Schülergruppe: ca. 9-3 Monate vorher
    Verschiedene Aspekte müssen im Zuge einer immer genauer werdenden Planung wiederholt besprochen werden. Frühe Absprachen werden gelegentlich noch vage sein müssen, mit dem Näherrücken der Klassenfahrt werden sie jedoch immer präziser und verbindlicher.

Schülerinnen und Schüler haben ein sehr berechtigtes Interesse daran, auf die Ausgestaltung der Klassenfahrt Einfluss zu nehmen – es ist schließlich ihreReise. Um den Aufwand überschaubar zu halten und produktiv zu gestalten, ist es erforderlich, die bestehenden Freiheitsgrade früh offenzulegen. Es empfiehlt sich, Leitplankenvorzugeben, die (insbesondere aufgrund der schulischen und behördlichen Vorgaben) nicht verhandelbar sind. Die Schüler dürfen sich dann innerhalb dieser Leitplanken bewegen und ihre Ideen einbringen.

Sind alle diese Rahmensetzungen bekannt, geht es um das Management eines gleichermaßen offenen wie zielgerichteten Prozesses der Entscheidungsfindung. Oder anders: Es geht darum, die Schülerinnen und Schüler so viel wie möglich mitentscheiden zu lassen, gleichzeitig aber sicherzustellen, dass Themen nicht wieder und wieder diskutiert werden müssen, denn dies würde viel Unterrichtszeit rauben und die Vorfreude auf die Klassenfahrt mindern.

Bezüglich der Recherchemöglichkeiten vor einer Klassenfahrt bietet das Internet seit Jahren zahllose und immer weiter ausdifferenzierte Möglichkeiten – „geschenkt“, könnte man sagen, längst bekannt und vielfach genutzt. Vergleichsweise neu sind hingegen die Möglichkeiten, den gesamten Planungsprozess zusammen mit der Lerngruppe webbasiert – und damit demokratisch, transparent und effizient – zu steuern. Fast alle der in Frage kommenden webbasierten Tools bieten gute Kommunikationsmöglichkeiten. Sie machen einen E-Mail-Verkehr mit verschiedenen Verteilern, bei dem man schnell den Überblick verliert, überflüssig, von Sätzen wie „Sag doch Jannick nächsten Dienstag bitte, …“ ganz zu schweigen.

Drei Arten webbasierter Anwendungen lassen sich ganz grob unterscheiden. Sie sind nicht trennscharf voneinander abgrenzbar, sondern umgekehrt oft sehr gut miteinander zu verbinden:

Art des Tools Beispiele 
virtuelle Boards Padlet, Oncoo, Realtimeboard, …
Projektmanagement-Tools Asana, Trello, Agantty, …
professionelle Kommunikations-Tools Slack, Teams, Just Social, …

 

Die Nutzung derartiger Tools unterliegt in der Schule zu recht strengen Datenschutzanforderungen, eine enge Abstimmung mit der Schulleitung ist also unbedingt erforderlich. Unter Beachtung einiger Grundregeln lassen sich die größten Risiken jedoch vermeiden:

  • Schüler dürfen nicht gedrängt werden, bestimmte Apps auf ihrem Smartphone zu installieren; alle Anwendungen sollten (auch) von Schulrechnern aus nutzbar sein.
  • Auf Klarnamen sollte unbedingt verzichtet werden; auch Ausweisnummern, Adressen und Telefonnummern gehören nicht in webbasierte Tools.
  • Zur Anmeldung sollten neue E-Mail-Adressen verwendet werden, die keine Rückschlüsse auf Schülernamen zulassen.

Bevor man mit der Schulleitung oder gar den Schülern und Eltern spricht, sollte man die Anwendungen, die man „im Auge hat“, im kleinen (ggf. privaten) Kreis unbedingt selbst getestet haben. Hier bietet auch zum Beispiel Twitter beste Möglichkeiten, von den Erfahrungen anderer Lehrerinnen und Lehrer zu profitieren und nicht jeden möglichen Fehler selbst machen zu müssen.

Dies alles ist natürlich nur ein Anfang. Wenn es um die diversen Zustimmungen der Eltern geht, um finanzielle Unterstützungen, um den Abschluss von Verträgen mit Leistungsanbietern, um die Aufsichtspflicht oder echte Probleme vor Ort … man kann ewig darüber nachdenken – oder einfach mal losfahren und Erfahrungen sammeln, denn Klassenfahrten sind oft genug auch für Lehrerinnen und Lehrer echte Highlights in ihrem Berufsleben!

Von den allerersten Ideen bis hin zum Finanzamt steht alles ganz genau in diesem Buch geschrieben:

Reichelt/Wenge

Klassenfahrten – Exkursionen – Wandertage 

Schülerorientiert und rechtssicher planen, durchführen und abrechnen

    1. Aufl. 2019, Verlag Europa-Lehrmittel

Das Buch muss man – Stichwort: Sharing Economy– keinesfalls selbst besitzen und sich zu Hause ins Regal stellen. Ein, zwei Exemplare im Lehrerzimmer stiften vermutlich größeren Nutzen. Und mit der Schulleitung muss man ja eh früh sprechen.

Gerald Wenge/ Twitter: @U_Hospitationen

 

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein