DISKUSSION: Die Marginalisierung der (literarischen) Frau

Bob Blume
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19. Mai 2019
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Die Auswahl der Lektüren in der Schule ist bis hinein in das Abitur geprägt von männlichen Autoren, die über männliche Männer schreiben. Zugegeben: Das ist etwas polemisch, beschreibt aber die Textauswahl ganz gut. Eine kurze kritische Anmerkung. 

Um eines vorwegzunehmen: Um mich feministisch oder Feminist zu nennen, bin ich zu wenig im Gesamtthema. Ich habe ein Semester Gender Studies studiert, das dann aber von dem Fach Deutsch abgelöst worden ist. Dennoch versuche ich als Lehrer, Lernen zu ermöglichen, das über die eingeengte Perspektiven auf Gesellschaft und Individuum hinausgeht. Immerhin ist ja die Hälfte der Weltbevölkerung weiblich (ich verbleibe an dieser Stelle in diesem binären Schema, auch wenn ich weiß, dass dies im Hinblick auf diverse Verständnisse von Geschlecht schwierig ist).

Dass feministische Kritik notwenig ist, verdeutlich im Übrigen schon meine Bildersuche auf den einschlägigen Portalen für lizenzfreie Bilder. Eine Frau zu finden, die nicht klischeehaft schön durch ästhetische Reize definiert wird, ist schier unmöglich. Und was bitte soll das Bild darstellen, das ich (eben deshalb) als Vorschaubild gewählt habe? Welche Hand ist die männliche?

Die Schule ist, was dies angeht, vor allem in Bezug auf die (vorgegebene) Auswahl der Inhalte, konservativ. Sehr konservativ. Dies lässt sich immer wieder an der Auswahl der Abiturlektüren ablesen. Zumindest in Baden-Württemberg ist die Auswahl seit Jahren geprägt von männlichen Autoren.

Natürlich kann man darüber streiten, inwiefern Autorinnen auf demselben Rang eines Klassikers sind wie Goethe, Hesse oder Hoffmann. Andererseits: Wie sollte sich dies verändern, wenn eben jene Leserschaft, die oftmals erst über die Schule ans Lesen kommt, mit der Standardperspektive des Mannes konfrontiert wird?

Klammer auf

Anmerkung: Mir war klar, dass der Artikel einige Gemüter erhitzen würde (nur noch nicht, welche). Deshalb eine kurze Klärung: Leider habe ich weder Soziologie studiert, noch bin ich in der germanistischen oder feministischen Forschung, deshalb vielleicht etwas holprig formuliert:

Ein Klassiker wird zu einem Klassiker durch eine breite Rezeption, die eine literarische, gesellschaftliche oder kulturelle Wirkung entfaltet und von der breiten Maße schließlich als solcher wahrgenommen wird. Das sagt, letztlich, weniger über die Kompetenz des Autors aus als über die Gesellschaft, die ihm (oder ihr) diese Kompetenz zuspricht.

In einer patriarchal geprägten (oder dominierten) Gesellschaft ist es also nicht verwunderlich, dass Bücher von Männern zu Klassikern erhoben worden sind, sei es, weil diese Autoren den damaligen Diskurs bestimmten oder weil eben die Rezeption weiblicher Autorinnen nicht im gleichen Maße ausgeprägt war. Deshalb nutzte ich in der oberen Passage den Hinweis, dass man "darüber streiten" könne. Es geht nicht darum, ob mir (oder der Gesellschaft) jemand vermitteln könnte, dass das Drama einer weiblichen Autorin den gleichen Stellenwert hat wie der Faust. Es geht, ich wiederhole mich, nicht um die Kompetenz. Es geht darum, inwiefern die Zuschreibung als allgemein anerkannter Klassiker besteht. Und da sind Autorinnen unterrepräsentiert. UND GENAU DAS PRANGERE ICH AN!

Aus diesem Grund habe ich diesen Artikel geschrieben und aus diesem Grund finde ich es befremdlich, dass mir auf Twitter nun genau jene Worte aufs Brot geschmiert werden.

Klammer zu

Tragischkomischer Weise hat die diesjährige Abiturkommission in einer Art unterbewussten Selbstkritik das Problem schon mit der Aufgabenstellung für den sogenannten Werkvergleich auf den Punkt gebracht:

- Interpretieren Sie die Textstelle; beziehen Sie das für das Verständnis Wesentliche aus der vorangehenden Handlung ein.

- „Die zentrale Figur (…) ist der männliche Held, der auf seinem Weg der Selbstfindung Frauenfiguren als Stationen seiner Vervollkommnung passiert.“

(aus: Antje Pedde…..)

Genau das ist die Funktion der Frau, wie sie Jahrelang in der Literatur aufgebaut worden ist. Eine Station auf dem Weg der männlichen Vervollkommnung.

Mit dem Liebling aller grünen Rechtsausleger könnte man Fragen: Der Shitstorm wird sich nicht vermeiden lassen, aber: Welche Gesellschaft soll das abbilden?

Was mich interessieren würde: Wie sieht es in den anderen Bundesländern aus? Wie groß ist der Spielraum? Inwiefern werden Autorinnen im Curriculum erwähnt oder vorgeschlagen? Und überhaupt: Sollte einen das beschäftigen. Ich meine, schon. Aber das ist wieder nur eine männliche Perspektive.

Übrigens: Wer gute Bücher von Autorinnen lesen möchte, kann unter diesem Tweet viele sehr schöne Beispiele finden. Die meisten von ihnen kannte ich auch nicht. Aber das kann man ändern.

 

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