Vorwort

Dieser Artikel (und wenn nötig auch die Artikel, auf die hier verlinkt wird), dient dazu, sich alleine oder zusammen mit anderen auf Gedichtinterpretationen vorzubereiten.

Am Ende des Artikels finden sich alle Informationen als PDF zum Ausdrucken oder Herunterladen.

Alles, was nach diesen kurzen Anmerkungen folgt, wurde für meinen Unterricht in der 10. Klasse erstellt. Da ich diese Klasse schon seit mehreren Jahren unterrichten darf, weiß ich, dass das Basiswissen und die Kompetenzen zur gemeinsamen Arbeit vorhanden sind. Ich empfehle, dieses Wissen zu erarbeiten, indem den weiterführenden Links gefolgt wird.

Wenn man als Schülerin oder Schüler auf diesen Artikel stößt, dann sei angemerkt, dass es sich lohnt, den Artikel bis ganz zum Ende zu lesen und auch sämtlichen Verweisen zu folgen, die hier angegeben sind. Dann wird man damit, so hoffe ich, auch ohne die Hilfe eines Mentors oder Lehrers davon profitieren können.

Grundlagen für diejenigen von euch, die bisher wenig gelernt haben, gibt es hier:

Drei Beispiele für gelungene Gedichtinterpretationen 

Vorgehen bei Gedichtinterpretationen 

Primat des Inhalts (für Experten)

Am Ende des Artikels findet ihr zusätzlich Videos, die bei der Arbeit als Input helfen können.

Nun hoffe ich, dass das alleinige oder gemeinsame Arbeiten gelingt. Viel Spaß. Übrigens: Wer Probleme mit der Rechtschreibung hat, der findet hier Abhilfe.

Gedichtinterpretationen

Die Interpretation von Gedichten ist nicht einfach, da der Interpret auf viele Aspekte achten muss, die sich aber gleichzeitig nicht auf jedes Gedicht anwenden lassen. Während beim einen die Sprache zentral ist, ist es bei dem anderen die Verszusammenstellung. Bei dem einen ist es die Versanzahl, bei dem anderen das Metrum oder die sprachlichen Bilder. Die Interpreten auf der anderen Seite, also ihr, habt auch ganz unterschiedliche Stärken und Schwächen. Während die eine sehr schnell herausliest, dann aber Probleme hat, dies zu formulieren, kann der andere den Text sehr gut gliedern, weiß aber nicht, wie er danach beginnen soll.

Diese Hinweise für individuelles Arbeiten sollen eine Hilfestellung sein, gezielt mit und an Gedichten zu arbeiten und so fokussiert die eigenen Kompetenzen zu stärken.

Zwei Vorbemerkungen

Ein Satz über Interpretationen

In einem Artikel auf diesem Blog wird mit dem Vorurteil aufgeräumt, dass es sich bei der Interpretation um ein Ratespiel handelt. Es geht um etwas Anderes.

Dort heißt es:

Es gibt zwar keine ausschließlich richtigen Interpretationen; es gibt aber Interpretationen, die nicht nachvollziehbar sind, weil sich nicht plausibel gemacht wurden, nicht ausführlich und methodisch vollständig die Auslegung erklären oder weil schlicht die Erfahrung fehlt (entweder in Bezug auf das eigene Leben oder in Bezug auf das eigene Lesen), den Inhalt überhaupt „erfahrend“ zu erfassen.[1]

Dies bedeutet für schulische Interpretationen, dass man übt, über Texte so zu verstehen, dass man sie vollständig erfasst („kontextuiert“) und so zu schreiben, dass der Leser vollständig erfasst, was man herausgefunden hat und vor allem wie man dazu gekommen ist.

Was wirklich wichtig ist

Sobald man als nicht-professioneller Interpret (also meistens als Schülerin oder Studentin) einen Text interpretieren soll, klammert man sich an den Strukturen fest, von denen es zuvor hieß, dass sie wichtig seien. Das kann dazu führen, dass jemand beispielsweise alle rhetorischen Figuren auswendig lernt und diese dann nach und nach abhandelt – ohne aber das Gedicht (oder die Kurzgeschichte, oder die Dramenszene) auch nur im Ansatz verstanden zu haben. Aus diesem Grund muss man sich darüber klarwerden, was das Allerwichtigste ist (und auch hier gilt: Was sich einfach anhört, ist es nicht. Lesen der jeweiligen Gattung verbessert das eigene Verständnis. Immer!)

Im Folgenden die Elemente, die für eine Analyse am wichtigsten sind:

1.     Das Gedicht zu verstehen – von vorne bis hinten.

2.     Die Gedanken oder Beobachtungen des lyrischen Ich verstehen.

3.     Die Bedeutung dessen zu verstehen, was sprachlich und syntaktisch beschrieben wird. 

4.     Die Bedeutung des Gedichts in einem größeren Rahmen zu verstehen; Form und Inhalt aufeinander beziehen. 

 

Obwohl dies nicht als Muster zu verstehen ist, wie man vorgehen muss, wäre es schwierig, von unten nach oben zu arbeiten. Konkret: Wenn ich nicht weiß, worum es überhaupt, ganz konkret, geht, kann ich nicht wissen, welche übergeordnete Bedeutung ein Gedicht hat (ob es zum Beispiel auf ein Problem hinweist, einen Konflikt darstellt etc.).

Hinweise für individuelles Arbeiten

Zunächst eine Feststellung: Wenn man das Gedicht so oft und gründlich gelesen hat, dass man sie vollständig versteht – die Grundlage für jeden weiteren Schritt – ist nichts hilfreicher als sich mit einer weiteren Person darüber zu unterhalten. Offen, ehrlich und kritisch. Denn so kommt man auf Dinge, die einem selbst vielleicht nicht aufgefallen sind (Dass dies in Klausuren nicht möglich ist, legt eher ein Problem der Klausuren offen als des gemeinsamen Arbeitens).

Im Folgenden werden Elemente der Analyse aufgelistet und Arbeitsbereiche definiert, wie man sich diesen Elementen nähern kann, wenn man meint, diese noch nicht so gut zu beherrschen. Auch hier ist es anzuraten, dass man sich zu zweit oder zu mehreren bespricht, eine Schwachstelle einer Person herausarbeitet und diese dann zusammen bearbeitet. Dann kann es weitergehen.

Element der Analyse Hinweis/ Frage/ Anregung zur individuellen Bearbeitung
Herausarbeitung des Themas/ der Deutungshypothese

 

 

Obwohl am Anfang der Interpretation, sollte dies erst am Schluss stehen: Der Text muss mit dem Stift in der Hand bearbeitet worden sein.

Voraussetzung ist Textverständnis. Hier hilft nur langsames, genaues Lesen und ein qualitativ hochwertiger Austausch.

Elemente jedes Gedichts

 

 

Die Elemente der Gedichte (Kürze, Verdichtung des Gedankens, Wiedergabe des inneren und/ oder äußeren Geschehens, Reim, Metrum, Kadenzen sprachliche Mehrdeutigkeiten) sind zwar die Grundlage, spielen aber bei der Interpretation nur eine dienende Rolle.

Welche Wirkung hat der Rhythmus auf den Leser? Wird dadurch Spannung oder Intensität erzeugt? Welche Wirkung hat die Strophenanordnung? Welche der Reim? Welche das Metrum? Welche die Länge der Verse und Strophen?

Motive Ein Motiv ist ein wiederkehrendes Element, das sich wie ein roter Faden durch ein Gedicht zieht und meist eine Bedeutung für das lyrische Ich, das Thema oder den Kontext hat.

Sind Motive erkennbar?

Bin ich in der Lage, die Funktion des Motivs für das gesamte Gedicht nachvollziehbar zu formulieren?

Das lyrische Ich Was sagt das lyrische Ich über sich? Was sagt das lyrische Ich über andere? Ist es Beobachter oder Teilnehmer? Denkt es, handelt es oder sieht es anderen beim Handeln zu? Wie lässt es sich und seine äußeren Umstände charakterisieren?

Bin ich in der Lage, dies formal korrekt zu formulieren?

Handlungen/ Ereignisse/ Aufbau/ Themen Oftmals sind die Ereignisse oder ein bestimmter Gedankengang der Kern eines Gedichts.

Erkenne ich Handlungen und Gedanken als solche? Erkenne ich, welche Gedanken etwas über die Welt oder das lyrische Ich sagen?

Kann ich die Erkenntnisse nachvollziehbar formulieren?

Erkenne ich einen Aufbau (z.B. von gut nach schlecht, von konfliktreich zu schlichtend oder andersherum, von problematisch zu katastrophal)? Kann ich dies nachvollziehbar formulieren?

Ort, Zeit, Atmosphäre

 

 

 

Ort und Zeit scheinen oft zufällig, haben aber eine Bedeutung für den gesamten Kontext.

Werden Ort und Zeit sofort klar? Werden Sie ausgelassen? Welche Bedeutung hat dies?

Kann ich dies nachvollziehbar formulieren?

Zeitstruktur Die Zeitstruktur ist die Zeit, die in dem Gedicht umrissen wird.

Gibt es eine zeitliche Einordnung? Gibt es Vorausdeutungen oder Rückblenden? Haben diese eine Funktion?

Kann ich dies nachvollziehbar formulieren?

Rhetorische Figuren Rhetorische Figuren betonen bestimmte Worte oder Verse, verschlüsseln den Inhalt oder geben eine besondere Tiefendimension.

Finde ich rhetorische Figuren? Bin ich in der Lage, diese auf den Inhalt zu beziehen? Bin ich in der Lage, ihre Mehrdeutigkeit zu erfassen und diese nachvollziehbar zu formulieren.

 

Sprache Die Sprache ist bei Gedichte ein weites Feld. Es geht darum, ob es Besonderheiten gibt, die Sätze und Verse beispielsweise besonders lang oder kurz sind, viele Metaphern oder andere rhetorische Figuren genutzt werden (siehe oben) oder es andere Auffälligkeiten gibt. Das Wissen über rhetorische Figuren, Satzstrukturen und Wortarten (also Adjektiv, Nomen etc.) ist dabei die Grundlage.

Erkenne ich die verschiedenen sprachlichen Besonderheiten? Kann ich sie mit dem Gesamtzusammenhang in Verbindung bringen? Kann ich die Funktion innerhalb der Passage oder sogar für die gesamte Kurzgeschichte formulieren?

Kontext Der Kontext des Gedichts ist der Zeitraum oder der textliche Zusammenhang, in dem das Gedicht verfasst wurde. Er gibt Aufschluss darüber, inwiefern das Gedicht in einen größeren Zusammenhang gestellt werden kann, z.B. in eine Epoche der Literatur. 

Erkenne ich Motive oder rhetorische Figuren als typisch für eine Epoche? Bin ich in der Lage, eine Verbindung herzustellen und diese nachvollziehbar zu artikulieren?

 

 

All diese Anregungen dienen dazu, sich den Fokus zu vergegenwärtigen, den man sich selbst setzen kann. Um wirklich zu “lernen”, muss man dies schreibend tun.

Wenn man diese Fragen beantwortet, indem man das, worin man nicht so gut ist übt und sich Rückmeldung geben lässt, verbessert man sich zwangsläufig. Aber: Nichts ersetzt das eigenständige Lesen!

Hier noch einige Videos, die beim Verständnis helfen können.

Weiterführende Artikel

Warum Lyrik lesen?

Rap und Lyrik: Wir hol’n zurück, was uns gehört 

Alligatoah im Unterricht 

Interpretation von Caspers “Lang lebe der Tod”

Auf dem Blog gibt es eine exzellenten Analyse der Parabel (einer lehrhaften Dichtung)  Das Bild der Schlacht am Isonzo und zur Analyse der Kurzgeschichte Nacht.

[1] https://bobblume.de/2017/04/30/interpretationen-eine-interpretation/, abgerufen am 22.11.2017.

 

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