Das hat gedauert: Nachdem ich in meinem Referendariat die sogenannte Lernschleife ohne Quellenangabe als Material bekam und vor einiger Zeit bemerkte, dass mir diese bei der Planung von Unterricht geradezu in Fleisch und Blut übergegangen ist, fragte ich mein Netzwerk, ob jemand den Urheber kenne. Dieser fand sich nach einiger Zeit suchen in der Tat. Herzlichen Dank an @Gadamer_Tweets an dieser Stelle. Ich möchte diese Lernschleife für all die Leser des Blogs teilen, die nach Möglichkeiten suchen, größere Unterrichtseinheiten zu planen. Dabei zitiere ich den “Rundbrief 42” des Fachverband Deutsch im Deutschen Germanistenverband, Landesverband Schleswig Holstein, Fachgruppe der Deutschlehrerinnen und Lehrer. Dazu gebe ich Hinweise, wie die Ausführungen in der konkreten Planung umgesetzt werden. 

Anmerkung: Sollte dieses ausführliche Zitat von den Urhebern nicht gewünscht sein, bitte ich sie, sich bei mir zu melden.

Zunächst zu den Ausführungen in der benannten Zeitschrift.

Die Lernschleife

Das Modell der »Lernschleife« veranschaulicht den Lernprozess, integriert Planung, Durchführung und Evaluation und schlägt an drei Stellen im Prozess alltagstaugliche diagnostische Maßnahmen vor, auch solche der Selbstevaluation.

Wie Andreas Helmke u. a. betonen, sei die diagnostischen Kompetenz der Lehrenden zwar gut ausgebildet, bedürfe aber praktikabler Verfahren, damit häufiger und transparenter aufgezeigt werden könne, wo die Lernenden zu Beginn des Lernprozesses ständen und was sie am Ende dazugelernt hätten.

Lernschleife nach Almut Hoppe (Sketchnote des Blogautors)

Bei der Planung strukturieren […] sieben Schritte den Lernprozess:

1. Fachwissen über die Sache und administrative Vorgaben (Lehrpläne, KMK-Standards, Fachcurricula) fließen in eine Strukturskizze zum jeweiligen Unterrichtsthema ein: Übersichtlich wird dargestellt, welches Wissen und Können am Ende des Lernprozesses erworben sein sollen.

Die zu erwerbenden Teilkompetenzen werden (in der Fachschaft)festgelegt.

2. Die Lernausgangslage der Klasse wird in einer Lernstandserhebung ermittelt. Dafür eignen sich verschiedene Instrumente: Befragungen,Tests, voraussetzungslose, unbenotete Leistungsermittlung, diagnostisches Unterrichten u. a.

3. Die Unterrichtseinheit, in die lehrerzentrierte Inputphasen, schülerzentrierte Aneignungs- und Übungsphasen, Transparenz der Kriterien für die Leistungsmessung u. a. einfließen, wird geplant. Schon hier wird auch über eine geeignete Schlussevaluation (Klassenarbeit) entschieden.

4. Durchführung des Unterrichts

5. Ein diagnostischer Zwischenschritt wird eingelegt, es handelt sich um eine unbenotete Vergewisserung des erreichten Zuwachses an Wissen und Können.

6. Binnendifferenzierung – nicht nach drei Niveaustufen, sondern nach Teilkompetenzen – wird eingerichtet; jede/r Schüler/in kann eine/mehrere Teilkompetenz/en weiterentwickeln.

7. Die Leistung wird ermittelt und benotet; die Kriterien sind mit einem Korrekturbogen für die Lernenden transparent. Die Schüler/innen ermitteln selbst den Lernfortschritt, sie vergleichen ihr Wissen und Können, über das sie in der Lernausgangslage verfügten, mit dem jetzt erreichten Stand.

Im Grunde bildet sich hier eine selbstverständliche Norm allen Unterrichtens ab, die aber offenbar sehr häufig nicht erfüllt wird. Eine der Nachfolgestudien zu PISA ergab: »Je nach Fach haben 40 bis 60 Prozent der Schüler innerhalb des Jahrgangs überhaupt nichts dazugelernt oder sogar Wissen und Können verloren«. Das sollte uns zu denken geben und zu einer Veränderung der Praxis motivieren.

Zu erwarten sind die bekannten Einwände:

A: Das ist nicht neu, das machen wir sowieso schon.

B: Das geht nicht, das ist viel zu viel Aufwand.

Aber der eine oder die andere macht inzwischen gute Erfahrungen mit der »Lernschleife«.

[Almut Hoppe]

Kommentar

Zu denen, die nach Hoppe “gute Erfahrungen” machen, gehöre ich definitiv. Viele der hier genannten Punkte erklären sich von selbst, dennoch möchte ich einige wenige Anmerkungen beisteuern.

Zu Beginn wird, auf dem Modell etwas kompliziert, von der “Elementarisierung in Teilkompetenzen” gesprochen. Dies ist für mich mittlerweile ein extrem wichtiger Punkt. Denn als Lehrer*in neigt man dazu, bestimmte Prozesse als gegeben anzunehmen, die dann aus dem Übungsraster fallen. Ein typisches Beispiel: Das Verfassen eines Interpretations-Dreischritts. Nach dem “Erkennen” einer sprachlichen Besonderheit (z.B. bei einer Gedichtinterpretation) ist der Prozess lange nicht vorbei. Gerade der Punkt, die Erkenntnis “aufs Blatt” zu bekommen, bereitet den Schüler*innen Schwierigkeiten. Das heißt, dass man Übungsphasen dieser Formulierung einplanen muss. Das wiederum ist nur möglich, wenn man die Teilkompetenz überhaupt als relevant definiert hat.

Wie viele verschiedene Teilkompetenzen es gibt, kann man an den Schritten des selbstständigen Arbeitens für das Deutschabitur sehen. Ein zusätzlicher Schritt, der nicht in der Lernschleife angegeben ist, ist die Ermittlung weiterer Kompetenzbereiche durch die Schüler. Organische Überleitungen innerhalb von Interpretationsaufsätzen sind hier zu nennen.

Ein weiterer Schritt, der nicht unbedingt selbsterklärend ist, ist die Diagnose VOR der eigentlichen Arbeit. Als Lehrer arbeitet man zwar zu Beginn oftmals diagnostisch, indem man überprüft, inwiefern Wissen vorhanden ist, aber oft zeigt erst die Klassenarbeit, was eigentlich gefehlt hat. Deshalb ist die Bestimmung und Diagnose so wichtig: Erst wenn die Lehrkraft weiß, wo Grundlagen fehlen, Lücken sind oder überhaupt Wissen und Kompetenzen aufgebaut werden können, kann der Unterricht so geplant werden, dass er für die unterschiedlichen Individuen gewinnbringend ist.

Um es nicht zu lang werden zu lassen, überspringe ich an dieser Stelle weitere, selbst erklärende Schritte, die auch in der Erklärung schon vorhanden sind. Was jedoch wichtig erscheint: Die Teilkompetenzen zu ermitteln, die nach einiger Zeit vorhanden sind. Also das individuelle Eingehen auf Schwachstellen, die so punktgenau thematisiert werden können.

Gerade hierfür eignet sich eine digitale Lernumgebung besonders, da die Schüler*innen nicht nur ihr “Spielfeld” und das Material erweitern können, sondern zusammen mit jenen arbeiten können, die im selben Feld Defizite aufweisen. Wenn die “Problemlösung” selbst als Produkt den anderen Gruppen zugänglich gemacht wird, profitieren alle von den neu erworbenen Lernschritten der Teilnehmenden.

Alles in allem ist ein solches Vorgehen für mich ein Ideal, das es mir ermöglicht, Unterricht zu planen, der allen Individuen gerecht wird. Ich hoffe, dass diese Ausführungen auch anderen Impulse für die Unterrichtsplanung zu geben.

9 Kommentare

  1. Hallo!

    Mich würde interessieren, wie man Lernausgangslagen ohne Tests erhebt, weil das bei den SuS m.M.n. eher negativ ankommt nach dem Motto “Mist, das weiß ich alles gar nicht”.

    Klar, thematische Mindmaps und Cluster am Anfang der Reihe zu erstellen, fällt mir ein. Aber was gibt es noch?

    LG Kerstin

    • Es gibt verschiedene Wege: Die “einfachen”liegen auf der Hand: Gegenseitiges Abfragen, erstellen von Tests (Kahoots, Quizlets) eben von den Schülern durch die Schüler. Es geht aber auch, dass man einen Diagnosetest schreiben lässt, der eben nicht bewertet wird. Die Schüler*innen verstehen meistens, worum es da geht. Ich binde sie immer mit ein und mache das transparent. Dann ist das kein Problem.

      • Abfragen von Wissen (in welcher Form auch immer), die die SuS selbst erstellen, sehe ich eher als Wiederholung vor einer Klassenarbeit/Klausur. Quasi als eine Art Selbsteinschätzung, was man nochmal wiederholen sollte. Aber doch nicht direkt am Anfang einer Reihe? Ich greife halt häufig auf Mindmaps und Cluster zur Aktivierung von Vorwissen zurück, möchte aber mein Repertoire erweitern.

  2. Liebe Kerstin,
    ich nutze bspw. zu Beginn gerne Kartenabfragen, Zielscheibenabfragen, usw.
    Allerdings kann sich das auch von Fach zu Fach unterscheiden.
    In Deutsch frage ich Vorwissen bzw. Verständnisschwierigkeiten (bspw. nach einer Lektüre) ggf. anders ab als in Geschichte, wenn es um eine neue Epoche geht. In Geschichte eignen sich bspw. aktuelle Darstellungen, um Vorwissen zu erfragen. Beispiel: In die Reihe zum Mittelalter in Klasse 7 (RLP) bin ich mit einer Playmobilwerbung eingestiegen. Darauf zu sehen: Burg, Ritter und Drachen. So kamen wir direkt ins Gespräch über das Mittelalter, das Interesse war geweckt und man kann zb. die SuS weitere mittelalterliche Gegenstände/Personen/… zeichnen und ergänzen lassen. Damit erhältst du einen Überblick über das Vorwissen und schaffst zugleich einen kreativen Zugang und die SuS erstellen ein Lernprodukt, das am Ende der Reihe aufgegriffen werden kann (und sollte).

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