Unterrichtsplanung und die Initiierung von Lernen unterscheiden sich bei Lehrenden erheblich. Dies zeigen die zahlreichen Antworten auf einen Tweet, in dem ich eine typische Makrostruktur veröffentlicht habe. Da sich daraufhin eine größere Diskussion entsponnen hat und zahlreiche Nachfragen kamen, möchte ich an dieser Stelle die für mich wichtigsten Punkte differenziert darstellen. Die Leitfrage ist: Wie kann gutes Lernen gelingen? 

Typische Planung

Zunächst einmal erscheint es wichtig, auf den Ausgangstweet und das Wort “typisch” hinzuweisen.

Typisch heißt bei mir in der Tat, dass eine Unterrichtsgestaltung nicht immer so aussieht. Oder anders: Die beiden linken Teile der Makrostruktur sehen fast immer genauso aus, ob der Unterricht aber in Phasen eingeteilt ist oder nicht, das hängt sehr stark von Klasse, Fach, Progression, Wissensstand, Ziel und Gegenstand ab.

Vorannahmen

Ziel meines Unterrichts ist, angelehnt an die von Klafki schon in den 1960ern entwickelten Leitperspektive, Mündigkeit, Mitmenschlichkeit und Gleichberechtigung. Daran kann man keine konkreten Inhalte ausrichten, sondern es bedeutet eine Orientierung, die Schülerinnen und Schüler ernst- und mitnimmt und in den Unterrichtsprozess einbezieht.

Mit Bezug auf Unterricht (als Begriff, der das gemeinsame Lernen in den unterschiedlichen Variationen einbezieht) habe ich zunächst die Leitperspektiven des IQB als Fluchtpunkt meines Arbeitens genommen (dies auch ganz konkret bei meinen halbjährlichen Feedbacks durch die Schülerinnen und Schüler), orientiere mich aber zunehmen an den unterrichtlichen Tiefenstrukturen, die sich aus meiner Sicht als (evidenzbasierten) Perspektive guten Unterrichts eignen (im Folgenden beschrieben durch einen Ausschnitt  einer Präsentation des IBBW).

Aus meiner Sicht sind diese Zielvorstellungen sehr unterschiedlich zu erreichen. Ein Unterricht, der so geplant ist, wie eine Lehrprobe, in dem also jede einzelne Gelenkstelle mit einer explizit funktionalen inhaltlichen Überleitung markiert ist, lässt Unterricht eher erstarren als dass er ihn besser macht.

Andrerseits ist eine Planung, die das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler einplant und ernst nimmt und daraus eine kompetenzorientierte Makrostruktur ableitet, sicherlich sinnvoll (ich orientiere mich, wenn möglich, an der Lernschleife, die diese Struktur gut nachvollziehbar verdeutlicht). Eine solche Orientierung muss natürlich auch die unterschiedlichen Interdependenzen einbeziehen, wie sie beispielsweise im Berliner Modell verdeutlicht werden. Ganz konkret bedeutet das: Ich kann schlecht Unterricht digital planen, wenn ich nicht weiß, welche Voraussetzungen und Bedingungen dafür nötig sind.

Oder als Zielperspektive formuliert: Wenn es (beispielsweise) darum geht, dass Schülerinnen und Schüler individuell digital unterstützt werden, dann muss ich das insofern einplanen, als dass ich sichergehen muss, dass sie Unterstützung aufrufen können, dass die Unterstützung sinnvoll zum Unterricht und zum Lernen passt und dass die Schülerinnen und Schüler im besten Fall zu einem Punkt kommen, in dem sie ihr Lernen selbst bestimmen können.

Die unterschiedlichen Ansätze von Unterricht können auch in dem Artikel nachgelesen werden, in dem es um Formen des zeitgemäßen, gegenüber eines eher tradierten Unterrichts geht.

Unterricht planen

All das soll zeigen, dass Lernen und Unterricht sich nicht nach einer digitalen Planungsstruktur richten sollte (und das auch nicht tut), sondern dass beides auf einer Grundannahme beruht, die dann quasi erst im allerletzten Schritt bis hinein in eine Struktur überführt wird, die sehr unterschiedlich aussehen kann.

Bevor ich unterschiedliche Strukturen anspreche, noch eine kurze Anmerkung zu Unterricht und Lernen. Die beiden Begriffe werden mittlerweile stark politisch verwendet, was teilweise verständlich ist (so ist all das, was beispielsweise in der Medien-AG passiert nicht das, was man klassischerweise Unterricht nennen würde). Aus meiner Sicht sind die beiden Begriffe aber auf unterschiedlichen Ebenen anzusiedeln. In Kürze: Guter Unterricht (orientiert an den Tiefenstrukturen) sorgt dafür, dass Schülerinnen und Schüler gut lernen können. Lernen ist in dem Fall gefasst als ein Aneingnungsprozess eines Gegenstandes, Phänomens und dergleichen, mit dem (möglichst selbst gewählten) Ziel einer neuen Erkenntnis.

Bei der Unterrichtsplanung geht es mir also darum, einen Rahmen zu schaffen, der Lernen ermöglicht. Das bedeutet dann Unterricht.

Ab dem Zeitpunkt kommen die harte Fakten ins Spiel, die Frage also, wie ich Unterricht dann ganz genau plane (in dem Sinne, in dem ich mich hinsetze und darüber nachdenke, was ich wann wie und warum mache). Über das Zwieback-Prinzip und meine Ordnungsstrukturen habe ich an anderer Stelle berichtet. Wichtig erscheinen mir an dieser Stelle nur die Hinweise, die letztlich die Struktur zu dem Tweet verdeutlichen (an anderer Stelle kann man meine Planung eines Unterrichts, der auf Phasen aufbaut, nochmals sehr genau nachvollziehen).

Makrostruktur

Zu der Zeit, in der Corona und die entsprechenden Erlasse und Verwaltungsvorschriften noch nicht dafür gesorgt haben, dass man allzeit flexibel sein muss, habe ich meist eine Jahresplanung durchgeführt, an der ich mich orientieren konnte. Dazu werde ich wieder kommen. Im Grunde beschreibt diese die linke Spalte meiner Notizbücher.

Es ist nicht als ein Käfig zu begreifen, sondern als eine Möglichkeit der groben Strukturierung, die dafür sorgt, dass Grundlagen gelegt sind (welche das sind, ist in den unterschiedlichen Fächern sicherlich sehr unterschiedlich).

Mikrostruktur

Die Mikrostruktur meines Unterrichts nun, auf die am meisten eingegangen worden ist, kann sich nun sehr stark unterscheiden. Da gerade hier die Fragen kamen, versuche ich an dieser Stelle eine kurze Übersicht über mögliche Szenarien.

Nicht-Planung/ Agile Planung

Ich plane meinen Unterricht niemals gar nicht. Aber natürlich kommt es vor, dass ich etwas plane, das ich dann geflissentlich ignoriere. Einfach aus dem Grund, dass sich eine Diskussion entspannt, die möglicherweise sogar nichts mit dem Thema zu tun hat, aber gesellschaftlich relevant ist.

Innerhalb meiner Medien-AG ist die “Nicht-Planung” aber eingeplant. Hier würde man, wenn ich meine “Planung” zeigen würde, eher etwas wie grobe Ziele sehen, die dann erst in der gemeinsamen Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern konkretisiert werden. Die gemeinsame Planung ist dabei Teil des Lernzusammenhangs. In einer strukturierten Form dieser gemeinsamen Planung, die sich an Forschungsfragen der Schülerinnen und Schüler orientiert, kann man dann von einem agilen Unterricht sprechen.

Dies ist beispielsweise auch dann der Fall, wenn Schülerinnen und Schüler selbst recherchieren und so zu einer Übersicht kommen sollen. Allerdings ist ein solches Szenario schon näher an dem folgenden.

Planung eines Rahmens

Einen Schritt weiter in die Planung bewegt sich ein Szenario, das Robert Mill als Antwort auf meinen Tweet gepostet hat. Im Grunde kann man sagen: Material und Zielorientierung ist vorhanden, aber es ist keine Schrittigkeit festgelegt. Auf diese Weise arbeite ich nahezu jedes Jahr mit meinem Kurs in einem offenen Setting. Wie Christian Vanell zu seinem Unterricht schrieb, spielen in einem solchen Szenario Zeitstrukturen keine Rolle mehr (oder sind zumindest nicht genau festgelegt, hier der dazugehörige Blogbeitrag von Christian).

Eine solche Planung eines Rahmens ohne Strukturen und Phasen führe ich auch immer dann durch, wenn es in der Mittel- oder Unterstufe beispielsweise um digitale Projekte geht (Aufnahme eines Podcasts, eines Videos, eines Hörspiels). Eine in Phasen unterteilte Unterrichtsplanung würde hier dem Arbeiten schlicht zuwider laufen.

Planung grober Phasen

Einen weiteren Schritt hinein in eine strukturierte Mikroplanung ist wohl das, was man in meinem Ausgangstweet gesehen hat. Eine solche Planung, die ich mit (sehr groben) Zeitangaben versehe, ist für mich dann sinnvoll, wenn die Unterrichtsphasen eine Progression abbilden sollen. Das sollte den meisten Lehrkräften nicht fremd sein.

Dabei müssen aber die einzelnen Teile – gerade bei individuellem Unterricht in Gruppen – aber nicht überall gleich lang sein.

Ein Beispiel ist, dass ich seit dem digitalen Fernunterricht oftmals mit einem Advanced Organizer arbeite. Ich erkläre oder visualisiere also, was das Gegenstand oder das Ziel der Stunde ist und wie wir dort hingelangen können. Das ist etwas zwischen Organisation und Einstieg, also eine deutliche Phase, nach der dann habe auch offene Arbeitsphasen kommen können.

Planung konkreter Phasen

Es kommt dennoch immer wieder vor, dass ich Unterrichtsstunden auch in sehr genauer Abfolge plane. Das tue ich dann, wenn die Progression des Lernzuwachses im Vordergrund steht und überprüft werden können soll (Überprüfung heißt hier nicht durch eine Klassenarbeit, sondern beispielsweise durch Schülerfeedback oder gegenseitige Hilfestellung).

Eine solche Planung ist sehr starr und nicht das Ziel meines Unterrichts. Dennoch ergeben sich für mich immer wieder Szenarien, in denen ich eine sehr genaue Abfolge als unterrichtliches Instrument einsetze – freilich, um dann wieder in offene Phasen überzuleiten.

Fazit

Für mich ist Unterrichtsplanung sehr abhängig davon, welche Voraussetzungen gegeben sind, welche sozialen Bedingungen vorzufinden sind, was die Zielsetzung ist und wie diese erreicht werden soll.

Aus meiner Sicht ist guter Unterricht einer, der kognitiv aktivierend ist, in dem das Lernen im Mittelpunkt ist (denn erst so kann auch konstruktiv unterstützt werden) und in dem die Schülerinnen und Schüler transparent wissen, was wie aus welchem Grund getan wird (oder dies sogar selbst bestimmen können, insofern die oberen Bedingungen dies erlauben).

Ob das Lernen nun durch eine Lerntheke, ein offenes Arbeiten, genaue Phrasierung oder Zwischenszenarien unterstützt wird, ist sehr stark von den verschiedenen hier kurz besprochenen Bedingungen abhängig. Soweit gehen, eine Szenario als das Allerbeste zu sehen, würde ich nicht. Dass wir allerdings weg müssen von 10-G-Unterricht sehe ich als Ziel.

Ich weiß, die Kommentarspalten sind eher tot und wurden durch Social-Media abgelöst, aber ich würde mich freuen, wenn die Diskussion auch unter dem Beitrag weitergehen könnte, so dass man mögliche Alternativen auch über Links erreichen kann. Ich bin gespannt über die Anregungen und freue mich auf diese.

1 Kommentar

  1. Hallo Herr Blume – Kann alles positiv nachvollziehen, habe jedoch zwei Nachfragen, zu denen ich keine direkten Anhaltspunkte gefunden habe:
    (1) die Alltagsbedeutung eines Themas für SuS – und die Möglichkeit, die entsprechenden Alltagsszenen in Unterricht einzubeziehen;
    (2) die kognitiven Formate der Lernaufgaben – für mich intensives Thema bei der Aufgabe “Forschen lernen” – seinerzeit mit Lehramtsstudies.
    Beide Fragen hängen zusammen:

    zu (1) Unser Zentrales Nervensystem (ZNS) ist grundlegend auf ÜBERLEBEN ausgerichtet, der Austausch mit der Umwelt also gar nicht beliebig – und die Alltagsbedeutung ist der Regelhorizont. Weil aber Umwelt hochkomplex und hochdynamisch ist, braucht es auch für ÜBERLEBEN komplexe und dynamische Umgangsfähigkeiten. Ich bringe es mal hier auf den Punkt – das ZNS eigent sich nicht nur einen neuen “Gegenstand” an – es entwickelt zugleich auch eine erweiterte, übertragbare Fähigkeit (Lernen lernen).

    zu (2) “Forschen” mit Ziel Beweisführung/Vorhersagbarkeit ist eine derart spezialisierte und von Alltagsbedeutung abgekoppelte Aufgabe, dass ein gut Teil des Erlernens daraus besteht, sich zu “konzentrieren” = den Forschungsprozess von “Störfaktoren” frei zu halten. Je näher die anliegende F-Frage an Entwicklungsbedarfen orientiert ist, desto schwieriger wird das.

    (1)+(2) sind mir u.a. bei Textaufgaben im Mathe-U begegnet. Eine Untersuchung zum Umgang der SuS damit zeigte einen interessanten Unterschied:
    Die Identifizierung der Rechenoperation in der skizzierten Alltagssituation sowie die Durchführung der Rechenoperation gelangen deutlich besser als ihre Reformulierung in die ursprüngliche Alltagsszene = es “fehlten die Worte” – ich denke, es liegt an einem dimensionalen Wechsel des Kognitionsformates, der eine eigene Lernaufgabe darstellt.
    Die “Didaktische Schleife” im Rahmen von Projekt-U scheint mir dem nahe zu kommen.

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