Januar 2020. Es ist mittlerweile fünf Jahre her, dass ich diese Polemik schrieb. Ich schrieb sie mit viel Wut im Bauch, wegen der Schüler*innen, die Jahre unter jenen Menschen leiden, die keine Lehrer hätten werden sollen und wegen des Berufes, meines Berufes, der in Verruf gerät wegen dieser Leute. Nach und nach machte ich es mir zur Aufgabe, anstatt zu schimpfen zu helfen. Dieser Blog entstand, einige Bücher entstanden. Aber vor ein paar Tagen war es wieder soweit.
Da war sie wieder: Die Person, die nicht selbstständig denken möchte. Die Dropbox-Gestalt des Social Web. Ich helfe gerne. Aber ausnutzen lasse ich mich nicht gerne. Und einige junge Studentinnen und Studenten kooperieren nicht. Sie betteln. Sie denken nicht nur nicht, sie wollen nicht denken. Das tut mir in der Seele weh. Diese jungen Menschen würde ich am liebsten beim Schlafittchen packen und ihnen zurufen: Mach was ohne Menschen! Und eine Bitte an alle:
Werdet keine Lehrer!
Da erzählt eine ehemalige Kollegin von ihren Kollegen, die sich über ihre Poster, ihre Anstrengung in der Klasse lustig machen, die sie aufziehen, warum sie denn noch vorbereiten würde. Noch vorbereiten? Nicht viel vorbereiten. Überhaupt! Das tun sie nämlich nicht mehr. Nach zwei bis drei Jahren.Unfassbar! Hängt euren Beruf an den Nagel und erklärt allen, die ihr auch kennt:
Werdet keine Lehrer!
Oder jene, die noch nie davon gehört haben, dass es in einer Einheit eine erkennbare Progression geben kann, dass man auf gemeinsame, offene Lernziele hinarbeiten und eine Struktur im Hinterkopf haben kann, die es gemeinsam zu reflektieren gilt. Das es neue Lernformen gibt. Es ist nicht schlimm, aber:
Werdet keine Lehrer!
Oder noch früher. Wenn ihr das Fach nicht mögt. Wenn ihr die Bücher nicht lesen wollt, weil es euch alles zu viel ist, weil ihr nie wirklich Interesse an eurem Fach hattet, weil ihr nicht weiter fragen möchtet, einfach nur durchkommen. Nur die Professoren wählen, die nett sind und gute Noten geben. Ich verstehe euch. Es ist schwer. Aber:
Werdet keine Lehrer!
Oder wenn ihr die Kinder nicht mögt. Sie nerven euch, tun nicht das, was ihr sagt, selbst wenn ihr sie bloßstellt und demütigt, so wie ihr es auch in der Schule erfahren habt und obwohl ihr ihnen sagt, dass ihr doch auch keine Lust habt oder noch nie hattet. Macht nichts. Kein Problem. Keiner ist sauer. Aber:
Werdet keine Lehrer!
Und die, die nach einer einfachen Frage forschen, eine Frage für die Bachelorarbeit, die sie ja schreiben müssen (nicht wollen) über irgendetwas, was sie nicht interessiert, weil sie nicht wissen, was sie interessiert. Seid ihr auch hier? Hört zu: Es ist nicht jedermanns Sache, Fragen zu entwickeln, sich neugierig mit der Welt auseinander zu setzen, aber – ihr werdet es vermuten – werdet keine Lehrer.
Nochmals: Werdet keine Lehrer!
Und an euch, die ihr schon von Beginn an keine Lust habt, ihr, die ihr nur lernt, weil ihr wissen wollt, wie es weiter geht. Die ihr nach Materialien für den einen Prüfer fragt, weil man sagte, er sei der einfachste. Steckt es! Geht weg! Lebt! Haut ab ins Ausland! Lernt Menschen kennen! Denkt drüber nach, aber:
Werdet keine Lehrer!
Und zuletzt: Wenn ihr denkt, das Internet geht wieder weg, wenn ihr denkt, es müsse mehr Räume geben, wo die Kinder ihre Handys einschließen, ihr, die ihr denkt, dass das alles schon zu viel ist, dass man doch nur Arbeitsblätter austeilen müsse, dass sich nichts mehr verändern müsste, dass man sich nicht mit anderen austauschen sollte und sein Süppchen allein kocht.
Tut dieses, tut jenes.
Joggt. Schaut fernsehen. Geht ins Büro.
Macht ein schönes Wochenende.
Aber bitte!
Bitte!
WERDET KEINE LEHRER!
Wegweiser
Dieser Beitrag ist Teil des Buches „Wegweiser Referendariat“, in dem alle wichtigen Blogartikel zum Referendariat vollständig überarbeitet, erweitert und angepasst in einem handlichen Buch auf 200 Seiten gesammelt sind.
Der Lehrer und Schulleiter Jan-Martin Klinge urteilt über das Buch: „Es ist ganz einfach: Wenn Sie dieses Buch lesen, werden Sie ein besserer Lehrer“.