Momentan arbeite ich in Deutsch mit meinem Leistungskurs an der Textanalyse, die im Abitur in Baden-Württemberg Teil einer zweigeteilten Aufgabenstellung ist, in der der Schwerpunkt entweder auf der Textanalyse oder auf der Texterörterung liegen kann. Diesen Text finde ich sehr gelungen, weshalb ich die Schülerin gefragt habe, ob ich sie einem breiteren Publikum zugänglich machen kann. 

Hinweis für Lehrkräfte

Aufbauend auf diesem Artikel gibt es nun ein Materialpaket zur Textanalyse auf Eduki. Hier werden Texte nach dem hier dargestellten Muster analysiert, didaktisch aufbereitet und im Sinne eines zeitgemäßen Unterrichts aufbereitet.

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Zum Hintergrund

Die Schwierigkeit an einer Textanalyse ist es, “hinter” den Text zu schauen und nicht nachzuerzählen. Auch geht es nicht darum. möglichst viele sprachliche Besonderheiten zu sammeln und aufzuzählen, sondern die Grundstruktur des Textes zu erfassen, die inhaltlichen Schwerpunkte herauszuarbeiten und zu prüfen, inwiefern die sprachlichen Besonderheiten eben jene herausgearbeitete Argumentationsstruktur betonen, verdeutlichen und/ oder verstärken.

All das macht die Schülerin in ihrem nachvollziehbaren, stringenten und sehr strukturierten Aufsatz. Natürlich sind Kommentare willkommen. Ich bedanke mich an dieser Stelle herzlich dafür, dass Cora mir die Arbeit zur Verfügung gestellt hat.

Die Textanalyse

Analyse – Sascha Lobo: Die Inkonsistenz ist unverschämt

Die Corona-Pandemie dauert nun schon über ein Jahr an, wöchentlich werden neue Beschlüsse gemacht, die eher härter als weicher werden, was man darf und was nicht, ist oftmals unklar, genauso wie die Frage, wie es mit Schulen, der Gastronomie etc. weitergeht. Die Schuld hierfür sehen viele Menschen ganz klar bei den Politikern, doch ist das wirklich so?  In der Kolumne „Die Inkonsistenz ist unverschämt“ problematisiert Sascha Lobo das Versagen der aktuellen Corona-Politik, die Rückgratlosigkeit ebendieser Politiker und die Reaktion der Allgemeinheit darauf.

Der Artikel lässt sich in sechs Sinnesabschnitte gliedern. Zunächst beschreibt Lobo bestimmte Leute und deren Wut bzw. wo diese Wut herzukommen scheint. Des Weiteren wird durch die Präsenzpflicht bei der Arbeit und die widersprüchliche Handhabung bei der Durchsetzung der Maskenpflicht, die Inkonsistenz der Corona-Maßnahmen thematisiert. Im darauffolgenden Abschnitt geht es um die Fehlschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz und die Rückgratlosigkeit ebendieser Ministerpräsidenten, wobei diese von der fehlenden Kommunikation in Sachen Homeoffice und Homeschooling abgelöst wird. Außerdem spricht Lobo über die seiner Meinung nach ebenfalls wenig durchdachte Impfstrategie und liefert eine abschließende Erklärung für das derzeitige Verhalten bzw. die derzeitige Wut der Menschen.

Wie schon erwähnt, beginnt Lobo mit der Beschreibung der unterschätzten Wut bestimmter Leute: „Ein großer Teil der deutschen Regierungspolitik unterschätzt die Vollheit der Schnauze der Leute […]“. Der Neologismus der „Vollheit der Schnauze“ hebt hierbei besonders die immer größer werdende Wut der Menschen hervor.  Außerdem zeigt sich in der Einfachheit der Ellipse „zu Hause, weil Gastro zu, und vor Wut, weil Dilettantismus“, die eigentliche Einfachheit der im Folgenden genannten Absurditäten, die zur „Vollheit der Schnauze der Leute“ führen: „Unlogik, […] unzureichende Kommunikation [und] das Gefühl“ der Unzulänglichkeit der Verantwortlichen. Diese Aufzählung zu Beginn der Kolumne fasst grob die Gründe für die Wut der Menschen zusammen und werden im weiteren Verlauf von Lobo näher erläutert.

Des Weiteren folgt eine Überleitung zu den Widersprüchlichkeiten der Corona-Maßnahmen, indem Lobo mit rhetorischen Fragen und der Metapher „der Corona-Elefant“ das Interesse des Lesers weckt: „Der Corona-Elefant im Raum ist der vielleicht deutschestmögliche Elefant […]“. Lobos Metapher zeigt hier deutlich, dass diese Widersprüchlichkeit also vorhanden ist und auch gesehen wird, aber einfach ignoriert bzw. nicht angesprochen wird. Mit seiner sarkastischen Frage: „Kurz: Warum sehen so viele bundesdeutsche Büros im Alltag noch aus, als sei 2019?“ wird Lobos Empörung über diese Inkonsistenz und darüber, dass sich trotz Corona in der Arbeitswelt nichts verändert, deutlich.

Als Beispiel hierfür vergleicht er die Bemühungen von „Gastronomen, Geschäfte“, etc., mit denen der Büroarbeit: „Nicht wenige Gastronomen […] haben […] unglaublich viel Geld investiert […] und jetzt müssen sie schließen. […] Dagegen kann jeder neuntklassige Chef ganz legal seine Mitarbeiter im Büro antreten und acht Stunden anderthalb Meter voneinander entfernt maskenlos arbeiten lassen“. Durch Lobos sarkastische Gegenüberstellung wird erneut die von ihm kritisierte Inkonsistenz deutlich, indem diejenigen, die teure Bemühungen unternommen haben, schlussendlich schließen mussten und diejenigen, die keine Bemühungen unternommen haben, schlussendlich normal weiterarbeiten können. Dass Homeoffice außerdem nur „dringend gebeten“ ist, kommentiert Lobo mit einem sarkastischen Vergleich: „Dringend gebeten, das ist bei Tausend Toten am Tag labberiger als die Pizzapappe nach einer großen Hawaii mit extra Ananas“. Auch hier zeigt sich durch den sarkastischen Unterton erneut Lobos Unverständnis für die widersprüchlichen Maßnahmen.

Weiterführend stellt Lobo die These auf, dass auch die Durchsetzung der Maskenpflicht in der Öffentlichkeit eine gewisse Widersprüchlichkeit aufzeige: „Der Durchsetzungswille der Maskenpflicht wird übrigens staatlicherseits so elegant wie bigott verwandelt in das missbrauchte Wort »Eigenverantwortung«“. Lobos Vergleich „elegant wie bigott“ zeigt, dass man seiner Meinung nach in der heutigen Gesellschaft nicht mehr auf Eigenverantwortung setzen kann, sondern die Durchsetzung der Maskenpflicht nicht von den Bürgern selbst durch Eigenverantwortung kontrolliert werden sollte, sondern von einem Staatsorgan. Durch die darauffolgende Concessio „Eigenverantwortung ist ein Freiheits- und kein Sanktionskonzept“, wird erneut Lobos Haltung deutlich. Er sieht Eigenverantwortung also nicht als sinnvolle Corona-Maßnahme bzw. nicht als Sanktionskonzept an und ist somit der Meinung, dass die Durchsetzung der Maskenpflicht nicht jedem selbst überlassen werden sollte, sondern hierfür „richtige“ Sanktionskonzepte entwickelt werden sollten.

Als Beispiel für die Widersprüchlichkeit bei der Durchsetzung der Maskenpflicht, nennt Lobo die Polizei: „Wenn dann auch noch regelmäßig Bilder von Corona-Leugner-Demos durch die Medien fliegen, wo die Polizei nicht auch nur das Allergeringste gegen mangelnden Abstand und fehlende Masken unternimmt […] [aber] in einer Berliner Straße mit Maskenpflicht nicht bemaskte Radfahrer Strafen zahlen mussten“, dann entstehe „das Gefühl, man werde mit Doppelstandards gemessen“. Lobo kritisiert hier also, dass die Polizei bzw. der Staat bei Corona-Leugnern, die diese Eigenverantwortung zum Tragen der Maske nicht übernehmen wollen, die Maskenpflicht nicht härter durchsetzt, jedoch aber „harmlose“ Radfahrer bestraft.

Des Weiteren kritisiert Lobo die „Non-Performer[n] der Corona-Politik“ bzw. die Ministerpräsidenten, die Entschlüsse „gegen fast alle Experten, gegen fast alle Studien, gegen fast alle Datenlagen“ gemacht haben. Der Parallelismus wirkt fast schon eindringlich und verdeutlicht, wie viele Informationsquellen die Politiker hätten nutzen können, um nicht bei den letztendlich getätigten Fehlentschlüsse zu landen, diese aber deutlich missachtet haben.

Doch Lobo zeigt nicht nur die gegen alle Expertenmeinungen und Studien getätigten Fehlschlüsse auf, sondern auch die Rückgratlosigkeit ebendieser Politiker: „Wie zum Beweis der enormen Topflappigkeit der Runde scheren am Dienstagabend zwei Ministerpräsidenten sofort wieder aus dem wenige Stunden zuvor betroffenen Beschluss aus“. Der Neologismus „Topflappigkeit“ unterstützt hierbei Lobos sarkastischen Unterton, mit welchem er aufzeigt, dass sogar die Ministerpräsidenten selbst, „wenige Stunden“ nach dem Beschluss nicht mehr an dessen Funktionieren glauben und aussteigen, die Bevölkerung aber trotzdem mit deren Fehlentschluss leben muss.

Im nächsten Abschnitt wird die Nichtkommunikation im Hinblick auf Homeoffice und Homeschooling deutlich: „Die verzweifeltsten Stimmen kann man derzeit von Eltern vernehmen, die keine Unterstützung und oft nicht einmal verbindliche Informationen bekommen und sich zwischen Homeoffice und schlecht organisiertem Homeschooling aufreiben“. Auch hier zeigen sich erneut die Fehlentschlüsse der Politiker, welche erstens gegen Expertenmeinungen und zweitens ohne Kommunikation mit den wirklichen Betroffenen getroffen wurden, was schlussendlich zu Chaos und zur „Vollheit der Schnauze der Leute“ führte.

Weiterführend thematisiert Lobo die Unzuverlässigkeit der deutschen Corona-Politik im expliziten Hinblick auf Schulen. Hierfür geht er im Vergleich zu anderen Ländern auf den Umgang mit Corona bzw. die Corona-Maßnahmen in den Schulen ein: „Andere Länder haben in den letzten elf Monaten Luftfilterkonzepte erarbeitet, funktionierende digitale Lern-Plattformen aufgebaut, didaktisch sinnvolle Homeschooling-Strategien entwickelt, Schnelltests und Fiebermessungen in den Schulalltag integriert oder wenigstens flächendeckend regelmäßig FFP2-Masken verteilt. In Deutschland wurde empfohlen, ordentlich zu lüften.“ Lobos Empörung wird vor allem durch die Syntax deutlich. Während er sich bei den Maßnahmen in Schulen anderer Länder an einem hypotaktischen Satzbau bedient und somit die Vielfalt und Fülle von deren Maßnahmen aufzeigt, so hat er die Maßnahmen der deutschen Schulen kurz und knapp in einem Satz abgehandelt. Die Nüchternheit dieses einen Satzes spiegelt hier die durch Lobo kritisierte Nüchternheit der Corona-Maßnahmen an deutschen Schulen wider. Durch die den Inhalt unterstützende Syntax, zeigt sich außerdem deutlich Lobos Sarkasmus. Denn der knappe Satz über deutsche Schulen, lässt diese wenigen Maßnahmen im Vergleich zu der langen Aufzählung von Maßnahmen an Schulen anderer Länder, fast schon lächerlich wirken und den Leser stutzen.

Außerdem geht Lobo erneut auf die Rückgratlosigkeit der Politiker ein: „Als in Hamburg für diese Behauptung unpassende Datenauswertungen erschienen, vergaß man offenbar irgendwie, das zu erwähnen, so ein Ärger“. Hier stellt Lobo sogar die These auf, dass die Politiker wichtige Informationen unterschlagen würden, um die Glaubwürdigkeit der Menschen nicht zu verlieren, wobei die ironische Epiphrase „was ein Ärger“ darauf schließen lässt, dass sie dies ohnehin schon längst getan haben.

Mit der folgenden Concessio wird deutlich, dass auch Lobo die Gedankengänge der Politiker in Sachen Schulschließung nachvollziehen kann, aber deren Begründungen deutlich missbilligt: „Es gibt gute Gründe dafür, Schulen so lange wie möglich offen zu lassen […] – aber dann bitte nicht mit der pathetischen Begründung, dass der Ausfall des Präsenzunterrichts zu irreparablen Bildungsschäden in den Kinderköpfen führe“. Lobo kritisiert im Folgenden viel eher die fehlende Digitalisierung an Schulen: „Fünfzehn Jahre absichtsvolles Ignorieren der Digitalisierung – das hat Schäden hinterlassen“. Es wird also deutlich, dass Lobo das heutige Scheitern nicht nur auf die aktuellen Beschlüsse zurückführt, sondern einen von vielen Gründen für das Scheitern schon in der Vergangenheit ansetzt, indem er das jahrelange Ignorieren der Digitalisierung an Schulen für das derzeitige Schul-Chaos mitverantwortlich macht.

Darüber hinaus geht Lobo auch auf die Corona-Impfung ein: „Noch kann sich die Impfkampagne der Bundesrepublik Deutschland zum Guten wenden. Einen holprigen Start hatte sie allemal […]“. Es zeigt sich, dass Lobo nicht nur die Corona-Maßnahmen, sondern auch die Impfstrategie für undurchdacht hält, wobei das Adverb „noch“ zeigt, dass dessen Gelingen für ihn doch noch im Bereich des Möglichen ist, während er bei den anderen Corona-Maßnahmen die Hoffnung schon aufgegeben zu haben scheint.

Abschließend fasst Lobo seine Erklärungen für das derzeitige Verhalten der Menschen zusammen: „Genau diese Kontrollhybris ist es, diese Mischung aus Selbstüberschätzung, mangelnder Nachvollziehbarkeit und Kleinwurstigkeit bei gleichzeitig auftrumpfender Regulierungsautorität, die die Menschen rasend macht“. Lobo sieht also viele Gründe für die Wut der Menschen, wobei er das Problem eines Musters erkennt: „Man kann darin ein bekanntes Muster erkennen. Es ist das Muster des Verbockens mit Anlauf“. Die einzelnen Fehlentschlüsse und auch das Fehlverhalten einiger Politiker und weiterer Staatsorgane, wäre also laut Lobo nur halb so schlimm, wenn es nicht bei jeder neuen Hürde gleich ablaufen und immer im Scheitern enden würde.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lobo vor allem die Fehlschlüsse der Politiker bzw. dessen Widersprüchlichkeit und das immer wiederkehrende „Muster des Verbockens“ als Grund für die derzeit schlechte Stimmung der Menschen sieht. Lobo schafft es durch die Verbildlichung seiner Aussagen mittels Stilmittel das Interesse des Lesers zu wecken und vor allem zu halten und weist durch seinen sarkastisch lockeren Schreibstil zwar eindringlich, aber auch zu einem gewissen Teil humoristisch auf die Inkonsistenz der Maßnahmen und die aktuellen Probleme hin.

3 Kommentare

  1. Wenn das eine gelungen Textanalyse sein soll dann weiß ich auch nicht mehr weiter.
    Grundsätzlich ist der Schlussteil ganz gut, aber der größte Teil ist einfach eine Zusammenfassung und keine Textanalyse und das ist auch der Fehler der so oft bei der Textanalyse thematisiert wird.

    • Dann schlage ich Ihnen vor, Herr Heinrich, dass Sie selbst eine vorzügliche Textanalyse ins Internet schreiben. Ich freue mich sehr darauf. Derweilen mache ich mich auf und werde jenen 50.0000 Lesenden, für die diese Analyse gut genug war, ein Schreiben zukommen lassen, dass diese Analyse beschissen ist. Ich freue mich auf Ihre Analyse. Bitte posten Sie sie als Link hier herunter. Alles Gute!

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