Castrop-Rauxel. Lehrer Walter Theodor Fludernik hat all seine Bücher weggeworfen, damit er sich noch mehr den Gedanken, die seine Schülerinnen und Schüler in ihren Klausuren äußern, widmen kann. Es sei ein radikaler Schritt, meint W.T.Fluedernik, aber es habe sich jetzt schon gelohnt.
Zunächst sei es eine kleine Umgewöhnung gewesen, so der Pädagoge. "Vor allem abends im Bett, wenn ich es mir gemütlich mache und Englischarbeiten meiner 5.Klasse lese, muss ich mir den intellektuellen Anspruch ein wenig herleiten", so Fludernik.
Seitdem er aber konsequent nur noch Schülerarbeiten lese, habe sich das sehr deutlich in seinen Ausgaben gezeigt. "Natürlich ist Björn-Tjorven kein Goethe, aber letztens habe ich in der Deutscharbeit einen Satz gelesen, der fast nachdenklich hätte stimmen können. Und das Geld für Bücher spare ich auch." Aber auch weitere Dimensionen der Schülerarbeiten fordern den Lehrer heraus.
"Jeder redet von IT-Sicherheit, aber was manche Schüler an Verschlüsselungstechniken nutzen, davon macht sich keiner einer Vorstellung. Und das alleine mit Handschrift!" Auf die Frage, ob es nicht irgendwann zu viel werde, muss WTF schmunzeln.
"Für die Schüler, ja. Denn ich habe die Arbeiten ja bis zu einem Jahr, weil ich sie so lange und so oft lese, bis ich einen Gedanken erwische, der mich intellektuell weiterbringt. Einmal brauchte ich fast ein Dreiviertel Jahr, um zu erkennen, was Gieselherr-Martin mit dem He! in der letzten Zeile seiner Arbeit gemeint hat. Nun, da ich weiß, dass es sich um Hamlet handeln muss (Zweite Szene, kurz vor dem Auftritt von Horatio) kann ich die Arbeit wieder mit gutem Gewissen zurückgeben. Das gibt natürlich eine Eins."
Nur auf die Frage, was seine Freunde, Bekannten oder Familie dazu sagen würde, hüllt sich der Sonderling in Schweigen. Es scheint fast so, als seien diese Wörter für ihn nur ein weit in der Erinnerung liegendes Echo, das sich nicht mehr fassen lässt.
Disclaimer
[1]Wer was lustig findet, ist eine schwierige Sache. Ich bitte dennoch darum, dass sich jene, die zu Bluthochdruck neigen, ein wenig gelassen zeigen oder bei allzu brachialen Gemütsausbrüchen den Postillon kontaktieren und dort den ihre Wut ablassen.
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