Schwanschule Schweinfurt. Eine Lehramtsanwärterin mit den Fächern Deutsch, Englisch und dem neu entstandenen Fach EWS  (“Eierlegende Wollmilchsau”) hat sich überaus erfreut gezeigt, als der Fachleiter ihr für ihre Doppelstunde einen Hinweis gab, wie die Stunde hätte laufen können. Zwar fiel sie durch und muss sich so beruflich umorientieren, aber sich ist vor allem wegen des Hinweises um eine Erfahrung reicher. 

Zunächst hätte man meinen können, dass die von der Referendarin gehaltene Stunde den Ansprüchen an eine Lehrprobe gerecht werden würde. Die Referendarin, die aufgefordert worden war, realistisch zu planen, hatte lediglich vier Nächte durchgearbeitet, 4 Arbeitsblätter mit 8 Niveaustufen erstellt und diese funktional in den Unterricht eingeplant.

Der Einstieg war so gelungen, dass die Schüler klatschten. Die dann perfekt gesetzte Gelenkstelle sorgte für einen so weichen Übergang in die alle Schüler aktivierende Arbeitsphase, dass selbst Hilbert Meyer, wäre er zugegen gewesen, die Freudentränen in den Augen gehabt hätte. Die dann auf Grundlage der Erarbeitung angebahnte handlungs- und produktionsorientierte Arbeitsphase sorgte für einen kreativen Transfer, der dann analytisch erfasst und so präsentiert wurde, dass ein Tafelbild wie aus der Hand Gottes entstand. All das, erklärte der Fachleiter, der hier anonym bleiben möchte, sei ja “auch wirklich nett”. Er schob an: “Man merkt, dass Sie eine gute Lehrerin geworden wären, wenn ich Sie nicht durchfallen lassen würde. Das ist ja auch schon mal eine sehr gute Nachricht.”

Dementsprechend freute sich die Referendarin schon, bevor der Fachleiter seiner Weisheit durch das sogenannte HHF-Feedback (“Hätte-hätte-Fahrradkette”, ein Buch von Leon Micha Andres-Andresen) Ausdruck verlieh und ihr ein weiteres breites Lächeln ins Gesicht zauberte. Vor allem wurde problematisiert, dass die Referendarin nach siebeneinhalb Minuten, zu dem Zeitpunkt, an dem sie dem Schüler Hilfeleistung geben sollte, nicht ihren gesamten Körper absenkte, so dass dieser, dessen Gesichtsausdruck schon eine gewisse Schreckhaftigkeit verriet, theoretisch verängstigt hätte werden können.

Insofern war es für den Fachleiter nur folgerichtig, dass die gezeigte Leistung trotz gewisser Potenziale, die in der Stunde herausschimmerten (siehe oben) als nicht bestanden gewertet werden musste.

“Das macht aber gar nicht”, sagte die Referendarin später. Letztlich sind so ein paar Jahre Studium plus ein nun wirklich nicht besonders anstrengendes Referendariat kein Grund, sich über so etwas zu ärgern. “Wirklich wichtig ist, dass ich mir dieser Kritik nun mein Potenzial erkannt habe”, sagte sie und hüpfte mit wehendem Haar in Richtung Arbeitsamt.

Disclaimer

[1]Wer was lustig findet, ist eine schwierige Sache. Ich bitte dennoch darum, dass sich jene, die zu Bluthochdruck neigen, ein wenig gelassen zeigen oder bei allzu brachialen Gemütsausbrüchen den Postillon kontaktieren und dort den ihre Wut ablassen.

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Ansonsten wünsche ich eine wunderbare Zeit.

Wegweiser

Dieser Beitrag ist Teil des Buches „Wegweiser Referendariat“, in dem alle wichtigen Blogartikel zum Referendariat vollständig überarbeitet, erweitert und angepasst in einem handlichen Buch auf 200 Seiten gesammelt sind.

Der Lehrer und Schulleiter Jan-Martin Klinge urteilt über das Buch: „Es ist ganz einfach: Wenn Sie dieses Buch lesen, werden Sie ein besserer Lehrer“.

3 Kommentare

  1. Ich bin mir sicher, dass es mir so ergehen wird in einem halben Jahr und deshalb überlege ich, ob das Ref überhaupt noch Sinn macht. Absolute Intransparenz und Subjektivität in der Beurteilung. Individuelle Lehrkräfte, wie ich, leiden unter dieser Willkür.

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