So wie es aussieht, wird der digitale Fernunterricht weitergehen. Die ersten Fragen, die dabei eine Rolle spielen, sind meist jene, die digitale Plattformen betreffen. Dabei sind andere Dinge wichtiger. Was bedeutet das? Eine Plattform ist nur dann sinnvoll, wenn sie in eine Struktur eingebettet ist, die gewinnbringendes Arbeiten erlaubt. Das ist auch mit Videokonferenzen der Fall. 

Zum “Leitfaden Homeschooling/ digitaler Fernunterricht”

Kein Tutorial

Dieser Artikel ist kein Tutorial für den Gebrauch von Videokonferenztools. Zwei dieser Tools, deren Funktionsweise und das Vorgehen bei der Erstellung von Räumen, habe ich auf diesem Blog beschrieben (Hier zum Artikel zu Zoom, hier der Artikel zu Jitsi). Grundsätzlich ist es vor allem wichtig, dass man die Einladungslinks versenden kann. Dafür braucht man entweder einen Messenger oder kann es über Mails machen, wobei dies aufwändiger ist, weil man nicht direkt sehen kann, wer alles dabei ist und wer nicht.

Datenschutz

Obwohl es mittlerweile Übersichten gibt, mit welchen Einstellungen man das Tool Zoom nutzen kann, um es “sicherer” zu machen, bleibt die Einschätzung von Datenschützern bestehen, dass das Tool sehr unsicher ist. Nicht nur, weil die Zugangsdaten von Nutzern im Darknet gehandelt werden, sondern weil insgesamt viele Daten in amerikanischen Servern verarbeitet werden.

Das Tool Jitsi ist eine Alternative, die jedoch leider nicht dieselbe Funktionalität hat. Dennoch ist es unter den Bedingungen, die ich hier skizziere, eine Alternative.

Restrukturierung

Bevor man Videokonferenztools nutzt, sollte man sich Gedanken darüber machen, was man damit eigentlich vorhat. Ich habe schon öfters den Begriff “Videounterricht” gehört und halte ihn für missverständlich, wenn nicht sogar gänzlich falsch.

Ein Blick auf den Präsenzunterricht

Der Präsenzunterricht zeichnet sich dadurch aus, dass nicht nur die Anwesenden präsent sind, sondern auch ihre Arbeiten. Der Unterricht ist von der Lehrkraft orchestriert und wird gelenkt. Das ist keine neue Erkenntnis, ist aber für Videokonferenzen wichtig. Denn im Präsenzunterricht passiert es oft, dass eine Schülerin darum bittet, dass man “mal kurz” vorbeikommt. Dann erklärt man etwas – auf der Grundlage der Arbeit, die die Schülerin einem vor die Nase hält. Dann geht es zurück, um die kollektive Arbeit weiterzuführen (in zeitgemäßen Settings ist das alles weniger der Fall).

Video-FAQ vs Videounterricht

Eine solche Vorgehensweise ist über Videos nicht abzubilden. Oder noch drastischer formuliert: Fernunterricht ist nicht einfach Unterricht aus der Ferne. Er funktioniert anders und unter anderen Bedingungen, auch und gerade, was Videokonferenzen angeht.

Da wir keinen Videounterricht führen können, wie wir ihn aus dem Unterricht gewöhnt sind, gilt es zu überlegen, was in einem Videoformat abgebildet werden kann. Das ist:

  • Ein Lehrer-Schüler Gespräch
  • Die Verdeutlichung und Klärung eines Sachverhalts

That’s it! Der Unterschied zum “normalen” Unterricht ist aber, dass ich als Lehrperson wissen muss, WAS genau ich klären muss. Und das ist in der Konferenz mühsam. Besser ist es, vor der Konferenz (deshalb die 4+1-Regel). Was bedeutet das? Das heißt, dass ich als Lehrer planen muss, wie

  • die Aufgaben
  • innerhalb einer realistischen Zeitspanne
  • so eingereicht werden können,
  • dass die Probleme, Herausforderungen und Fragen,
  • sinnvoll strukturiert vor der Videokonferenz gesammelt werden können.

Ein Wort zu einer realistischen Zeitspanne. Die Unterrichtszeit besteht nur zu einem Bruchteil aus der “Kernarbeit”. Man kann auch sagen: Wenn man noch Unterrichtsverlaufspläne macht, dann ist die Kernarbeit das, was man “Erarbeitungsphase” nennt. Das bedeutet, dass ein eineinhalbstündiges Fach niemals Aufgaben für eineinhalb Stunden ausgeben sollte. Stattdessen sollten die Aufgaben (klar, immer über den Daumen gepeilt) so ausgegeben werden, dass innerhalb einer Zeit gemacht werden, die bleibt, wenn man die Phasen des “normalen” Unterrichts abzieht, in denen auch nicht jeder für sich arbeiten würde.

Danach gibt es ein Ergebnis, das auch lauten kann, dass etwas nicht verstanden worden ist. Erst dann ergibt eine Videokonferenz Sinn. Dann ist sie aber kein “Videounterricht”, sondern Video-FAQ.

Ungewohntes Setting

Aus diesem Grund ergibt es für mich auch keinen Sinn, Schüler*innen im Sinne einer mündlichen Leistung zu zwingen zu sprechen. Videokonferenzen sind gewöhnungsbedürftig, für manche sogar unangenehm. Das sollte man im Kopf bewahren. Auch deshalb ist eine Vorabsammlung gut, denn dann muss keiner in eine Lage gebracht werden, in der er oder sie nicht sein will. Möglich wäre beispielsweise ein anonymes Etherpad, in dem die Fragen gesammelt werden.

Erklärungen

Und zuletzt noch ein paar Sätze zu Erklärungen. Ich denke, es ist deutlich geworden, dass eine asynchrone Planung alle Teilnehmenden deutlich entlastet. Aber natürlich kann es sein, dass auch während der Konferenz etwas erklärt werden muss.

Dies ist mit Zoom und Jitsi über eine Bildschirmfreigabe möglich. Auf dem eigenen Bildschirm kann man dann mit welchem Tool auch immer schreiben, zeichnen oder etwas zeigen. Eine weitere Möglichkeit ist die synchrone Nutzung eines Etherpads. Auch hier könnte man den Bildschirm freigeben, mit dem Unterschied allerdings, dass dann auch die Teilnehmenden schreiben könnten.

Kollaborative Tools

Kurz nach der Entstehung des Artikels folgte ein Kommentar, den ich gerne als tolle Ergänzung in den Artikel aufnehme. Es ist eine Ergänzung zu kollaborativen Tools, die man während der Konferenz nutzen kann.

Zum gemeinsamen Zeichnen bieten sich auch kollaborative Whiteboards an.

Im aktuellen Semester nutze ich gern https://onthesamepage.online/ , weil es wirklich sehr, sehr niederschwellig zu benutzen ist. Der Workflow sieht so aus:
– ein(e) Student*in meldet Frage grob per E-Mail an
– man vereinbart ein Telefonat oder eine Audiokonferenz mit der Lerngruppe und teilt den Link zum Whiteboard per E-Mail
– man zeichnet gemeinsam an einer Lösung

Was mir dort gut gefällt, ist das man auch Zahlen und Buchstaben über die Tastatur eingeben kann, die dann in einer Art Handschrift an der Stelle des Mauszeigers erscheinen. Das macht gerade Achsenbeschriftungen und Annotationen in Diagrammen und Schaltbildern viel besser lesbar.

Ein weiteres gern genutztes Werkzeug ist auch https://draw.chat/, weil man dort sehr einfach vorhandene Bilder (z.B. Schaltbilder oder Diagramme) einfügen und dann handschriftlich ergänzen kann. Es bietet auch eine eingebaute Audio- und sogar Videokonferenzfunktion, die ich aber noch nicht genutzt habe. Die verschiedenen Nutzer*innen mit unterschiedlichen Bildschirmauflösungen werden durch unterschiedliche Rahmen auf der gemeinsamen Zeichenfläche angezeigt. Inhalte können mit Schreib- und auch nur mit Leserechten per Link freigegeben oder als Bilddatei heruntergeladen werden. Wie lange die Daten auf dem Server verbleiben, habe ich noch nicht ausprobiert.

Fazit

Eine Sache ist bei Videokonferenzen doch so wie beim Unterricht: Vieles entscheidet sich davor! Es sollte deutlich geworden sein, dass eine sinnvolle Videokonferenz auf Vorarbeit basiert – seitens der Schüler*innen und der Lehrer*innen. Auf diese Weise lassen sich zumindest teilweise die Defizite auffangen, die sich durch das Ausbleiben der Präsenz aller Beteiligten ergeben.

Zum Weiterlesen

Fast zeitgleich hat Hauke Pölert einen Beitrag geschrieben, den ich hier gerne als sehr gewinnbringenden Artikel zum weiterlesen verlinke:

Videokonferenzen im (Online-) Unterricht nutzen – Modell und Phasen für strukturierte Planung

11 Kommentare

  1. Zum gemeinsamen Zeichnen bieten sich auch kollaborative Whiteboards an.

    Im aktuellen Semester nutze ich gern https://onthesamepage.online/ , weil es wirklich sehr, sehr niederschwellig zu benutzen ist. Der Workflow sieht so aus:
    – ein(e) Student*in meldet Frage grob per E-Mail an
    – man vereinbart ein Telefonat oder eine Audiokonferenz mit der Lerngruppe und teilt den Link zum Whiteboard per E-Mail
    – man zeichnet gemeinsam an einer Lösung

    Was mir dort gut gefällt, ist das man auch Zahlen und Buchstaben über die Tastatur eingeben kann, die dann in einer Art Handschrift an der Stelle des Mauszeigers erscheinen. Das macht gerade Achsenbeschriftungen und Annotationen in Diagrammen und Schaltbildern viel besser lesbar.

    Ein weiteres gern genutztes Werkzeug ist auch https://draw.chat/, weil man dort sehr einfach vorhandene Bilder (z.B. Schaltbilder oder Diagramme) einfügen und dann handschriftlich ergänzen kann. Es bietet auch eine eingebaute Audio- und sogar Videokonferenzfunktion, die ich aber noch nicht genutzt habe. Die verschiedenen Nutzer*innen mit unterschiedlichen Bildschirmauflösungen werden durch unterschiedliche Rahmen auf der gemeinsamen Zeichenfläche angezeigt. Inhalte können mit Schreib- und auch nur mit Leserechten per Link freigegeben oder als Bilddatei heruntergeladen werden. Wie lange die Daten auf dem Server verbleiben, habe ich noch nicht ausprobiert.

Schreibe einen Kommentar zu DIGITAL: Unterricht digital in Zeiten vom Coronavirus | Bob Blume Antwort abbrechen

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein