Auf der diesjährigen re:publica durfte ich einen Vortrag zum Thema Bildung halten und zu der Frage, die mich gerade am meisten umtreibt: Wie kann Lernen wieder berühren? Einige Take-Aways aus dem Vortrag schreibe ich nun in diesen Beitrag. Den Vortrag selbst kann man auf YouTube schauen, er ist am Ende eingebunden.
„Bildung ist der Erwerb der Kunstfertigkeit, sich Wissen nutzbar zu machen.“
Alfred North Whitehead
Als ich als Achtklässler im Schultheater “Das Fräulein von Scuderi” spielte, brannte sich der Text tief in meine Erinnerung ein – nicht, weil ich Vokabeln paukte, sondern weil ich die Figur sein wollte. Diese Erfahrung ist mein roter Faden: Wenn Lernen berührt, bleibt es lebenslang.
Doch genau dieses Knistern fehlt an vielen Schulen. Daten zeigen:
-50 000 Schüler*innen verlassen Deutschlands Schulen ohne Abschluss.
-Ein Viertel erreicht die weiterführende Schule ohne Grundkompetenzen in Deutsch oder Mathe.
-20 % kämpfen mit massiven Mental-Health-Problemen.
-Gleichzeitig beschleunigt sich die Welt exponentiell. In der Kultur der Digitalität können junge Menschen jederzeit alles sehen, hören, lesen, erstellen – und doch sitzt im Klassenraum oft noch derdie „Wissensvermittlerin“ vorne. Ein System, das sich derart leicht hacken lässt, hat ein Update bitter nötig.
1. Resonanz statt Reproduktion
Hartmut Rosa nennt es pädagogische Resonanz: Unterricht gelingt, wenn es im Raum knistert. Theater, Podcasts, Memes, KI-gestützte Texte – jeder Schülerin braucht Türen, durch die er oder sie eigenständig gehen möchte.
2. Kultur der Digitalität ernst nehmen
Digitalisierung ist kein Extra-Fach. Digitalität verändert alle Fächer:
Referentialität: Wissen vernetzen, Quellen remix-fähig machen.
Gemeinschaftlichkeit: Lernen sichtbar kollaborativ gestalten.
Algorithmizität: Mit, nicht gegen KI denken – z.B. Klassenarbeiten, in denen Prompts reflektiert und Ergebnisse kritisiert werden.
3. Produktives Scheitern & De-Implementierung
Wir müssen Ballast abwerfen: Rituale ohne Wirkung (etwa Korrekturen ohne Rückmeldung) gehören ersatzlos gestrichen. Gleichzeitig brauchen Schulen mehr Psychologinnen, Sozialarbeiterinnen, Admins – und Mut, Neues auszuprobieren, auch wenn es zunächst holpert.
-Medienbildung verbindlich & fächerübergreifend verankern.
-Resonanzräume schaffen: Theater, Maker-Labs, Podcast-Studios, Debattierclubs.
-Feedback neu denken: weniger Strafpunkte, mehr konstruktive Rückmeldungen, Peer-Reviews, KI-gestützte Reflexion.
-Ressourcen umschichten: Mehr Zeit für Beziehungen, weniger für Formalien.
-Mut zum Experiment: Scheitern als Lernmotor feiern.
Frage dich: Wo knistert es in meinem Unterricht – und wo herrscht Indifferenz?
Streiche in der kommenden Woche eine Aktivität, die nachweislich nichts bringt, und ersetze sie durch ein Resonanz-Experiment (z. B. eine Vier-Satz-Theaterminiatur, einen KI-gestützten Schreibimpuls oder ein Meme-Remix).
Viel Freude beim Anschauen – und beim Entfachen neuer Funken im Klassenzimmer!