Früher hieß es: Es passiert nur so viel, wie in die Zeitung passt. Das kann man nun auf Social-Media-Postings übertragen: Wenn man Social-Media nutzt, muss man verkürzen. Das birgt eine Gefahr, denn es bedeutet, dass man ein Thema gut genug verstehen muss, dass man weiß, was man weglässt. Und wie man Emotionen erzeugt. Aber selbst, wenn das so ist, wird immer wieder der Vorwurf laut: Das ist verkürzt oder sogar populistisch. Diejenigen, die das kommentieren, zeigen dadurch ein komplettes Unverständnis der sozialmedialen Realität. Ein Einwurf.
Ein Autor, auf diesem Blog ganz zufälliger Weise ich, schreibt ein Sachbuch über die Vielschichtigkeit des Bildungssystems und Möglichkeiten der Reformierung. Um dieses Buch zu schreiben, gibt es eine Recherche, damit all das, was gebraucht wird, um die Thesen zu untermauern, auch eingefügt werden kann.
📘 𝐃𝐚𝐬 𝐁𝐮𝐜𝐡 (𝟏. 𝐕𝐞𝐫𝐤ü𝐫𝐳𝐮𝐧𝐠)
300 Seiten fassen unzählige Aufsätze, Studien und weitere Bücher zusammen – 300 Fußnoten zeugen davon, dass das Buch selbst eine Verkürzung darstellt. Eine lange Verkürzung, aber dennoch eine Verkürzung.
🎤 𝐃𝐚𝐬 𝐈𝐧𝐭𝐞𝐫𝐯𝐢𝐞𝐰 (𝟐. 𝐕𝐞𝐫𝐤ü𝐫𝐳𝐮𝐧𝐠)
Der Autor wird zu dem Buch interviewt: 10 Minuten Sendezeit, ein paar Fragen, 90-Sekunden-Antworten. Die Verkürzung wird verkürzt. Jedem, der das Interview hört, sollte klar sein, dass es Ziel dieses Interviews ist, einige Einblicke in das Buch zu geben, dass jeder selbst lesen muss, wenn er oder sie den Gedankengang tiefgreifender verstehen möchte.
📲 𝐃𝐞𝐫 𝐈𝐧𝐬𝐭𝐚𝐠𝐫𝐚𝐦-𝐏𝐨𝐬𝐭 (𝟑. 𝐕𝐞𝐫𝐤ü𝐫𝐳𝐮𝐧𝐠)
Ein Zitat, eine kurze Erklärung, ein Verweis. Eine Verkürzung der Verkürzung der Verkürzung – und genau der Moment, an dem manche „zu oberflächlich!“ rufen. Oder NUR auf den Post reagieren.
Was passiert wirklich?
𝐈𝐦𝐩𝐮𝐥𝐬
Der Post ist ein mentaler Hyperlink – er leitet weiter, nicht abschließend.
𝐀𝐮𝐟𝐦𝐞𝐫𝐤𝐬𝐚𝐦𝐤𝐞𝐢𝐭𝐬𝐟𝐢𝐥𝐭𝐞𝐫
Erst Zuspitzung schafft Reichweite im Feed-Overload.
𝐄𝐢𝐧𝐥𝐚𝐝𝐮𝐧𝐠
Wer mehr wissen will, greift zum Interview, Buch, Paper.
𝐒𝐞𝐥𝐛𝐬𝐭𝐯𝐞𝐫𝐚𝐧𝐭𝐰𝐨𝐫𝐭𝐮𝐧𝐠
Tiefe entsteht im nachfolgenden Dialog, nicht im Teaser.
𝐊𝐢𝐧𝐝𝐞𝐫𝐬𝐜𝐡𝐮𝐡𝐞 𝐬𝐭𝐚𝐭𝐭 𝐋𝐞𝐡𝐫𝐛𝐮𝐜𝐡
Ob Hashtag-Reels, Explain-Podcasts oder Thread-Essays – Formate entstehen gerade erst. Wir experimentieren, stolpern, lernen.
𝐇𝐞𝐫𝐚𝐮𝐬𝐟𝐨𝐫𝐝𝐞𝐫𝐮𝐧𝐠 „𝐁𝐫ü𝐜𝐤𝐞𝐧𝐬𝐜𝐡𝐥𝐚𝐠“
Wie übersetzt man Fachjargon in Alltagssprache, ohne Substanz zu verlieren? Das ist Handwerk, nicht Hexerei – aber es muss noch viel mehr Menschen interessieren.
𝐕𝐨𝐦 𝐊𝐫𝐢𝐭𝐢𝐬𝐢𝐞𝐫𝐞𝐧 𝐳𝐮𝐦 𝐆𝐞𝐬𝐭𝐚𝐥𝐭𝐞𝐧
Anstatt nur zu rufen „zu kurz!“, sollten wir fragen: Welche Stories, Visuals, Vergleiche bringen Erkenntnisse überhaupt in den Diskurs?
Die beste Erkenntnis bleibt wirkungslos, wenn sie niemand wahrnimmt. Man kann sich dagegen entscheiden, Plattformen zu nutzen. Aber dann sollte man dies auch stillschweigend tun. Pointierte oder emotionale Posts sind Einladungen zur Vertiefung, keine Endstationen. Wer ihre Existenz reflexhaft abtut oder versucht, jene zu diskreditieren, die Posts schreiben, zeigt vor allem eins: 𝐞𝐧𝐭𝐬𝐜𝐡𝐞𝐢𝐝𝐞𝐧𝐝𝐞 𝐋ü𝐜𝐤𝐞𝐧 𝐢𝐧 𝐝𝐞𝐫 𝐞𝐢𝐠𝐞𝐧𝐞𝐧 𝐌𝐞𝐝𝐢𝐞𝐧𝐤𝐨𝐦𝐩𝐞𝐭𝐞𝐧𝐳.
Diese findet sich leider auch bei den Parteien. Oder wie Marina Weisband es formuliert: "Wir brauchen einen demokratischen Populismus. Wir müssen mit den Emotionen kommunizieren, denn das macht die Rechte und die demokratischen Parteien machen das gar nicht. Die tun so, als seien Emotionen gar kein Teil von Politik. Ich bin dafür, dass wir viel, viel plakativer kommunizieren." Ich auch. Solange wir wissen, wie es dann weitergeht.