Nach einem sehr offenen Gespräch mit der Elternvertretung einer Mutter an unserer Schule, in der es vor allem um die „Neuen“ bzw. digitalen Medien ging, versprach ich, einen kurzen Artikel zu schreiben, in dem es darum gehen soll, das Online-Verhalten der Kinder und Jugendliche besser einordnen zu können. Wie so häufig in einer Welt, in der jeder Informationen zur Verfügung stellen und konsumieren kann, gibt es zu diesem Thema sehr viele Informationen. Dieser Blog-Beitrag soll keinen Gesamtüberblick geben, sondern lediglich einige Denkanstöße bereitstellen. Er richtet sich vor allem an diejenigen mit wenig medialer Vorbildung, die sich ob den fast wöchentlichen Neuerungen der medialen Welt zunehmend verloren fühlen.

Nach Gesprächen mit unterschiedlichen Klassen kann ich sagen, dass die meisten Kindern und Jugendliche keinen oder wenige Menschen haben, mit denen sie über die Probleme der digitalen Welt reden können. Dies ist ein Problem, das gelöst werden sollte. (Eine Ausnahme ist Nina Kutschera, The Voice of Germany – Teilnehmerin. Wie sie das macht, kann man hier lesen).

Aufbau

Zunächst wird erklärt, was Applikationen eigentlich sind und was deren Hauptfunktion ist. Dann sollen zwei Dinge besprochen werden: Erstens, was die Kinder und Jugendlichen damit anstellen und was für Gefahren bestehen. Zweitens, und das ist besonders hervorzuheben, was die Kinder und Jugendlichen damit machen könnten, wenn sie in der Schule oder zu Hause den Umgang lernen würden.

Hochleistungsrechner und Applikationen

Wie ein Experte für digitale Bildung jüngst auf einem Bildungskongress hervorhob, ist der verniedlichende Name „Handy“ oder sogar „Smartphone“ für die aktuellen Geräte eigentlich irreführend. Was fast 97% der Jugendlichen (Jim-Studie) in ihren Hosentaschen haben, sind Hochleistungscomputer, die den Rechner, mit dem Neil Armstrong auf den Mond flog, um ein hundert- oder tausendfaches überflügeln. Täglich kommen in die „Appstores“, in denen die Apps verkauft werden, neue Programme hinzu. Das ist es nämlich, was eine App ist: Ein Computerprogramm, das auf der Nutzerfläche des Handys als ein Symbol angezeigt wird. Mit diesen Applikationen kann man heutzutage ziemlich alles machen, was einem einfällt. Man kann sein Instrument stimmen, eine Wasserwaage installieren oder Leuten auf dem anderen Ende der Welt dabei zusehen, wie sie in der Schule sitzen und über ihren Lehrer lästern. Es gibt Apps, die über hundert oder mehr Euro kosten, denn die Kosten für die Entwicklung müssen gedeckt werden.

Diejenigen Apps, die nichts kosten, kosten Daten. Lassen Sie mich dies an einem Beispiel erläutern.

Jeder, der WhatsApp auf seinem Handy hat, erklärt in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die heutzutage nur noch die wenigsten lesen, dass er seine Daten (und die seiner Freunde, auch wenn diese gar nicht auf WhatsApp sind) dem Unternehmen zur Verfügung stellt. Das bedeutet konkret: Auch wenn man nichts zu verbergen zu haben glaubt, kann WhatsApp mit den Daten machen, was es will.

Es könnte also jedes vermeintlich private Bild, das über eine Gruppe gesendet wird, in 20 mal 20 Metern in einer Großstadt an eine Plakatwand hängen und man hätte keine rechtliche Handhabe.

Das bedeutet nun nicht, dass man dem Kind verbieten sollte, WhatsApp zu nutzen, vor allem, da die täglich wachsende Nutzerschicht es fast unmöglich macht, den Dienst außen vorzulassen und auf Alternativen – die es mittlerweile gibt – umzusteigen.

Aber es macht deutlich, dass man sich zusammen mit dem Nachwuchs darüber Gedanken machen sollte, wie solcherlei Dienste genutzt werden. Gespräche mit den Kindern zeigen, dass diese zwar tagtäglich mit Apps umgehen, aber zumeist nicht wissen, was das für sie überhaupt bedeutet.

Deshalb ist das Wichtigste überhaupt, was Sie tun können (und das auch, wenn sie keine Ahnung zu haben glauben): Sprechen Sie mit ihrem Kind! Denn selbst wenn Sie keine technischen Hilfestellungen geben können, so braucht das Kind oder der Jugendliche jemandem, dem er sich anvertrauen kann.

Eine Metapher, die man für das Smartphone heranziehen könnte, ist eine Großstadt. Man kann in die Bücherei gehen, auf den Spielplatz, aber eben auch ins Rotlichtviertel oder in andere dunkle Gegenden. Nur wenn man die Stadt kennt, kann man sich so in ihr bewegen, dass man keine Angst zu haben braucht. Natürlich passiert es trotzdem das eine oder andere Mal, dass man zu viel zahlt, eine Ampel übersieht oder sich im Ton vergreift, aber insgesamt kann man von sich behaupten, die Stadt zu kennen. Im Augenblick gibt es zu viele, die Angst vor dieser Großstadt haben und hoffen, dass ihr Kind schon die richtige Straße nehmen wird. Dies zu ändern ist unsere Aufgabe.

Wertehaltungen und Vorsicht

Bleiben wir bei dem Beispiel der Großstadt. Selbst wenn Sie nicht in einer Großstadt wohnen, sondern schon lange in einem kleinen Dorf auf dem Land leben, hat Sie Ihre Erfahrung gelehrt, wie man sich in der Stadt verhält. Das heißt, dass Sie, nachdem Sie einmal gelernt haben, wie man sich verhält und orientiert, dies auch auf andere Städte übertragen können.

Dieses Wissen fehlt den Kindern oft, was auch kein Wunder ist, denn: Leider gibt es in den meisten digitalen Räumen oder eben Städten keine Polizei oder Schranken. Man müsste sich theoretisch darauf verlassen, dass die Kinder verantwortungsvoll mit sich und der Umgebung umgehen, und das sollte auch das Ziel sein.

Jedoch ist eine solche Erwartungshaltung vor allem dann schwierig, wenn die Kinder in der Schule das Handy nicht benutzen dürfen, weil man vom Gefahrenpotential ausgeht und es zu Hause nicht benutzen sollen, weil von ihnen erwartet wird, dass sie das mit ihrer Zeit tun, was wir schon damals taten.

Ziel einer gemeinsamen Medienbildung sollte es also zunächst sein, die Hochleistungsgeräte, die fast jeder Bürger in der Tasche trägt, mit Neugierde verstehen zu lernen. Dies tun Sie, lieber Leser und liebe Leserin, schon, indem Sie diesen Text lesen. Am besten geschieht dies jedoch, indem Sie selber ins kalte Wasser springen und ausprobieren. Sie müssen dabei nicht alles das tun, was ihr Kind tut. Aber lassen Sie sich ruhig das eine oder andere erklären, denn bei der oberflächlichen Handhabung, die man zunächst benötigt, sind die meisten wahre Experten. Sie brauchen natürlich viel Geduld, mit sich, aber auch mit der Ungeduld ihres Kindes, für das vieles, das sie zunächst nicht auf Anhieb verstehen, völlig normal ist. Aber nicht verzagen: Die Schreibschrift lernte man auch nicht innerhalb eines Tages.

Ziel sollte es sein, dass man die Handlungen, die das Kind vollzieht, versteht, versteht, warum dieses oder jenes wichtig ist und eine starke Wirkung auf das Kind hat. Letztlich geht es darum, Wertehaltungen zu vermitteln, die das Kind oder die Jugendlichen dazu befähigen, selber mit Vorsicht durch die Straßen der großen unbekannten Stadt zu gehen. Deshalb ist es wichtig hervorzuheben: Es geht nicht darum, das Kind in seinem Verhalten zu kontrollieren. Regeln sind wichtig, auch was das Smartphone und dessen Nutzung angeht, sei es beim Essen oder beim gemeinsamen Gespräch. Aber die Kinder sollten ganz wie in ihrem Zimmer auch die Möglichkeit haben, ihre Türen zu verschließen und private Dinge mit ihren Freunden zu besprechen.

Handeln im Internet und auf Smartphones

Die Zeiten von Facebook sind vorbei. Der größte Zuwachs an Nutzerzahlen ist im Bereich von über 60 Jahren. Das bedeutet aber auch, dass zwar viele Jugendliche noch in Facebook sind, dies aber nur noch tun, um ab und zu lustige Videos anzuschauen. Die Plattformen, auf denen kommuniziert oder recherchiert wird, haben sich verlagert.

Auch was den schulischen Bereich angeht, ist das Googeln einer Information mittlerweile nur noch an zweiter Stelle. Youtube-Videos sind an den ersten Rang geklettert. Hier sind wirkliche Leute, die etwas erklären und besonders nah an dem Zuschauer sind. Besonders Jugendliche suchen nach gleichaltrigen Helden. Die Youtube-Stars von heute haben teilweise mehr Abonnenten (also Menschen, die die Videos regelmäßig schauen) als alle deutschen Tageszeitungen zusammen. Das bedeutet auch, dass hier Werte vermittelt werden können, aber auch, dass ganz unverhohlen Produkte zur Schau gestellt werden können. Denn über den Verkauf solcher Produkte verdienen diese Youtube-Stars Geld.

Auch sind die Informationen nicht immer zuverlässig, da ja prinzipiell jeder sein Wissen ins Netz stellen kann. Ich kenne das Video einer Deutschlehrerin, die, trotz ihres schönen Ansatzes, falsche Dinge behauptet. Das Video wurde 40.000 Mal angesehen.

Während sich die Jugendlichen vor allem auf Youtube aufhalten, wenn sie nach Informationen suchen, tummeln sie sich in ihrer Freizeit auf anderen Portalen. Im Folgenden werden einige von ihnen vorgestellt.

WhatsApp

Bei Kindern und Jugendlichen, aber auch bei Erwachsenen ist die App WhatsApp, die mittlerweile von Milliarden von Dollar von Facebook übernommen wurde, die wichtigste App. Hier werden persönliche Gespräche geführt, Hausaufgaben besprochen, hier werden Bilder getauscht. Es wird sich unterhalten und Musik geladen und nebenbei werden auch Menschen (z.B. Klassenkameraden) beleidigt, die sich meist nicht wehren können, außer aus der Gruppe auszutreten.

Dies liegt nun weder an WhatsApp oder am Handy. Mobbing entsteht nicht durch Handys. Das, was die neue Dimension des Cyber-Mobbings ausmacht, ist, dass man sich ihr nicht mehr erwehren kann. Viele Kinder und Jugendliche (1 von 5) haben dies schon erlebt. Aber nicht nur für diejenigen, die Beschimpfungen ausgesetzt sind, ist WhatsApp ein Problem. Schülerinnen und Schüler berichten davon, dass sie sich zunehmend unter Druck gesetzt fühlen. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen haben die meisten ihre WhatsApp-Nachrichten auf „Push-Nachrichten“ gestellt. Das bedeutet nichts anderes, als dass man entweder durch ein Symbol, ein Geräusch oder ein Vibrieren mitbekommt, wenn in einer Gruppe etwas gesagt wird. Da die Kinder und Jugendlichen heutzutage aber in hunderten Gruppen sind, kann es sein, dass die Anzeige nach der Stunde überquillt. Man hat den Druck, den Gesprächen, denen man nicht bewohnen konnte, zu folgen. Ein zusätzliches Druckmittel sind die von WhatsApp eingeführten Lesebestätigungen. Hat man eine Nachricht gelesen, wird dies durch zwei Blaue Haken angezeigt. Das heißt aber auch umgekehrt, dass derjenige, der geschrieben hat, weiß, dass die Nachricht angesehen wurde und man vielleicht nicht sofort reagiert. Er oder sie könnte sich darüber beschweren, so dass man also zurückschreibt. Dies kann in einer Endlosschleife weitergehen, so dass man sehr viel Zeit braucht, bis ein Gespräch endlich beendet ist.

Ein weiterer problematischer Punkt ist, dass alles, was man auf dem Portal, das eigentlich erst ab 16 genutzt werden darf (siehe AGB) generell öffentlich ist und von der Firma genutzt werden dürfte. Man hätte, wenn Beschimpfungen oder eigenen Bilder benutzt würden, keine rechtliche Handhabe. Das wissen viele Kinder aber nicht und posten ihr gesamtes Leben in die Gruppe, um anderen zu gefallen, zu zeigen, wer und wo sie sind oder den Anschluss nicht zu verlieren.

Was ist zu tun?

Prinzipiell ist die Nutzung von WhatsApp oder ähnlichen Apps nichts Schlimmes. Im Gegenteil: Wenn die Schulen davon abkehren würden, soziale Netzwerke zu verbieten (so geschehen in Baden-Württemberg) könnten alle davon profitieren, schnell und unkompliziert miteinander zu kommunizieren.
Das Wichtigste scheint mir jedoch zunächst, jedem Nutzer klarzumachen, dass, nur weil man nicht von Angesicht zu Angesicht mit jemandem redet, immer noch Regeln des menschlichen Miteinanders gelten. Und wenn diese verletzt werden, sollte man dies gemeinsam besprechen, unaufgeregt und ohne Anschuldigungen, aber bestimmt. Fragen Sie ihren Sohn oder ihre Tochter, welche Erfahrungen sie in den Gruppen gemacht hat. Sprechen Sie darüber, wie man den Umgangston ändern könnte. Denn im Grunde geht es hier nicht um das Digitale oder die Realität. Jedes Kommunikationsmittel muss ja von jemandem benutzt werden. Und die Leute, die am anderen Ende der Leitung sitzen, fühlen sich genauso ernst genommen, wenn man ihnen Verantwortung gibt, wie sie sich verletzt fühlen, wenn man sie beleidigt. Natürlich kann man Kinder verstehen, die nicht wollen, dass man eine Konversation mit der besten Freundin oder dem Freund nachliest. Aber wenn es unter die Gürtellinie geht, sollte man allen Beteiligten klar machen, dass auch neue Kommunikationsmittel kein rechtsfreier Raum sind.

Instagram

Die unbestrittene Nummer 1 neben WhatsApp ist für Heranwachsende die App Instagram (die Mädchen nutzen auch WeHeartIt und beide Geschlechter SnapChat). Das Prinzip ist ähnlich. Man hält sein Leben in möglichst schönen Bildern von sich fest und teilt diese mit den Leuten, die einem folgen, die also den Account abonniert haben. Das kann prinzipiell die ganze Schule sein. Gleichzeitig folgt man Menschen (Freunden, aber auch völlig unbekannten), deren Bilder man schön findet. Dies bringt man zum Ausdruck, indem man in Bild „liked“, ähnlich dem Prinzip, wie es mittlerweile sehr vielen Menschen auf Facebook bekannt ist.

Im Grunde genommen ist das nicht schlecht. Menschen, die beispielsweise verurteilen, dass sich jemand auf Instagram aufnimmt, obwohl er gerade bei einer Beerdigung ist, verkennen, dass viele Jugendliche sich heutzutage so ihrer Gefühle vergewissern und sie auch mit anderen Teilen. Es ist wie ein halb-öffentliches Tagebuch. Halb-öffentlich deshalb, weil viele davon ausgehen, dass das, was sie schreiben, nur an die geht, die es auch sehen oder lesen sollen. Das ist auch meistens so, aber es besteht eben auch die Chance, dass etwas in die Öffentlichkeit kommt, dass dort eigentlich eher nicht hin sollte.

Des Weiteren haben Firmen und Organisationen längst mitbekommen, dass die Heranwachsenden sich dort tummeln. Das machen sie sich zu Nutze, indem sie besonders populäre Mädchen oder Jungen mit Kleidung ausstatten, die sie dann auf Hochglanzbildern präsentieren. Im Grunde ist dies eine Dauerwerbesendung, aber weil die Jugendlichen dies oftmals nicht merken oder keinen haben, der sie darüber informiert, konsumieren sie ohne einen Filter.

Das, was im Internet sowieso immer eine Rolle spielt, nämlich potentiell gefährliche Menschen, die sich als andere präsentieren, spielen natürlich auch eine Rolle. Aber im selben Atemzug muss man hervorheben: Es geht nicht darum, dass man den Kindern wegen dieser Gefahren alles verbietet, sondern mit ihnen darüber spricht, welche Erfahrungen sie machen.

Sind sie schon einmal von jemandem angeschrieben worden, den sie gar nicht kannten? Wollte dieser merkwürdig viele Informationen haben? Solche Dinge müssen thematisiert werden.

Was ist zu tun?

Wie schon einige Mal hervorgehoben wurde, ist es am besten, wertneutral mit den Kindern über diese Dinge zu sprechen. Wertneutral heißt: Lassen Sie sich Bilder zeigen, sie können sie selbstverständlich loben, denn die Kinder und Jugendlichen sind wahrlich Künstler in der Handyfotografie ihrer selbst. Hören Sie zu, was die Kinder ihnen sagen und fragen sie so viel nach wie es geht.

Letztlich geht es darum, dass im Falle, dass wirklich Druck ausgeübt wird, sei es, weil eine Freundin mehr „Likes“ bekommt, ein Foto schlecht gemacht wurde, keine neuen Personen folgen oder schlimmer, jemand versucht Kontakt aufzunehmen, die Heranwachsenden das Gefühl haben, dass sie mit jemandem sprechen können, der ihre Sorgen versteht.

Und dies muss jedem klar sein: Für Jugendliche (und auch Erwachsene) gibt es den Unterschied zwischen Digitalem irgendeinem „realen“ Leben nicht mehr. Das, was im Internet passiert, durch die Apps präsentiert und mit dem Handy empfangen wird, ist das, was viele Jugendliche als Teil ihrer Identität sehen. Unverständnis demgegenüber bedeutet nur, dass sie sich mehr abgrenzen und noch mehr in die Sphären dringen, wo die Menschen sind, die ihnen vermeintlich nahe sind und die ihnen helfen können.

YouNow

YouNow und ähnliche Streaming-Dienste sind gerade im Trend. Sie bieten die Möglichkeit, von prinzipiell jedem Ort der Welt, der mit Internet versorgt ist, live aufzuzeichnen und zwar von jedem neueren Smartphone.

Auf diese Weise schaffen es Youtube-Stars, ihr meist jüngeres Publikum an sich zu binden, weil man direkt Fragen stellen oder kommentieren kann. Da Youtuber durch jahrelange Nutzung der Plattform sehr professionell geworden sind, ist es für sie selbstverständlich, wo sie aufnehmen, was und wie sie es sagen, um ihre Privatsphäre zu schützen. Das ist – wie sich nach wenigen Minuten zeigt – für viele Kinder und Jugendliche nicht der Fall. Manche plappern drauf los und erwähnen nebenbei, wie alt sie sind, wo sie wohnen, was sie tun und wann sie wo anzutreffen sind. Wenn man sich das Internet als die Großstadt vorstellt, wie wir es getan haben, wäre das so, als würde man auf einem Balkon stehen und all diese Informationen herausschreien. Und zwar sowohl auf den Schulhof, als auch in die Ecke, in der erwachsene Männer mit Clownsmasken stehen. An der Art, wie diejenigen, die sich einem Stream anschließen, fragen, lässt sich erkennen, dass es eben auch Menschen mit dunklen Absichten gibt. Diese werden zwar durch die AGBs und die Möglichkeit, schwarze Schafe zu melden, scheinbar abgehalten. Wer aber weiß, wie einfach es ist, sich ein „Fake-Profil“ (also eine Anmeldung unter falschem Namen) zu erstellen, der erkennt, dass dies in den meisten Fällen ins Leere führt.

Die Frage, die sich oft stellt, ist, warum Kinder und Jugendliche überhaupt auf eine solche Plattform zugreifen. Letztlich sind es zwei Dinge, die sehr anziehend wirken. Zum einen erscheint ein Gespräch – auch wenn es mit Fremden geschieht – als ein Ort, an dem man sich mit Personen austauschen kann, die dasselbe denken wie man selbst. Zum anderen kann man (wie auf eigentlich jedem Social Media Network) Herzen vergeben und demjenigen folgen, der streamt. Diese Follower und das Lob in Form der Herzen ist eine sehr schnelle Form des emotionalen Glückgefühls, dass nach immer mehr Anerkennung schreit. Und so exponieren sich einige für den schnellen „Ruhm“, auch wenn dieser in kleinen Grenzen bleibt.

Was ist zu tun?

Wie auch bei den anderen Portalen, ist es im Prinzip kontraproduktiv, die Kinder generell davon abzuhalten, einen Dienst zu nutzen. Noch mehr als in den anderen Fällen ist es aber wichtig, sich in dem Fall, dass man von der Nutzung weiß, mit seinem Kind darüber auszutauschen, wie man mit dem Dienst umgeht, denn gerade bei Live-Schalten sind Dinge sehr schnell gesagt und lassen sich nicht einfach wieder rückgängig machen. Auch hier sollte man nicht die Moralapostel spielen und die Gefahren als Drohkulisse an die Wand malen, sondern vielmehr Interesse dafür zeigen, was das Kind tut und mit Fragen auf die Fährte lenken, welche Fallen es auch hier geben kann.

Umdenken: Medienkompetenz und Mediennutzung

Auch wenn Kinder und Jugendliche täglich das Smartphone nutzen, ist klar geworden, dass sie dies nicht immer mit vollem Bewusstsein für die Ecken und Kanten, aber auch Schwachstellen und Fallen des World Wide Web tun. Darauf mit einem kompletten Verbot zu reagieren, ist jedoch eine falsche Entscheidung, weil man so verhindert, dass die Kinder zu kompetenten und verantwortungsvollen Nutzern werden.

Wenn man sich das Internet nochmals als Stadt vorstellt: Ziel sollte sein, dass ich mein Kind begleite, erkläre, sich von den gefährlichen Ecken fernzuhalten, diese, die Gefahrenpotential bieten bewusst und mit klarem Verstand zu überqueren und diejenigen Orte zu nutzen, die Freude und Zusammenarbeit bieten.

Gerade der letzte Punkt ist nicht nur für die Erziehung im Elternhaus wichtig, sondern sollte auch ein wichtiges Element der schulischen Ausbildung sein. Momentan sträubt sich das unübersichtliche Schulsystem noch davor, digitale Geräte und deren Potentiale zu nutzen. Hier sind auch Sie gefragt, denn Veränderungen geschehen nur mit Hilfe aller Beteiligter.

Dabei sollte es jedoch nicht nur darum gehen, den Kindern zu erklären, welche Gefahren im Internet lauern, sondern, ganz im Gegenteil, den Fokus auf die Dinge zu schieben, die einem einen Mehrwert geben, den Unterricht oder die außerunterrichtliche Zusammenarbeit gewinnbringend unterstützen oder weiterführen. Medienkompetenz kann also nicht bedeuten, dass die Schule eine Stunde gibt oder dass sie bei einem Gespräch alles klären, sondern ist mittlerweile eine Fähigkeit, die man quasi zu jeder Zeit im Leben braucht.

Die Potentiale sehen

Die Potentiale von digitalen Geräten aufzuzählen würde den Beitrag ausufern lassen. Es wurden schon zahlreiche Bücher zu diesem Thema veröffentlicht, die zeigen, was digitale Neuerungen bieten (Hier eine schöne Zusammenfassung des Smartphones als Wunderkiste). Aus diesem Grund soll an dieser Stelle nur eine Idee davon gegeben werden, welchen positiven Nutzen sich aus der „neuen Zeit“ ziehen lassen. Natürlich sind „Lernapps“ zu nennen, mit denen man den „Stoff“ wiederholen kann (so beispielsweise zum Vokabellernen). Allerdings sollte man solcherlei Programme nicht als das Non-Plus-Ultra sehen, denn mit ihnen tun die Schüler nichts, was sie nicht auch analog tun könnten. Manche können besser mit Kärtchen, manche mit dem Vokabelheft arbeiten. Hier ist also nur eine weitere Möglichkeit der Wiederholung geboten.

Wo es wirklich interessant wird ist da, wo das Internet Potentiale für eine Öffnung der Schule oder des professionellen Arbeitens gibt.

Auf Twitter kann man beispielsweise viele Autoren von Büchern, die man gelesen hat, direkt fragen, was sie meinten. Oder man baut ein Netzwerk von Koleginnen und Kollegen auf, die man fragen kann, wenn man nicht weiter weiß (Es gibt zum beispiel zahlreiche Eltern auf Twitter, die ihre Erfahrungen teilen und Blogs führen). Man kann aber – und auch das ist neu – auch seine eigenen Arbeiten anderen bereitstellen.

Für die Schule bedeutet das beispielsweise, dass man an einem Blog arbeiten kann, der ein Heft ersetzt. Die Informationen können mit den Klassenkameraden oder mit der ganzen Welt geteilt werden. Plötzlich schreibt man nicht mehr „für den Lehrer“, sondern kann sich darüber freuen, die Gedanken mit anderen zu teilen.

Dies gilt auch für immer populärer werdende Lernvideos auf Youtube, die mittlerweile nicht mehr nur noch von Lehrern, sondern auch von SchülerInnen erstellt werden. Wer schon einmal etwas erklärt hat, weiß, wie sehr es Inhalte festigen kann. Denn um es zu erklären zu können, muss man den Inhalt verstanden haben.

Man kann auch fernab vom Buch auf Google mitten in die Wüste gehen und sich Satellitenbilder anschauen, ja, sogar in den Straßen von New York laufen. Und wenn man möchte kann man währenddessen die Menschen, die dort laufen, fragen, wie es ihnen geht.

Mittlerweile kann man auch Dokumente zusammen bearbeiten, ohne dass man im selben Raum ist, sich über ein Video unterhalten und gegenseitig kommentieren. Scherzhaft könnte man sagen, dass einige SchülerInnen froh darüber sein können, dass viele Lehrpersonen noch nicht so weit sind, denn ansonsten wären Ausreden wie „Ich wusste nicht, was wir als Hausaufgabe auf haben“ oder „Wir konnten das Referat nicht zusammen gestalten“ schlicht nicht mehr möglich.

Leider sind gerade in Baden-Württemberg durch datenschutzrechtliche Bedenken viele Kommunikationsstrukturen für Lehrer tabu. Aber nachdem die Bundesregierung mit ihrem digitalen Ausschuss auf dem Weg ist, das Digitale stärker zu fördern, sieht es zumindest danach aus, dass sich in der nächsten Zeit etwas ändern wird.

Und zum Schluss

An dieser Stelle finden Sie einen kurzen Leitfaden, wie sie mit ihren Kindern in Bezug auf Medien umgehen können.

Für mich persönlich erscheint es am wichtigsten – egal ob es nun um die Schule oder das Elternhaus geht – sich für die Bewegungen der Kinder und Jugendlichen in den digitalen Sphären zu interessieren, nachzufragen, was sie dort tun und sich vielleicht das eine oder andere selbst erklären zu lassen. Es geht immer um ein Vertrauensverhältnis, dass es den Heranwachsenden erlaubt, sich den Eltern oder Lehrern im Falle von Sorgen zu öffnen, aber auch, etwas Privates für sich zu behalten. Es geht weniger um Kontrolle, als um Vertrauen.

In dieser kurzen Einführung gibt es mit Sicherheit Aspekte, die nicht erwähnt worden sind oder zu kurz kommen. Im Folgenden sehen Sie deshalb eine kleine Liste von digitalen und analogen Möglichkeiten, sich weiter mit der Materie zu beschäftigen. Gerne können Sie auch kommentieren, nachfragen oder Hinweise geben. Ich werde mich dann damit beschäftigen, Fragen klären oder weitere Tipps geben.

Herzlichen Dank fürs Lesen.

Literatur

Gregory Grund und Barbara Kettl-Römer: 99 Tipps – Praxis-Ratgeber Schule für die Sekundarstufe I: Social Media. Stuttgart 2013.

Muuß-Merholz, Jöran: “Schule in der Digitalen Gesellschaft: Warum wir neu lernen müssen… Und wie uns das dreifach herausfordert.” www.joeran.de 14. Februar 2015.

Rosa, Lisa: “Kulturzugangsgerät, kleine Abhandlung.” 21. Oktober 2014.

Wampfler, Philippe: Generation ‘Social Media’. Wie digitale Kommunikation Leben, Beziehungen und Lernen Jugendlicher verändert. Göttingen 2014.

Wampfler, Philippe: Facebook, Blogs und Wikis in der Schule. Ein Social-Media-Leitfaden. Göttingen 2013.

 

14 Kommentare

  1. Chapeau! Nach Herrn Krausens Einlassungen zur totalen Zwangsdigitalisierung ein überfälliger Artikel.

    Selbst mir als digitalem Großstädter hat dieser Beitrag noch mal die Wichtigkeit der ausgewogenen elterlichen Einmischung in die Smartphonie unserer Kinder bewusst gemacht.

    Den Artikel werd ich wärmstens empfehlen, insbesondere wegen Deines Plädoyers, die Potentiale zu sehen.

    Nochmal: Danke!

  2. Sehr schöner Artikel! Ich würde mir wünschen, dass viel mehr Eltern, aber auch mehr Lehrer sich mit diesem zentralen Thema ausführlicher auseinandersetzen und ihre Kinder nicht einfach ohne jede Begleitung und Orientierung durch die Stadt laufen lassen würden – das tun sie in der analogen Stadt ja auch nicht…

    Ich hätte noch einen Literaturtipp zu ergänzen: “Netzgemüse” von Johnny und Tanja Häusler. Das im übrigen von einer ähnlichen Stadt-Metapher ausgeht: “Das Internet ist Bielefeld.” 🙂

  3. Wirklich guter differenzierter Überblick. Gratulation!

    Eine Minianmerkung, bloß weils mir aufgefallen ist: In der ersten Zeile von Whatsapp brauchen die Erwachsenen ein großes E.

  4. lieber bob,

    ja, das stimmt alles irgendwie, was die anderen kommentatorInnen über deinen text schreiben: ein differenzierter einblick, ein schöner überblick – und doch bleibt ein schales gefühl zurück. aus zwei gründen:
    1) das ausmaß der risiken (z.B. die tatsache, dass whatsapp das komplette adressbuch aus dem smartphone, sorry: hochleistungscomputer, saugt) steht in keinem verhältnis zu den methoden, die du zur besserung vorschlägst. ich habe das gefühl beim lesen: das, was du den eltern rätst, ist soviel wie eine fahrradbremse am interkontinentalflugzeug anzubringen. hübsches detail – aber komplett wirkungslos.
    2) für einen lehrer finde ich erstaunlich unterkomplex, was du an gesprächsmodi mit den kids anbietest. im wesentliche empfiehlst du: nicht aufregen, nicht kontrollieren, cool bleiben. jajajaja, wer wollte dem widersprechen. “Sprechen Sie mit ihrem Kind!” ist total ok – allein es klappt halt nicht immer, viele eltern sagen: selten. ganz ganz ganz viele sagen: es klappt genau dann NIE, wenn es klappen muss/soll.
    ich hätte mir tatsächlich mehr erwartet an gesprächsskripten, -choreografien etc., also nicht, dass man ein gespräch mit dem kinde komplett auf karteikarten vorplanen könnte wie plasberg. aber: es gibt ein paar eröffnungen, weichen, vereinbarungen, ja – man wagt es sich kaum zu sagen – auch sanktionen, die absolut unverzichtbar sind. sonst kommt kein gespräch zustande. und, verzeihung, so höflich und verständnisvoll sich dieses hier anhört: “mit Neugierde verstehen zu lernen” oder “mit Fragen auf die Fährte lenken, welche Fallen es auch hier geben kann”, das ist pädagogisches wortgeklingel, das jeder filius, jede filia sofort als eltern-bullshit-talk durchschaut. ich kenne kinder, die machen sofort zu, wenn sie kreidefresser-bla hören, aber unmittelbar, du kannst froh sein, wenn sie überhaupt im gespräch bleiben und nicht gleich gehen. die kids nämlich haben überhaupt kein problem, eine sanktion auszuüben. wir eltern schon.

    eltern, die keinen dunst vom medium “hoho” hochleistungscomputer in der hosentasche” haben, die gewinnen bei deinem text. eltern, die bereits das gespräch über “hoho”s nutzungszeiten begonnen haben, sie werden müde lächeln – oder schreiend davon laufen.

    • Danke für diese Kritik @ciffi.

      Ich finde Bobs Artikel gelungen, aber Du hast dennoch gewichtige Kritikpunkte vorgebracht. Ich habe mich gefragt, warum mir diese Kritikpunkte beim ersten Lesen nicht aufgefallen sind:

      (1) Ich bin davon ausgegangen, dass der Artikel sich an Eltern richtet, die tatsächlich bisher keine oder kaum Ahnung haben, was das Smartphone leisten kann, wozu ihre Kinder es einsetzen und wie sie damit umgehen sollen. Meiner Erfahrung nach reagieren viele dieser Eltern mit »Schockstarre« oder leisem Ignorieren des Problems (»die anderen machen das ja auch alle so«) in der Hoffnung, dass alles gut gehen wird. Für diese Eltern ist der Ansatz, zumindest ein wenig über die häufigsten Apps zu wissen und aktiv das Gespräch zu suchen meines Erachtens ein erster richtiger Schritt.

      (2) Der zweite Punkt, der mir erst jetzt klar geworden ist: Ich habe ganz selbstverständlich angenommen, dass die Gerätenutzung innerhalb klar gesetzter und konsequent durchgezogener Regeln erfolgt. Nach Deiner Kritik habe ich aber erkannt, dass das natürlich in vielen Familien nicht der Fall ist. Insofern möchte ich diesen Punkt unterstreichen: Ich halte es für absolut zwingend, dass klare Beschränkungen und auch deutliche Sanktionen Teil des Umgangs mit dem Smartphone sind. Denn die Attraktivität der Welten, die man dort entdecken und in denen man sich verlieren kann, ist bei noch unreifen jungen Menschen (und diese Unreife kann bei Einzelnen bis lange ins formale Erwachsenenalter anhalten, auch wenn man dann nur noch wenig dagegen tun kann) meines Erachtens nicht allein mit gutem Willen oder freundlichen Absprachen beizukommen.

      Der Ansatz wäre aus meiner Sicht also: Als Eltern selbst das Medium erkunden, menschlich dran bleiben, sich beim/mit dem Kind informieren, aber alles in einem klar abgesteckten Rahmen von Regeln und Saktionen, der – je nach Alter – sehr eng ist und mit der Zeit in kleinen Schritten weiter wird. (Frau Kutschera im oben verlinkten Artikel scheint es so ähnlich zu machen, wenn ich das richtig sehen).

  5. […] Gerade Hurrelmanns Forderung nach Pflichtfortbildungen wird mit Sicherheit nicht auf breite Zustimmung stoßen. Wichtiger aber ist, welche Alternativen er anbietet: Zusammenarbeit zwischen den Lehrern und vor allem Zusammenarbeit mit den Schülern, die oftmals durch den täglichen Gebrauch um einiges weiter sind als ihre Eltern. […]

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein