Zugegeben: Dass man erst mit dem digitalen Lernen beginnt, wenn die Schule schon fast vorbei ist, ist eigentlich nicht Sinn der Sache. Zumal es suggeriert, es sei nicht so wichtig. Dennoch bin ich mir sicher, dass der eine oder andere Kollege Google anschmeißen wird, um den Schülerinnen und Schülern vor den Ferien noch etwas zu bieten (zumindest dort, wo noch keine Ferien sind, wie in Baden-Württemberg). An dieser Stelle einige Tipps und Anregungen, wie man vor den Ferien noch in das digitale Lernen einsteigen kann. Und das auch dann, wenn man wenig bis keine Ausstattung an den Schulen zur Verfügung hat.
Hier gibt es die dazugehörigen Arbeitsblätter.
Eine erste Idee hat wenig mit einem fertigen Tool zu tun, sondern nimmt die Abwesenheit von technischer Ausstattung gerade zum Anfangspunkt. Man kann die Unterrichtsstunde offen gestalten, indem man die Schülerinnen und Schüler zu Experten macht. Dabei können unterschiedliche Dinge durchgeführt werden, die gleichsam für die Schüler wie für die Lehrerinnen und Lehrer lehrreich sein können.
Schülerinnen und Schüler sind es gewöhnt zu Themen Präsentationen zu halten, die sich sich nicht oder nur in begrenztem Maße ausgesucht haben. In einem offenen Unterrichtssetting sind die Schüler gefragt zu Themen Keynotes zu halten, in denen sie schon vor einer vertiefenden Recherche Experten sind. Snapchat, Musik-Streaming, Netflix-Serien - also all jene Dinge, von denen man ohne Zweifel sagen kann, dass sie längst Teil unserer (digitalen) Kultur sind - freilich ohne dass das so vielen "Erwachsenen" aufgefallen wäre.
Das schöne an einem solchen Setting ist, dass das Publikum natürlich auch aus Experten besteht. In diesem Rahmen können Diskussionen und Kontroversen entstehen, die weit über das eigentliche Thema hinaus gehen. Aus diesem Grund verzichte ich auf weitere Themenvorschläge. Sofern man es als Lehrer*in aushält (und das sollte man üben), kann man es hier genießen, dass die Schüler selbst das Thema wählen, über das sie sprechen.
Ein weiterer Schritt ist es, dass die Schüler*innen zu Lehrpersonen werden und selbst Workshops halten. Der Unterschied wäre, dass es eben nicht "nur" eine Präsentation mit anschließender Diskussion gäbe, sondern dass die besprochenen Dinge selbst ausprobiert werden können.
An dieser Stelle kommt dann natürlich die Frage nach der technischen Ausstattung. Allerdings kann man davon ausgehen, dass die Schüler*innen vor allem Experten mit ihrem eigenen Handy sind, mit dem sie sich die Welt aneignen.
Workshops brauchen freilich mehr Zeit in der Vorbereitung. Wenn die ganze Schule an einem Strang zieht, kann daraus sogar mehr werden als eine oder mehrere Unterrichtsstunden.
Eine weitere Möglichkeit, die sich sowohl mit Handys als auch in einem "Computerraum" durchführen lässt, ist, die Schülerinnen und Schüler Videos heraussuchen zu lassen und deren Relevanz für das eigene und schulische Lernen zu besprechen.
Das klingt trivial, ist es aber insofern nicht, als dass Lehrer oftmals diejenigen sind, die die Videos auswählen und so die Selbstständigkeit des Lernens beschneiden. Ein offenes Setting würde bedeuten, dass Schüler frei über ihre Erfahrungen sprechen können und dennoch gemeinsam kritisch über die Inhalte in Bezug auf Lernen gesprochen werden kann.
Auch dem Begriff des Lernens sollte ein weiterer Rahmen gegeben werden, so dass er sich auf Tutorials beziehen kann, die nichts mit der Schule zu tun haben. Es geht um den eigenen, interessengeleiteten Aneignungsprozess, der sich nicht auf ein institutionell vorgegebenes Ziel richtet.
Die Ergebnisse könnten dennoch gesammelt werden, so dass individuelle Lernportfolios entstehen. Mit Telegra.ph kann man dies ganz ohne Blogs machen.
Noch offener kann man dieses Setting gestalten, wenn man die Schüler über Trends sprechen lässt. Dies kann in der Tat so offen geschehen, dass es von Rammstein bis Rezo gehen kann.
Auch hier ist es jedoch wichtig, keine Grenzen zu setzen, so dass die ausgewählten Themen zunächst einmal beobachtend besprochen werden können. Denkbar ist ein Szenario, in dem die Schüler etwas für sie relevantes erläutern und besprechen lassen. Ob dies in einer Art Dokumentation münden muss oder kann, kann danach besprochen werden.
Schülerinnen und Schülern ist die Problematik des langsam auslaufenden Schuljahres meist schmerzlich bewusst. Dies kann man ausnutzen, indem man die Gelegenheit nutzt, sie über Lernen und Schule nachdenken zu lassen. Möglich wäre beispielsweise eine Gruppenarbeit zu einer Schule der Zukunft.
Diese kann über ein Etherpad laufen, so dass die Schüler "ganz nebenbei" die Funktionen dieses sehr niedrigschwelligen Tools kennenlernen (und natürlich auch die Kollegen).
Schülerinnen und Schüler sind es gewöhnt, Fotos zu machen. Im Unterricht kann dies in ungewöhnliche Bahnen gelenkt werden, zum Beispiel indem die Schüler Fotos von den Orten an der Schule machen, die für sie besonders Interessent, wichtig oder anders relevant sind. Gesucht wird der individuelle Blick auf die Schule und ihre Umgebung.
Verbunden werden kann dies mit Menschen. Beispielsweise bieten Fotos die Möglichkeit, Standbilder um eine oder mehrere zusätzliche Perspektiven zu erweitern.
Die Bilder können zwar auf dem Handy gelassen werden; möglich ist aber auch, mit Padlet oder einem ähnlichen Tool die ersten Funktionen kooperativen Arbeitens kennenzulernen. Fotos können so kommentiert oder mit Sternen versehen werden.
Auch Audioaufnahmen können mittlerweile in einer sehr guten Qualität direkt mit dem Handy aufgenommen werden. Neben den "Standards" wie Interviews oder kleinen Dialogen im Sprachunterricht, kann auch hier die Schule als Ort wahrgenommen werden. Welche Geräusche finden sich wo? So kann, kurz vor dem Verlassen des Ortes in die Ferien, dieser nochmals auf ganz andere Weise wahrgenommen werden.
Die Audioaufnahmen können entweder als Audio-Galleriegang auf dem Tisch liegen gelassen werden oder eben auch auf einer Plattform hochgeladen werden. Das wäre eine gute Möglichkeit, Soundcloud kennenzulernen.
Eine weitere Möglichkeit, im Unterricht in einen digitalkulturellen Kontext vorzustoßen, ist es, dass die Schüler ihr eigenes Medienverhalten darstellen, diskutieren oder erklären. Zwar ist es auch möglich, dies im Computerraum mit einem Shitstormsimulator zu tun; Aber wenn schon die Zeit ist, dann bietet sich ein neutrales Szenario genau so an.
Möglich wäre beispielsweise, sämtliche Funktionen der Apps, die man täglich nutzt, mal ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Neues zu entdecken. Zu hinterfragen, warum die Funktionen so sind, wie sie sind.
Weitere Möglichkeiten gibt es natürlich allein dadurch, dass Schülerinnen und Schüler ihr Netzwerk einmal innerhalb des Unterrichts nutzen können (sofern sie es denn wollen). So kann man Twitter nutzen, um Diskussionen zu starten und diese wieder in die Klasse zurückzuführen.
Instagram kann genutzt werden, um Themen, die man im Schuljahr gemacht hat, aus einer anderen Perspektive zu sehen (Welche Hashtags, welche Leute?). Snapchat kann genutzt werden, um... Hier muss ich stoppen. Snapchat verstehe ich nämlich immer noch nicht.
Natürlich kann man auch Medien thematisieren, ohne sie direkt zu nutzen (weil ein Kollege mal wieder den Computerraum okkupiert). Der Podcast von Sascha Lobo kann gemeinsam gehört und besprochen werden. Texte von Netzpolitik können gelesen und besprochen werden.
Oder man nutzt die Zeit dafür, dass die Schülerinnen und Schüler einen eigenen Blog starten. Ohne Vorgaben. Einfach, um über das zu schreiben, was sie gerne möchten und was ihnen wichtig ist.
Dies sind nur ein paar Vorschläge, wie man die Zeit vor den Ferien so nutzen kann, dass die Stunden nicht nur motivieren, sondern vielleicht eine Grundlage bieten, im nächsten Schuljahr so richtig durchzustarten. Insofern ist es dann auch in Ordnung, erst dann mit und über digitale Medien zu lernen, wenn man meint, dass alles andere fertig sei. Besser so als gar nicht.
Gerade bei diesem Blogartikel würde ich mir wünschen, dass weitere Ideen als Kommentare geäußert werden. Auf Twitter ist das zwar auch gut, aber da bekommen es nicht so viele Menschen mit.
Ich freue mich sehr über eure Vorschläge.