UNTERRICHT: KI und Kooperation in Leistungsüberprüfungen

Bob Blume
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14. August 2024
18 Kommentare
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Aus der intensiven Beschäftigung mit Fragen von Lernen, Leistung und Leistungsüberprüfung meine ich eine Lösung für drei Probleme erdacht zu haben, die mich seit einiger Zeit beschäftigen. Die Frage danach, inwiefern Leistungsüberprüfungen an die digitale Wirklichkeit angepasst werden können. Die Frage, inwiefern kooperatives Handeln auch in solchen Prüfungen möglich ist und die Frage danach, ob dies auf eine Weise möglich ist, die dennoch eine individuelle Rückmeldung auf den Leistungsstand erlaubt. Ein Gedankenexperiment mit Umsetzungspotenzial.

Update

Die hier vorliegenden Überlegungen sind nicht länger eine Fiktion. In den kommenden Wochen werde ich, in Absprache mit der Schulleitung, eine Klassenarbeit schreiben, die genau auf diesen Überlegungen beruht. Ich werde berichten.

Update vom 28.11.2024

Die Klassenarbeit ist geschrieben und ist zu einem Gutteil korrigiert. Entsprechend werde ich am Ende dieses Artikels einige Erfahrungen teilen. Ausgeführt wurde die Arbeit aber auf den hier vorzufindenden Beschreibungen und entsprechend der hier beschriebenen Durchführung. Sowohl die Klassenarbeit als auch der Bewertungsbogen finden sich am Ende dieses Beitrags. Anders als vom SPIEGEL berichtet, gab es schon vor zwei Jahren einen Lehrer, Hendrik Haverkamp, der KI in der Klassenarbeit eingesetzt hat. In NRW ließ er Schülerinnen und Schüler in der Klassenarbeit direkt mit der KI arbeiten. Dies ist hier nicht der Fall. Die KI wurde ausschließlich von der Lehrkraft verwendet.

Vorrede

Dieser Beitrag mag ein paar Gedankengänge erfordern, aber ich denke, dass er dennoch Mehrwert für alle bietet, die unzufrieden sind mit der Diskrepanz von tradierten Klausuren und Prüfungsformaten und deren Aussagekraft für ein tiefergehendes Verständnis. Dies sei deshalb angemerkt, weil ich schon, während ich diese Zeilen schreibe, davon ausgehe, dass man einige Argumente, die zunächst wenig verbunden scheinen, mitdenken sollte, um den Lösungsansatz zu verstehen.

KI und Klassenarbeiten von offizieller Seite

Die hier ausgeführten Gedanken lassen sich auch auf offizielle Dokumente beziehen, die zwar die Art und Weise des Vorgehens (noch) nicht ausführen, aber als Empfehlung aussprechen. So erklärt die Kultusministerkonferenz in ihrer "Handlungsempfehlung für die Bildungsverwaltung zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz in schulischen Bildungsprozessen" vom 10.10.2024 unter dem Punkt "Veränderung der Prüfungskultur durch KI":

"Mit dem Einzug von KI-Anwendungen in schulische Bildungsprozesse wird die Forderung nach einer zeitgemäßen Aufgaben- und Prüfungskultur bestätigt und um Leistungsüberprüfungsformate erweitert, die die Kompetenzen zur Durchdringung und Gestaltung einer digitalisierten Alltags- und Berufswelt fokussieren. Neben dem Einbezug der sogenannten Zukunftskompetenzen (4K - Kommunikation, Kollaboration, Kreativität, Kritisches Denken) müssen veränderte Prüfungsformate zusätzlich KI-bezogene Kompetenzen im Sinne einer gelingenden Koaktivität von Mensch und KI berücksichtigen." (S.6)

In ihrem Impulspapier "Large Language Models und ihre Potenziale im Bildungssystem" schreibt die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz unter dem Kapitel "Auswirkungen auf die Prüfungskultur":

"In Bildungskontexten könnten prozessorientiertere Prüfungsformate an Bedeutung gewinnen (...). Handlungsleitend für die  Erstellung von Prüfungsformaten sollen fachdidaktische Erwägungen bleiben, unabhängig vom Einsatz der Hilfsmittel. Zudem kann (z. B. analog zur Nutzung des Taschenrechners im Fach Mathematik) in Prüfungen unterschieden werden zwischen hilfsmittelfreien Prüfungsteilen, in denen auf LLM nicht zurückgegriffen werden darf und Teilen, in denen sie genutzt werden können. Der produktive und sichere Umgang mit KI bringt gleichzeitig neue Lernziele mit sich." (S.16)

Die Probleme

Die drei Probleme sind schon in der Einleitung vermerkt. Aber auch sie bedürfen einer kurzen Kontextuierung. Denn sind sind voraussetzungsreich. Sie werden erst dann als Probleme erkannt, wenn die Zielsetzung der einzelnen Lehrkraft auch ist, Prüfungen überhaupt als wenig aussagekräftig zu betrachten. Mit anderen Worten: Wer meint, dass eine Klausur alle 6 Wochen (je nach Fach) valide ist, sich bewährt hat und keiner Änderung bedarf, der hat auch kein Problem.

Zumindest keines, das bewusst wäre. Denn schon längst wissen Schülerinnen und Schüler, wer jedes Jahr dieselbe Arbeit schreibt. Und sie reichen diese weiter. Wieso auch nicht? Eine solche (natürlich vonseiten der Institution ungewünschte) Form der Kooperation nutzt die Schwachstelle eines Systems, die in diesem Fall von der Lehrkraft verkörpert wird. Es gibt auch andere Schwachstellen, gravierende. Wenn es in der Schule weniger um den Prozess des Lernens als um dessen Produkt geht, kann man den Schüler*innen nicht verdenken, wenn sie dies in ihrem Sinne nutzen. Das stimmt einmal mehr, als dass diese Produkte ja oftmals beziffert werden, als dass sie die Grundlage für das weitere Lernen sind. Konkret: Wieso sollte ChatGPT auch nicht meinen Essay schreiben, wenn es zu dem Zeitpunkt, an dem ich es noch nicht geübt habe, einen sehr viel überzeugenderen schreiben kann als ich? Wer würde nicht diese Effizienz eintauschen gegen eine oder mehrere Ziffern, die letztlich ein Zeugnis ausmachen? Damit entfremdet man sich aber von dem, was man, dann, nicht lernt.

Das alles bedeutet: Nur wenn aus der Haltung der Offenheit für eine sich ändernde Welt die Überzeugung erwächst, dass sich auch formale Strukturen der Leistungsüberprüfung ändern müssen, hat man überhaupt die Probleme, die ich hier „lösen“ möchte.

Die Lösung schreibe ich deshalb in Anführungszeichen, weil sie noch nicht erprobt ist. Das werde ich (in dem Fall in Rücksprache mit Abteilungsleitung und/ oder Schulleitung) aber tun. Damit ist der Ansatz aber zunächst ein Hirngespinst und als solches der Beitrag ein lautes Denken.

Die Herleitung

Gerade bei Fragen der Leistungsüberprüfung gibt es einige Ansätze, dies aus meiner Sicht wenig durchdacht sind. So beispielsweise eine Durchführung mithilfe von Erwachsenen - die dann aber angegeben werden müssen. Unabhängig davon, dass man in der Tat in der Welt außerhalb der Schule nachfragen kann, wenn man denn in der Lage ist, kennen nicht alle Kinder Erwachsene mit demselben Vorwissen. In dem Fall können also alle jemanden nennen, aber ob dieser Jemand Akademiker ist oder nicht, das bestimmt wieder der familiäre Kontext.

Der zweite Punkt ist jener, der diesen Fall als für die Überprüfung unsinnig werden lässt. Denn selbst wenn man der Überzeugung ist, dass Leistung als Prozess gedacht werden muss (was ich auch tue), ist Leistungsorientierung per se gar nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Wilhelm von Humboldt pries die Leistungsorientierung - zu Recht - als Möglichkeit an, Standesunterschiede zu überwinden. Freilich, eine andere Zeit. Aber der Punkt ist: Das bedeutet nicht, dass Chancengleichheit herrscht, da ja der soziale Kontext Leistung überhaupt erst katalysieren kann. Aber es bedeutet eben auch, dass die individuelle Leistung (sofern sie unter annähernd gleichen Bedingungen zustande kommt), einen Wert für denjenigen hat, der sie erbringt. Dass dies nicht zwangsläufig eine Benotung bedeuten muss, sei hier am Rande erwähnt.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, nicht nur von der Prüfungssituation her zu denken, sondern von der Vorbereitung auf dieselbe. Und genau hier begann der Gedankengang: Ich überlegte mir, wie ich den funktionalen Einsatz von ChatGPT für das Lernen (und nicht gegen dasselbe) im Unterricht thematisieren könnte.

Die Vorbereitung Auch hier gehe ich noch davon aus, dass ich bessere Argumente haben werde. Und dies deshalb, weil ich nicht denke, dass die Schüler*innen einfach so die richtigen Strategien anwenden werden. Auch hier mag ich mich eines besseren belehren lassen, das wäre sogar wünschenswert, aber jedenfalls werden es nicht alle Gruppen schaffen.

Alleine diese Tatsache, so meine Vermutung, führt zu der interessierten oder genervten Nachfrage, wie sie es denn nun schaffen werden, mich zu überzeugen.

Das ist deren Problem! Und meine Lösung ist, dass wir den konstruktiven Gebrauch gemeinsam einüben. Dabei werden Prompts genauso eine Rolle spielen wie der Hinweis darauf, wie diese zu besseren Argumenten, und vor allem, zu validen Belegen führen.

Das allein stellt also einen Prozess in den Mittelpunkt, der ich einfach von einer intuitiven Nutzung ausgeht, sondern KI im Sinne einer Vertiefung des eigenen Lernens nutzbar macht.

Die Problemlösung bei der Klausur

Diese Gedanken sind es, die mich, mal wieder, zu den drei Problemen geführt haben, die ich hier nochmals wiederhole.

  1. Die Frage danach, inwiefern Leistungsüberprüfungen an die digitale Wirklichkeit angepasst werden können.
  2. Die Frage, inwiefern kooperatives Handeln auch in solchen Prüfungen möglich sind.
  3. Die Frage danach, ob dies auf eine Weise möglich ist, die dennoch eine individuelle Rückmeldung auf den Leistungsstand erlaubt.

Wenn wir davon ausgehen, dass Schülerinnen und Schüler nach weiteren Wiederholungs- und Vertiefungsschlaufen, in der Lage sind, ChatGPT zu nutzen (und zu überprüfen, ob die dort präsentierten Ergebnisse valide sind), dann lässt sich aus meiner Sicht eine Prüfungsleistung erbringen, die in der Klasse durchgeführt werden kann, also eine Art Abschlussprüfung (oder Klausur) darstellt, die aber gleichzeitig kooperative Elemente beinhaltet als auch eine individuelle Leistung erbringen lässt. Nebenbei ist sogar die Prüfung selbst eine weitere Übung.

Eine solche Prüfungsleistung besteht in meinem ersten Ansatz aus vier voneinander abgegrenzten Teilen:

  1. Der genauen Betrachtung der Aufgabe (oder eines dazu angehängten Textes, um den es gehen soll).
  2. Der individuellen Überlegung, welcher Prompt eingesetzt werden könnte, um die Frage am besten zu beantworten.
  3. Der Diskussion über die Prompts.
  4. Der Eingabe und die Einbeziehung.
  5. Und der anschließenden Erstellung eines individuellen Textes, der die Ergebnisse einbeziehen kann (aber nicht muss).

Mit anderen Worten: Wenn die Schülerinnen und Schüler die Klausuraufgabe bekommen haben (nehmen wir an einen Meinungstext zu einem Thema), dann können sie einen Befehl erstellen, der ihnen, aus ihrer Sicht, bei der Beantwortung hilft. Und nun kommt es: Dann haben die Schülerinnen im Plenum (oder in Gruppen, das muss ich noch durchdenken) Zeit, sich auf EINEN Prompt zu einigen. Die Argumente für den einen und gegen den anderen ist das, was einen zusätzlichen Lerneffekt IN der Klausur beinhaltet. Denn es muss hier ja schon über mögliche Ausgänge nachgedacht und diskutiert werden.

Wenn eine Einigung stattfindet (wie und wann genau muss ich auch noch überdenken), haben alle die Möglichkeit, das Ergebnis einzubeziehen.

Aus meiner Sicht führt das zu drei elementaren Konsequenzen:

  1. Alle sind auf das kommende Thema vorbereitet, der „Zufall“, ob das Thema einem liegt, spielt eine viel kleinere Rolle.
  2. Die Einbeziehung der KI ermöglicht eine Prüfungsleistung, die sehr viel näher an einer Problemlösung außerhalb der Schule ist, in der man, wenn man dazu in der Lage ist, ja auch KI nutzen oder Websites aufrufen würde.
  3. Die tatsächliche Überprüfung durch die Lehrkraft muss sehr viel mehr auf diese Angleichung eingehen, so dass es nicht „einfacher“ wird in dem Sinne, das keine Überprüfung mehr möglich ist (alle haben den Zaubertrank getrunken), sondern sehr viel mehr auf das geachtet wird, das wiederum auch außerhalb der Schule Betrachtung findet: Nämlich die Art und Weise, wie eine Erkenntnis, ein Beleg oder ein Fund in die eigene Argumentation eingebaut wird.

Letzterer Punkt macht es auch nötig, genau diese Art und Weise zu üben, sonst würde man von der einen unfairen Praxis auf die andere Schwenken (und es geht ja bei Überprüfungen auch darum, valide zu prüfen).

Offene Fragen

Führt eine solche Praxis nicht dazu, dass einfach alle sehr gut sind? Nun, wenn Punkt drei berücksichtigt wird, nicht. Vor allem aber wäre hier die Frage, ob ein solches Kompetenzerlebnis denn unbedingt schlecht sein muss. Denn das Argument, dass alle die gleichen Chancen haben, wenn man nur genügend jener Mittel ausschließt, die ansonsten überall aufgerufen werden können, ist längst hinfällig: Ob jemand auf dem falschen Fuß erwischt wird, das falsche Thema hat, eine Jugendliche ihre Tage hat oder sonstige Unwägbarkeiten Einfluss haben, weiß man bei tradierten Formaten auch nicht.

Vielmehr wird mit Prüfungen insbesondere die Fähigkeit bewertet, einem standardisierten Format zu genügen. Löst sich das mit diesem Ansatz komplett auf? Nein. Aber in gewisser Weise ist dies im Sinne der Leistungsmessung auch durchaus gut. Denn wenn der Unterricht erlaubt, dass alle lernen und üben (und die wichtigsten Phasen nicht in die Hausaufgaben verlegt werden, die es dann wieder unfair machen) haben jene, die konzentriert arbeiten und danach streben, sich zu verbessern natürlich einen Vorteil. Oder anders gesagt: Den Schülerinnen und Schülern muss klar sein, dass der Unterricht selbst jene Übungszeit ist, die ihnen später ermöglicht, bei der Prüfung ihr Können zu zeigen. Das muss durch die Lehrkraft deutlich gemacht werden, ist dann aber keine Floskel mehr, weil man ja tatsächlich einen nutzen von der Übung hat.

Erfahrungen nach der Durchführung

Planung

Die hier beschriebenen Überlegungen habe ich der Schulleitung mitgeteilt, die nach einer Bedenkzeit das Go gab. Danach habe ich allen Eltern - ungefragt - eine Mitteilung geschrieben, in der sowohl die Kurzfassung meiner Überlegungen als auch dieser Beitrag angehängt war. Es gab, und dies sei als Information, nicht als Wertung zu verstehen, keine Rückmeldung.

Die Arbeitszeit wurde um eine Stunde verlängert, allerdings habe ich den Schülerinnen und Schülern nicht die gesamte Stunde mehr gegeben, sondern vielmehr "nur" die Zeit, die das Aufschreiben des Prompts und die Diskussion über den Prompt gebraucht hat. Insgesamt hatten sie also anstatt eineinhalb Stunden etwas mehr als 2 Stunden Zeit.

Der Text, den die Schülerinnen und Schüler erörtern haben, ist dieser hier. Der Grund dafür, dass ich meine eigene Kolumne genommen habe, liegt weniger daran, dass ich meine eigenen Texte toll finde, als in der Tatsache, dass sie bei t-online für eine Leserschaft geschrieben sind, die normalerweise nicht in der tiefe der Debatte ist. Das bietet sich für eine 10. Klasse an. Auch sind die Themen meiner Kolumnen meist anschlussfähig und für die Jugendlichen nachvollziehbar. Hier kommt man zu allen Kolumnen - die allesamt frei verfügbar sind.

Learnings

  • Die Klassenarbeit begann wie jede andere auch: Mit der Vorbereitung des Textes. Dafür habe ich den Schülerinnen und Schülern 20 Minuten gegeben, was einer normalen Vorbereitungszeit bei einer Klassenarbeit entspricht, die 20 Minuten dauert.
  • Zu den Prompts, die die Schülerinnen und Schüler erstellt haben, schreibe ich auf jede Arbeit einen Hinweis, inwiefern dieser eine Hilfe für alle gewesen wäre. Auch wenn die Prompts unterschiedlich gut (oder valide sind), sind diese durch die Übung zu großen Teilen sinnvoll. Wo dies nicht der Fall ist, verweise ich auf das WWW-Prinzip, welches eine leicht zu merkende Hilfe für gute Prompts ergibt.
  • Die Diskussion begann mit der Frage, wer denkt, dass er oder sie einen guten Prompt für alle hat. Drei Prompts wurden vorgelesen. Die Auswahl ging zügig vonstatten.
  • Die Ergebnisse wurden den Schülerinnen und Schülern per board.net zugespielt.
  • Vor dem Hintergrund der Persönlichkeitsrechte der Schülerinnen und Schüler möchte ich nicht zu genau auf die Ergebnisse eingehen, sondern an dieser Stelle nur vage formulieren, was die Korrekturen erbracht haben:
    • Auch nach der Nutzung der KI und der Einbindung ihrer Ergebnisse sind unterschiedliche Ergebnisse möglich.
    • Der Leistungsnachweis richtet sich deutlich mehr auf das Wie der Einbindung, also auf die methodische Umsetzung als auf die Frage, wie viel Weltwissen jemand sowieso schon mitbringt.
    • Die Einbindung der Sekundärinformationen hat in vielen Fällen gut geklappt.

Insgesamt zeigte die Arbeit mit KI, dass es auch unter Zuhilfenahme von KI (und dies ist auch für die Möglichkeit, innerhalb der Arbeit im Netz zu recherchieren) eine Leistungsüberprüfung möglich ist. Mehr noch: Aus meiner ersten Erfahrung ergibt sich, dass diese deutlich näher an eine validen, reliablen und objektiven Überprüfung heranreicht, als dies tradierte Leistungsmessungen tun.

Natürlich ist dabei wichtig, wie das Thema und die entsprechenden Methoden eingeübt worden sind. Denn einfach nur ein Werkzeug reinzuschießen, bringt den Schülerinnen und Schülern wenig. Wer mehr über die Art und Weise der Vorbereitung erfahren will, kann diese Folge "Netzlehrer" hören.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass auf dem hier beschriebenen Weg die schon im Artikel beschriebene Diskrepanz zwischen "realer Welt" und ihren Möglichkeiten und er Leistungsmessung erheblich verringert werden kann.

Fazit

In den Ausführungen gibt es noch einige Leerstellen. Die größte darunter, dass hier von einer Praxis gesprochen wird, die sowohl in der Vorbereitung als auch in der Durchführung so noch nicht erprobt worden ist. Insofern werde ich darüber berichten, sofern ich diese Form der Überprüfung ausprobieren kann.

Ich bin aber optimistisch. Auch deshalb, weil die Einbeziehung von KI mehr bedeutet als eine Angleichung der Voraussetzungen und der realen Welt. Längst ist bewiesen, dass die Motivation für Leistungserbringung vor allem damit zusammenhängt, ob man sich in der Lage sieht (durch Anstrengung und Übung) zu zeigen, wie man sich weiterentwickelt hat. Dies ist durch diese Idee, aus meiner Sicht, gegeben.

Ich freue mich über die Gedanken all derer, die bis hierhin gelesen haben und werde über die Durchführung berichten.

Die Klassenarbeit

Interessierte können sich hier die Klassenarbeit anschauen. Angefügt ist auch die Checkliste, die als Rückmeldung gewählt werden konnte. Aus nachvollziehbaren Gründen können die individuellen Rückmeldungen und die Audiotückmeldungen hier nicht eingefügt werden.

Klassenarbeit-Texterörterung

Bewertungsbogen-Eroerterung

18 comments on “UNTERRICHT: KI und Kooperation in Leistungsüberprüfungen”

  1. Fantastische Überlegungen. Ich bin kein Pädagoge sondern in der Wirtschaft tätig. Genau das wird die Zukunft sein. Das müssen unsere Kinder begleitet lernen. Ich lese gerade das Buch „Alles überall auf einmal“ von Meckel und Steinacker. Das was du ansprichst ist die Grundlage- wir müssen in Kooperation kommen mit KI. Verstehen wie es sinnvoll genutzt werden kann. Nicht blind darauf verlassen. Somit bin ich gespannt was du als Nächstes berichtest.

    1. Freut mich. Wenn du zu Thema mehr lesen möchtest: In meinem im September erscheinenden Buch “Warum noch lernen?” zeige ich, wie diese Einbindung auf allen Ebenen geht und was das für das Bildungssystem heißt.

  2. Wichtige Überlegungen und ein tolles, innovatives Konzept von Prüfungen! Habe ich das richtig verstanden, dass die Schüler*innen einen gemeinsamen Prompt erarbeiten und der dann eingegeben wird? D.h., die Nutzung der KI wäre in der Prüfungssituation limitiert?

  3. Die Notwendigkeit, sich im Plenum oder in kleineren Gruppen auf EINEN gemeinsamen Prompt zu einigen, ist eine tolle Idee, um eine kolloborative Leistung mit einer individuellen Bewertung zu kombinieren. In unserer früher praktizierten "Gruppenphase bei Zulassungsklausuren in den Grundlagen der Elektrotechnik" war genau das auch die Idee: "Jede Gruppe bekam dann einen Aufgabenzettel, auf dem die Lösungen direkt eingetragen werden konnten. Da jede Gruppe nur einen Zettel bekam, auf dem auch die Namen der maximal vier Gruppenmitglieder vermerkt wurden, mussten sich alle Studiereden auf eine gemeinsame Lösung einigen. Sind sich die Gruppenmitglieder einig, wird keine richtige Diskussion zustande kommen, egal ob die vermutete Lösung richtig oder falsch ist. Sind sich die Gruppenmitglieder jedoch uneinig, werden sie sehr intensiv über die Sinnhaftigkeit ihrer jeweiligen Standpunkte diskutieren, weil es ja potentiell um mögliche Zusatzpunkte für die Leistungskontrolle geht. Damit nutzt man den bisher auch schon vorhandenen Effekt, dass Studierende nach einer Leistungskontrolle oder Prüfung sowieso noch eine halbe Stunde vor dem Hörsaal stehen und gegenseitig ihre Lösungswege diskutieren, sinnvoll aus."
    https://mathiasmagdowski.wordpress.com/2018/06/28/gruppenphase-bei-zulassungsklausuren/

  4. Ich bin gerade sehr frustriert davon, immer wieder die gleichen Prüfungsformate reproduzieren zu müssen und die Fähigkeit, Lösungsstrategien (gemeinsam) zu entwickeln und Ergebnisse individuell zu überarbeiten und zu verbessern, gar nicht abbilden zu können. Die Noten, die ich gerade in einer Klasse 8 im Deutsch vergeben musste, sind nicht angemessen für das, was die SuS in verschiedenen Unterrichtssettings bereits zeigen konnten. Bin also total gespannt auf deine Erfahrungen!

  5. In der Grundschule schreibe ich Klausuren folgendermaßen und das gleicht sich sehr mit deinen Überlegungen. Ich differenziere indem ich Prompts auch vorgebe, aus denen sie wählen dürfen, wenn sie sich noch nicht in der Lage fühlen, selbst Prompts zu schreiben:

    Ablauf der Klausur

    1.Einführung in das Thema und erste Überlegungen:
    Zunächst starteten wir mit einer kurzen Einführung in das Thema „Umwelt schützen,“ um das Interesse der Kinder zu wecken und sicherzustellen, dass alle ein grundlegendes Verständnis hatten. Die Schüler*innen hatten daraufhin Zeit, eigene Ideen zu sammeln und zu überlegen, wie sie die Frage durch gezielte Fragestellungen (Prompts) an die KI präzisieren könnten.

    2.Prompt-Entwicklung in Kleingruppen:
    Anschließend teilte ich die Klasse in kleine Gruppen auf. Jede Gruppe erhielt die Aufgabe, gemeinsam einen passenden Prompt zu entwickeln, der der KI klare Anweisungen gab, wie sie die Frage beantworten sollte. Die Kinder diskutierten in ihren Gruppen, welche Begriffe und Formulierungen für die Frage am geeignetsten wären, und mussten sich schließlich auf einen gemeinsamen Prompt einigen. Dieser Schritt war besonders wertvoll, da die Schüler*innen lernen mussten, ihre eigenen Überlegungen mit denen der anderen abzugleichen.

    3.Einbeziehung der KI und Bewertung der Antworten:
    Nachdem sich die Gruppen auf ihre Prompts geeinigt hatten, gaben wir diese gemeinsam in die KI ein und erhielten die Antworten. Jede Gruppe reflektierte die erhaltenen Ergebnisse: Waren die Antworten der KI verständlich? Wurden die wichtigsten Aspekte genannt? Die Schüler*innen diskutierten, welche Teile der KI-Antwort sie hilfreich fanden und wie diese in ihren eigenen Texten eingebaut werden könnten.

    4.Erstellung individueller Texte:
    Im Anschluss schrieb jedes Kind einen individuellen Text. Dabei hatten sie die Möglichkeit, die Informationen der KI mit ihren eigenen Überlegungen zu kombinieren oder nur teilweise einzubeziehen. Dies bot ihnen die Gelegenheit, sich kritisch mit den Ergebnissen auseinanderzusetzen und ihre eigenen Gedanken klar zu formulieren.

    5.Abschlussreflexion und Rückmeldung:
    Zum Abschluss fasste jedes Kind in einem Satz zusammen, wie es die KI-Antwort in seinen Text eingebaut hatte oder warum es bestimmte Teile weggelassen hatte. Diese Reflexion war ein wesentlicher Bestandteil der Klausur, da sie den Fokus auf den Lernprozess und die selbstständige Auseinandersetzung mit digitalen Hilfsmitteln legte.

    1. Und das funktioniert bereits in der Grundschule? Mein Sohn ist in der 4. Klasse ... aber Arbeit mit KI war noch kein Thema und die konkreten Überlegungen zur Erstellung eines Prompts zu entwickeln, stelle ich mir tatsächlich schwierig vor.

  6. Das klingt richtig gut!
    Gibt es Literatur oder hilfreiche Seiten zum Thema kooperative Prüfungsformen auch in unteren Klassen (Orientierungsstufe z.B.), die du empfehlen kannst? Mit KI bin ich noch nicht so firm, gebe ich zu, und in der 5. Klasse ist das auch noch nicht zentrales Thema, aber ich hadere schon so lange mit dem üblichen Klassenarbeitsformat, das aufzubrechen traue ich mich aber bisher mangels Erfahrung noch nicht...

    Liebe Grüße
    Maike

  7. Ich habe die Kommentare nicht gelesen, aber den Artikel selbst mit großem Interesse. Seit es ChatGPT gibt, lerne ich als Nichtmuttersprachlerin unheimlich viel vom Chatbot. Da ich als Lehrerin tätig bin, probiere ich zudem immer wieder aus, KI in den Unterricht zu integrieren.

    Ihr Beitrag enthält viele Ideen, die es wert sind, erprobt zu werden. Diese Ideen spiegeln teilweise meine eigenen, nach meiner Einschätzung lern- und ergebnisreichen, Erfahrungen mit ChatGPT wider. Ich möchte diese für Sie beschreiben: Ich produziere zunächst einen fehlerhaften, aber eigenständigen Text in kurzer Zeit (zum Beispiel eine E-Mail). Dann erstelle ich einen Prompt und merke oft, dass mein erster Versuch noch kein zufriedenstellendes Ergebnis liefert. Daraufhin passe ich den Prompt immer wieder an, bis das Ergebnis stimmt. Dies ist, wie Sie sicher schon bemerkt haben, nicht immer einfach. Ich mache mir dann Notizen, um meine Prompts für zukünftige Anwendungen zu optimieren. Auf diese Weise wird mein Prompting zunehmend effektiver. Für mich ist dies ein kompetenter Umgang mit KI.

    Nun zu Ihren Überlegungen: Vorausgesetzt, die Lernenden haben das Prompting im Unterricht bereits ausprobiert, sollten Sie einen „schwachen“ Prompt gemeinsam analysieren, die Schwachstellen beschreiben, den Prompt verbessern (AF3). Im Anschluss lassen Sie die Lernenden beide Varianten ausprobieren und miteinander vergleichen.

  8. Eine Frage: Was bedeutet die Aufgabe "Schreibe eine Erörterung zu dem Text"? Gibt es für die Schüler keine Fragestellung? Soll einfach festgestellt werden, ob es ein guter oder schlechter Text ist?

  9. Hallo Bob,
    spannende Idee, die du da ausprobierst. Mich würde interessieren in welche Art der Hilfe die Schüler von der KI in ihren Prompts formuliert haben.
    Ging es ihnen um methodische Hilfestellung wie man eine Erörterung schreibt?
    Haben Sie die KI gebeten den Klausurtext zusammenzufassen?
    oder wollten Sie Argumente oder sprachliche Mittel aus dem Text von der KI untersuchen lassen?
    Könntest du vielleicht den oder einen ähnlichen Prompt den die Schüler entwickelt haben hier zeigen? (oder hast du das bereits, und ich habe es nur überlesen?)

    Außerdem: die Schüler bekommen die Antwort der KI auf einer Etherpad Alternative, also digitale auf ihrem Tablet? Schreiben sie die Klausur auch digital?

    1. Hallo, nein, die Schüler schreiben den Text auf ein Blatt. Ich dachte eigentlich, dass die Antworten auf deine Frage im Text stehen: Es geht nicht darum, dass die Schüler den Text in irgendeiner Weise mit der KI untersuchen lassen können. Sondern darum, dass sie auf der Grundlage ihres Textverständnisses und in Bezug auf ihre EIGENEN Argumente IN BEZUG auf den Text Belege an die Hand bekommen haben. Für weitere Informationen schaue dir gerne den folgenden Text an: https://bobblume.de/2024/11/30/unterricht-prompts-und-die-gefahr-der-confirmation-bias/

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