Im Deutschabitur 2023 wird der Roman Corpus Delicti neben Büchners Woyzeck eines der (wenn ausgewählt) allein stehenden Werke für die literarische Erörterung sein.

An dieser Stelle geht es darum geht es ausschließlich um die Handlung. Thematische Schwerpunkte, Aspekte und weiterführende Überlegungen finden sich in einem weiteren Artikel. Große Teile dieser Ausführungen sind erarbeitet von StD Michael Tinkl, für dessen Genehmigung für die Veröffentlichung ich mich bedanke. 

Video

Zum Inhalt des Romans/ der Novelle gibt es auch ein Video, in dem einige Kommentare bzw. Anmerkungen gemacht werden.

Aufbau der Novelle

Nicht chronologisch, Vorwegnahme des Endes: Urteil am Anfang

Spannung auf dem Wie, nicht auf dem Was; Rückblenden

Chronologie

Moritz Holl erkrankt mit sechs Jahren an Leukämie. Er bekommt eine neue DNA. Er trifft sich mit Mia in der „Kathedrale“, einem Stück verbotener Natur, um die Freiheit zu genießen. Zu Rauchen gehört für Moritz dazu. Moritz wird wegen Vergewaltigung und Mord verhaftet. Beweis: seine DNA im Sperma. Mia besorgt ihm eine Schnur, mit der er sich im Gefängnis erhängt. Mia wird mit dem Tod ihres Bruders nicht fertig, sie vernachlässigt ihre Gesundheitspflichten. Deswegen muss sie vor Gericht. Dabei deckt ihr Anwalt auf, dass Moritz vor vielen Jahren eine neue DNA bekommen hat. Der Ruf der bis dahin als „unfehlbar“ geltenden METHODE wird dadurch in Frage gestellt. Mia geht in die Öffentlichkeit und wird wegen Suizidgefahr verhaftet. Man foltert sie. Sie reißt sich den Gesundheitschip aus dem Arm. Im Prozess wird ihr unterstellt, die RAK angeführt zu haben. Sie wird zum Einfrieren auf unbestimmte Zeit verurteilt. Als das Urteil vollzogen werden soll, wird sie zur „Umerziehung“ begnadigt.

Inhalt

Zeit: Mai – August 2053 (85), Ort: Stadt in Deutschland (ehem. Ruhrgebiet?) (11)

1 Das Vorwort (7): Auszug aus Kramers Standardwerk, Gesundheit als „störungsfreie[r]“ Lebensfluss“.

2 Das Urteil (9): gegen Mia, Einfrieren auf unbestimmte Zeit wegen methodenfeindlicher Umtriebe.

I Mia wird auffällig und zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt

3 Mitten am Tag, in der Mitte des Jahrhunderts (11:) auktorialer Erzähler, gesunde Natur, Güteverhandlung Richterin Sophie, Staatsanwalt Bell, Anwalt Rosentreter. Journalist Kramer kommt plötzlich dazu. Mia hat Meldepflichten vernachlässigt, soll zu Klärungsgespräch kommen.

4 Pfeffer (20): Kramer erkundigt sich in Mias Wohnanlage (ein Wächterhaus: Prophylaxe in Eigenregie) bei drei Damen, die mit ihr im Wächterhaus wohnen, nach ihr.

5 Die ideale Geliebte (25): Mias erster Auftritt, sie schreibt ihre Erinnerung an Moritz auf („Liebe“ = Natur, Freiheit, Unruhe stiften, anders sein) und unterhält sich mit der “idealen Geliebten”, einer imaginären Figur von Moritz, über den Sinn des Lebens.

6 Eine hübsche Geste (29): Kramer sucht Mia auf, die ihn für den Suizid ihres Bruders Moritz verantwortlich macht. Sie erleidet einen Schwächeanfall, als er sie, dass sie Moritz die Angelschnur dafür gebracht hat.

7 Genetischer Fingerabdruck (33): Rückblende, Moritz soll im Mai (139) bei Blind Date Frau unter der Südbrücke vergewaltigt und getötet haben, wurde aufgrund von DNA-Spuren überführt, weigerte sich aber, ein Geständnis abzulegen.

8 Keine verstiegenen Ideologien (36): Kramer und Mia unterhalten sich über die METHODE. Für ihn ist sie wegen ihrer Wissenschaftlichkeit unfehlbar und damit allen vorausgegangenen Ideologien (Religion, Markt) überlegen. Mias Zwiespalt: am System oder ihrem Bruder zweifeln. Kramer will sie für die Zeitung porträtieren, um zu zeigen, wie sie ihre Krise bewältigt und so noch fester zum System steht.

9 Durch Plexiglas (44): Rückblende, vier Wochen früher. Mia bringt Moritz durchsichtige Angelschnur. Er schenkt ihr seine ideale Geliebte.

10 Eine besondere Begabung zum Schmerz (47): Mia schafft es nicht, ihre Wohnung aufzuräumen.

11 Bohnendose (49): Mia beim Amtsarzt, alles in bester Ordnung.

12 Saftpresse (51): Anhörung durch Sophie, weil sie das Klärungsgespräch nicht wahrgenommen hat.

13 Nicht dafür gemacht, verstanden zu werden (55): Erzähler verdeutlicht Mias Zustand durch einen Traum.

14 Privatangelegenheit (57): Sophie erinnert Mia daran, dass sie verpflichtet ist, ihren Schmerz zu überwinden. Sie bekommt eine letzte offizielle Verwarnung.

15 Fell und Hörner, erster Teil (60): Rückblende im Präteritum. Moritz nimmt Mia zum Angeln in der „Kathedrale“ (kleine Lichtung am Fluss) mit. Sie sprechen über seine Frauenbeziehungen und seinen Traum von einer guten Stadt. Er raucht, was verboten ist.

16 Rauch (64): Driss tagträumt von Mia (sie sei in Kramer verliebt) und riecht Rauch aus deren Wohnung.

17 Keine Güteverhandlung (66): Zwei Tage nach ihrer Anhörung (51) wird Mia wegen Rauchens (Ordnungswidrigkeit) zu einer Geldstrafe verurteilt. Sie wollte dadurch Moritz nahe sein. Die Damen haben den Vorfall gemeldet.

II Mia stimmt zu, dass das Urteil angefochten wird. Am Ende wird sie verhaftet.

18 Ein netter Junge (70): Mia unterhält sich mit dem ihr zugeteilten Anwalt Rosentreter. Sie ist nicht gegen die METHODE, will aber in Ruhe gelassen werden. Deswegen ist sie mit der Anfechtung des Urteils einverstanden.

19 Wächter (77): Die drei Damen passen Mia im Flur ab, um sich zu rechtfertigen und sie zu ermahnen.

20 In der Kommandozentrale (79): Mia trainiert wird, bemüht sich um gesunde Ernährung und will aufräumen. Die ideale Geliebte kritisiert diesen Optimismus und das System. Mia wird sich entscheiden müssen.

21 Recht auf Krankheit (83): Die beiden schauen im Fernsehen eine Talkshow von Würmer mit Kramer über die angebliche Terrorgruppe R.A.K. Letzterer spricht indirekt über Mia und kündigt Anti-Methodisten den Krieg an.

22 Das Ende vom Fisch (90): Rückblende: Mia und Moritz treffen sich drei Tage vor seiner Verabredung mit Sibylle im Sperrgebiet. Er erklärt ihr, was wahres Menschsein bedeutet: Erfahrungen machen, selbst über seinen Tod zu entscheiden. Er wirft Mia vor, die Menschen zu verachten, weil sie ihre Sicherheit will.

23 Der Hammer (98): Bei der Anfechtung des Urteils wegen Rauchens muss Mia von Sophie aus ihren Träumen geweckt werden. Den Härtefallantrag lehnt sie ab, dafür verschärft sie die Strafe: zwei Jahre auf Bewährung.

24 Which side are you on (105): Rosentreter bringt Mia um die Mittagszeit nach Hause. Er will in die nächste Instanz gehen.

25 Unzulässig (112): Rosentreter erklärt sein Engagement gegen die METHODE. Er hat die Liebe seines Lebens kennengelernt, sie ist aber unzulässig, da immunologisch unpassend. Mia zeigt ihm ein Bild des erhängten Moritz. Er will eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen ihn erwirken.

26 Schnecken (116): Kramer taucht erneut auf. Sie unterhalten sich über die Bedeutung des Verfahrens gegen Moritz. Mia erzählt von dessen Kindheit, er liebte Natur, insbesondere Schnecken, wurde von Leukämie geheilt.

27 Ambivalenz (126): Mia ist von K. wegen seiner Unbedingtheit fasziniert, findet ihn aber auch lächerlich.

28 Ohne zu weinen (130): Rückblende. Moritz kommt zu Mia, nachdem er die tote Sibylle unter der Südbrücke entdeckt hat, und geht wieder.

29 Unser Haus (135): Die drei Damen klingeln am Montag, den 14.7. vormittags an Mias Tür. Sie haben in einem Brief mitgeteilt bekommen, dass Mia vorbestraft und deshalb die Auszeichnung „Wächterhaus“ in Gefahr ist. Außerdem war in der Zeitung ein Foto von ihr. Zwei von ihnen wollen, dass sie auszieht.

30 Bedrohung verlangt Wachsamkeit (138): Die ideale Geliebte liest Kramers Zeitungskommentar vor. Die R.A.K. hat am Sonntagabend einen Anschlag mit biologischen Waffen angedroht. Dies soll mit dem Prozess gegen Moritz in Zusammenhang stehen, der als Terrorist bezeichnet wird. Mias Name wird genannt.

31 Die Zaunreiterin (141): Die ideale Geliebte sieht in Kramers Kommentar „Mias persönliche Anklageschrift“ und fordert sie auf, sich zu ihrem Bruder zu bekennen und gegen Kramer vorzugehen. Sie sieht in Mia eine „Zaunreiterin“, jemand, der als Außenseiter „dazwischen“ steht, gefährlich lebt und sich entscheiden muss.

32 Fell und Hörner, zweiter Teil (147): Rückblende: Mia ist dabei, wie Moritz in der „Kathedrale“ verhaftet wird.

33 Das Recht zu schweigen (151): Mia wird in der „Kathedrale“ verhaftet.

III Rosentreter deckt den Justizskandal auf

34 Der Härtefall (153): Mia steht wegen methodenfeindlicher Umtriebe und Führung einer methodenfeindlichen Vereinigung vor Gericht. Mia wird von Sophie zur METHODE befragt. Sie bekennt sich dazu und will mit Revolutionen nichts zu tun haben. (158f.) Rosentreter präsentiert Walter Hannemann als Stammzellenspender für Moritz und damit mutmaßlichen Mörder von Sibylle. Es kommt deshalb zu einem Tumult im Gerichtssaal

35 Das ist die Mia (169): Die drei Damen erfahren durch das Fernsehen vom Justizskandal, der in Mias Prozess aufgedeckt wurde. In einem Interview verspricht sie, die Frage nach der Legitimität der METHODE zu stellen.

36 Der größtmögliche Triumph (171): Rosentreter will abends bei Mia mit illegalem Champagner auf den Erfolg anstoßen und das weitere Vorgehen planen. Mia will sich nun zu Moritz bekennen und ein Pamphlet verfassen. Sie will, dass Rosentreter und die ideale Geliebte verschwinden.

37 Die zweite Kategorie (177): Mia hat Kramer angerufen, um ihn als ihr Sprachrohr zu benutzen.

38 Wie die Frage lautet (186): Mias Manifest

39 Vertrauensfrage (188): Kramer bedankt sich für die „rhetorische Massenvernichtungswaffe“ und die Zusammenarbeit. Er deutet an, dass sie ihre Wohnung verlieren wird. Die ideale Geliebte verabschiedet sich.

IV Die Methode schlägt zurück und vernichtet Mia

40 Sofakissen (192): Methodenschützer brechen in Mias Wohnung ein. Driss versucht ihr erfolglos zu helfen.

41 Freiheitsstatue (195): Mia wurde wegen Suizidgefahr verhaftet. Rosentreter besucht sie in ihrer Isolationshaft. Er will beim Höchsten Methodengericht klagen. Es wird für Mia demonstriert, sie distanziert sich von der R.A.K. und sieht sich als „Integrationsfigur“.

42 Der gesunde Menschenverstand (199): Abendansprache von Kramer in „Was alle denken“ (ohne Würmer).

43 Geruchlos und klar (202): Kramer besucht Mia in ihrer Einzelzelle und organisiert für sie einen Stuhl sowie Essen in Tuben. Er will, dass sie ein Geständnis unterschreibt. Alles soll von ihr und ihrem Bruder geplant worden sein. Als Methodenfeindin gilt für sie der Ausnahmezustand, sie wird abgehört. Mia weigert sich.

44 Würmer (214): Sophie wurde in die Provinz versetzt. Hutschneider leitet den Prozess. Es gibt das Gerücht, Mia hätte eine großen Giftanschlag geplant. In einer Gegenüberstellung sagt Würmer als Kronzeuge aus.

45 Keine Liebe der Welt (220): Rosentreter besucht Mia. Sämtliche Klagen wurden abgewiesen. In ihrer Wohnung wurde angeblich Botulinum gefunden, bestätigt durch Frau Poll und Lizzie. Rosentretet hat sich von Frau seines Lebens getrennt. Er gibt Mia beim Abschied heimlich eine lange Nadel.

46 Mittelalter (229): Kramer bietet Mia Reduzierung des Scheintods durch Einfrieren auf Gefängnisstrafe an, wenn sie gesteht. Er sieht im Prozess gegen Moritz ein Einzelereignis, das wie andere in der Geschichte eine große Katastrophe auslösen kann. Mia sollte das mit ihrem Geständnis verhindern.

47 „Es“ regnet (237): Mia wird gefoltert. Sie denkt an philosophische Gespräche mit dem 12-jährigen Moritz.

48 Dünne Luft (242): Kramer betupft ihr Gesicht mit Essig. Sie lässt ihn nach der Nadel suchen, hält ihm diese vor das Auge, operiert sich dann aber ihren Chip heraus und schenkt ihn Kramer.

49 Siehe oben (250): Bei Mias Prozess gibt es Kritik aus dem Zuschauerraum. Rosentreter verzichtet auf Verteidigung. Zwei Damen sagen gegen sie aus. Driss wird abgeführt. Mias Aufruf: „Tötet oder schweigt.“

50 Zu Ende (260): Als sie schon auf der Bahre liegt, um eingefroren zu werden, erscheint Bell mit der Begnadigung durch den Methodenrat. Sie soll resozialisiert werden, damit sie nicht zur Märtyrerin wird.

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