Ich schreibe regelmäßig, seit ich 16 Jahre alt bin. An die Jahre zuvor kann ich mich zumindest nicht erinnern. Meine Mutter erzählte mir vor einiger Zeit, dass ich den Zauberlehrling mit 4 Jahren auswendig konnte. Ich liebte die Sprache also schon früh. Ich erinnere mich gut an meine Lieblingskassette, auf der auch Gedichte von Gottfried August Bürger und Theodor Fontane waren. Seitdem ist Schreiben - und das Nachdenken darüber - immer mehr Teil meines Lebens geworden. Einige Gedanken über das Schreiben und Nachdenken möchte ich hier teilen, wie in einem Tagebuch, das eigene Reflexion aber vielleicht auch Impulse liefert. Für wen, das weiß ich nicht.
15.3.2025
Über Bücher
Egal, wohin ich in unserer Wohnung gehe: Überall bin ich umgeben von Büchern (vielleicht mit Ausnahme des Kellers). Sie finden sich in einem großen Regal im Wohnzimmer, in der Küche, im Schlafzimmer, auf der Toilette, im Bad und selbstverständlich in meinem Büro, das ich liebevoll Bibliothek nenne. Es gab eine Zeit, da haben mich die Bücher, damals noch weniger, unter Druck gesetzt. Sie schaute mich an und fragten vorwurfsvoll: Warum liest du mich nicht? Und selbstverständlich habe ich nicht alle gelesen. Viele, vielleicht die meisten. Mit manchen beginne ich, lege sie weg, krame sie irgendwann wieder hervor. Ich lese meist mehrere Bücher auf einmal, eine Angewohnheit, die nicht zu empfehlen ist. Aber andererseits mag ich es, vom Roman zum Sachbuch zu wechseln, eine Erzählung zu lesen oder Essays und Briefe. So findet sich Bregman neben Kafka, Wells neben Nassehi, und viele andere mehr. Der Beistelltisch neben meinem Bett ist ein Berg, den ich nur selten abtrage.
Wie passt das zusammen mit jemandem, der doch so oft in Sachen "Digitalisierung" angefragt wird? Für mich gibt es verschiedene Arten zu lesen. Und diese haben nicht nur, aber auch mit der Form zu tun: Die Buchform selbst fordert dazu heraus, den dort entfalteten Gedanken, die Geschichte, als ein Ganzes zu lesen, von vorne bis hinten. Es geht nicht um das schnelle Ergebnis, die es die KI einem auf Knopfdruck vorlegt, sondern um den Prozess, der einen meist erst den Gedanken, der viel später kommt, verstehen lässt. Es setzen sich Gedanken fest, unbewusst, die dann wieder hervorkommen, Wochen, manchmal Monate später. Danke denke ich: Das stand in dem Buch. In welchem? Das braune. Wo war es? Links oben im Regal, neben der Geschichte der Menschheit. Und dann nehme ich es zur Hand und erinnere mich: Es war kurz nach dem Zitat, Dreiviertel ins Buch hinein, links oben. So etwas hatte ich digital noch nie. Und es freut mich, von diesen Gedanken umgeben zu sein, die ich im Gehen erreichen kann und die mir zur Verfügung stehen, wann immer ich mich aufmache, sie wieder zu umfassen.
13.3.2025
Über die Unzweckmäßigkeit
Seit langem wieder habe ich mit einem Studienfreund telefoniert. Nachdem wir auf dem neuesten Stand unserer Lebensentwürfe angekommen waren, sprachen wir über unsere Studienzeit. Sie war geprägt von einem Interesse, das die Frage nach Ziel oder Note ausließ. Es war vor der Bolognareform, es gab keine ECTS-Punkte. Zwar wurden die Hausarbeiten und Prüfungen bewertet, aber für den späteren Abschluss waren sie irrelevant. Mich erinnerte das an Kants „Kritik der Urteilskraft“ (1790), in der er anmerkt, dass wahre Kunst nicht primär einem praktischen Nutzen dient, sondern vielmehr für sich selbst existiert und als ästhetisches Erlebnis geschätzt wird. Nicht jeden Abschnitt, aber doch viele meines Studiums, kann ich in diesem Sinne beschreiben. Zwar nicht als bloße Rezeption des Schönen und Wahren, sondern in der Auseinandersetzung. Aber eben in einer Form der Ziellosigkeit, der Unzweckmäßigkeit, die es erst schafft, die oberen Schichten eines allzu naheliegenden Verständnisses abzuschaben. Ich habe es geliebt.
Gleichzeitig werde ich wehmütig, weil ich wahrnehme, dass Unzweckmäßigkeit sich verdächtig macht, dass Nutzen und Nützlichkeit geradezu unterstellt werden. Vielleicht bin ich schon angelangt in eben jener verklärenden Phase des Rückblicks, die man immer nur bei anderen vermutet. Dann wäre der Gedanke eine Sackgasse.