[…] Vorgehen bei einer Analyse […]
Obwohl das Vorgehen bei Interpretationsaufsätzen normalerweise durch die verschiedenen Klassenstufen sehr ähnlich funktioniert, ist die Arbeit in der Oberstufe doch eine besondere. Die Aspekte der Kurzgeschichte müssen sehr genau beachtet, die fachspezifischen Grundlagen so genau beherrscht werden, dass sie ohne große Bedenkzeit angewendet werden können. Aus diesem Grund sollen hier die verschiedenen Schritte, die vor und während eines Interpretationsaufsatzes ausgeführt werden, dargestellt und teilweise kommentiert werden. Hier geht es zum Leitfaden für das Verfassen eines materialgestützten informierenden Textes.
Bevor die einzelnen Schritte aufgegriffen werden, hier noch einige sehr wichtige Tipps für die Umsetzung.
a) Man sollte jeden Aufsatz durch Absätze strukturieren. Pro Absatz sollte nur ein Gedanke verfolgt werden. Dies zu beachten hilft, nicht den Faden zu verlieren. Und es ist gar nicht so einfach. Es bedeutet nämlich beispielsweise, dass man tatsächlich nur einen einzigen Aspekt der Kurzgeschichte (oder der Parabel oder Erzählung) sehr ausgiebig bespricht.
b) Es ist grundlegend zu wissen, wie man zitiert. Die falsche Zitationstechnik macht im schlimmsten Fall den gesamten Text unlesbar.
Nun zu den verschiedenen Schritten.
Bei Kurzprosa ist der Operator meist lediglich "interpretieren". Dies schließt freilich zahlreiche Schritte ein. Dennoch sollte man darauf achten, dass man die Aufgabe auf jeden Fall liest, versteht und ggf. markiert.
Um es kurz zu machen: Einen Text zu lesen, ohne dass man ihn markiert, Pfeile zeichnet und Gedanken hineinschreibt, geht in der Oberstufe eigentlich nicht mehr. Warum? Letztlich ist es ein Weg, mit dem Text zu arbeiten und an alles zu denken. In einem weiteren Schritt können die vielen Teile dann zu einem stringenten Konzept verfasst werden. Erst dann geht die Verschriftlichung los.
Einige Anregungen:
Gerade der letzte Punkt kann wichtig für einen Schluss sein, der nicht vage gehalten wird. Wenn einem das Konzept der Kurzgeschichte beispielsweise geläufig ist, kann man am Ende beschreiben, inwiefern der Text sich diesem Konzept verweigert, welche strukturellen Feinheiten und Kniffe es gibt oder wo es Leerstellen gibt, die sich einer genauen Interpretation widersetzen (man denke an Kafka).
Die Deutungshypothese sollte erst aufgestellt werden, wenn der gesamte Text analysiert worden ist. Sie ist das Kernstück der Interpretation. Zu wissen, wie man diese erstellt, ist deshalb für die gesamte Klausur sehr wichtig. Zuvor sind jedoch noch einige Schritte nötig.
Es geht darum, dass man die Aspekte, die wichtig sind, sammelt, Verbindungen herstellt, Fragen formuliert und Interpretationsansätze aufschreibt.
Einleitung überlegen, welche zum Thema hinführt, den Inhalt und Gehalt aber nicht vorwegnimmt; in die Einleitung gehören Autor, Titel, Textsorte und evtl. zeitlicher Kontext. Die Einleitung kann z.B.
- das Thema des Prosatextes in allgemeiner Form oder in seiner Aktualität aufgreifen oder
- Assoziationen im Zusammenhang mit der Überschrift zum Ausdruck bringen oder
- über den Autor informieren (falls bekannt!)
- ...
Wichtig ist, dass die Hinführung erst dann erstellt wird, wenn die Deutungshypothese erstellt worden ist. Denn ansonsten führt die Hinleitung am eigentlichen Thema vorbei und das ist als Einstieg schlecht, da dies der erste Moment ist, in dem der Leser mit dem Text in Berührung kommt.
Generell schreiben wir in der Schule textimmanente Analysen. Das bedeutet, dass wir alles, was wir über die Figuren, den Ort, die Zeit etc. wissen nur innerhalb des Textes deuten. Es gibt zahlreiche andere Wege, eine Deutung zu erstellen: Psychologisch, marxistisch, poststrukturalistisch und so weiter. Dadurch, dass wir in der Schule nur mit dem Text arbeiten, wertet dies den Text als Analysegegenstand extrem auf. Aus diesem Grund sind einige Schritte nötig, ohne die man nicht starten sollte.
Am Ende wird die Deutungshypothese überprüft und die Ergebnisse werden gewichtet. Wenn man die Deutungshypothese gut entwickelt hat, dürfe die Bestätigung nicht zu schwer sein. Schwieriger wird es freilich, wenn die Deutungshypothese ein Schuss ins Blaue war. Aus dem Grund sollte man sie erst am Ende der Analyse formulieren, sodass man danach mit dem Schreiben der Interpretation beginnen kann.
Kurzfassung: Parabel: Definition und Interpretation
Eine Parabel ist eine lehrhafte Erzählung, die durch eine metaphorische Handlung eine allgemeingültige Botschaft vermittelt. Ihre Bedeutung liegt unter der Oberfläche und muss interpretiert werden.
Schritte zur Interpretation
1. Text lesen und markieren: Schlüsselstellen, Symbole und sprachliche Mittel hervorheben.
2. Deutungshypothese aufstellen: Eine zentrale Aussage formulieren, die die Parabel vermittelt.
3. Analysepunkte beachten:
- Aufbau: Exposition, Konflikt, Lösung.
- Symbolik und Bildsprache entschlüsseln.
- Figuren, Raum und Zeit deuten.
- Erzählerperspektive analysieren: Welcher Erzähler spricht?
4. Zusammenfassen: Ergebnisse prüfen und die Hypothese bestätigen oder anpassen.
Wichtig: Die Interpretation sollte durch Zitate aus dem Text belegt werden. Dreischritte beachten!
Beispielparabel "Die Blinden und der Elefant" und Beispielinterpretation
Auch wenn die Interpretation, wie oben gesagt, textimmanent ist, kann der Kontext eines Textes, sofern bekannt, helfen, ihn zu deuten. Beispiele dafür sind:
Man muss auch hier aufpassen, dass man es sich nicht zu einfach macht und versucht, eine 1:1-Übertragung zwischen Autorenleben und Text anzunehmen. Es sind allenfalls Impulse, die man einfließen lassen kann.
Der Schluss ist für den Leser oftmals eine Qual, weil die Schüler (oder die Interpreten) vage vor sich hin schwafeln, ohne dass man das Gefühl hätte, dass hier wirklich ein Schluss verfolgt wird. Aus diesem Grund sollte man sich gut überlegen, was man am Ende nochmals in den Blick nimmt. Das kann sein:
Man sollte dringend darauf achten, keine Allgemeinplätze aufzuschreiben. Dass der Text "gut" ist und der Autor die Kurzgeschichte "schön" geschrieben hat, spielt keine Rolle.
Zum Abschluss noch einige Hinweise, wie man den Aufsatz in Eigenarbeit überarbeiten kann.
Sind die Ausführungen ...
- im Ergebnis ergiebig und überzeugend?
- wichtig / unwichtig in Bezug auf die Deutungshypothese?
- differenziert oder undifferenziert und oberflächlich?
- an Textstellen belegt?
Sind die Analyseergebnisse in ihrer Funktion für die Aussage erschlossen?
Ist die Entfaltung der Gedanken im Aufsatz
In der Gliederung klar und schlüssig (Abschnitte)?
Klar/unklar in der gedanklichen Entwicklung?
Unangemessen lang/kurz (bezogen auf zentrale und eher nebensächliche Aspekte)?
Gibt es orientierende Leserlenkung („Zentral wichtig scheint mir ..."/„In den Mittelpunkt stelle ich ..."/„Besonders hervorheben möchte ich ...")?
Wirkt der Aufsatz
- flüssig und klar formuliert?
- in Wortwahl und Ausdruck flüssig und angemessen?
Erkennt man den gedanklichen Zusammenhang auch in der sprachlichen Darstellung (Konnektoren wie: weil/deshalb/jedoch/aber/...)
Sind Wiederholungen vermieden (z.B. Satzanfänge, gleiche Wörter)?
Stimmen die Anforderungen an die Textnorm und an den Text:
- Präsens, Sachlichkeit im Stil, Fachbegriffe, korrekte Zitierweise
- Sprachrichtigkeit: Satzbau, Grammatik (z.B.: Konjunktiv bei der indirekten Rede)?
An dieser Stelle müssen die Kommentare zunächst abgebrochen werden. Weitere werden folgen. Wie immer gilt: Bei Fragen, Anregungen und Feedback freue ich mich über Kommentare.
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