Das materialgestützte Schreiben informierender Texte ist ein Abiturformat (u.a. in Baden-Württemberg), zu dem schon in der Klassen davor hingeleitet wird. Meine Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse haben mich gefragt, ob ich eine Art Musterlösung verfassen könnte. Dem komme ich an dieser Stelle nach. Es ist, wie immer, wichtig zu betonen, dass ich bei dieser keinen Anspruch auf Vollständigkeit bieten kann. Auch können Unterschiede in Anspruch und Struktur bestehen. Wenn ich selbst Texte dieser Art verlasse, versuche ich, mich dem Niveau der Klassenstufe anzupassen.
Um die Musterlösung nachvollziehbarer zu gestalten, kann hier die Aufgabenstellung und das Material eingesehen werden.
Auftrag:
Immer mehr Schüler:innen fühlen sich gestresst, überfordert oder allein mit ihren psychischen Belastungen. Im Rahmen der kommenden Schulkonferenz dürfen sich die Schülervertreter:innen zu diesem Thema äußern. Eure Klasse soll einen formellen Brief aus der Schülerschaft verfassen, der die Schulkonferenz über die Bedeutung des Themas „Psychische Gesundheit bei Jugendlichen“ informiert, zentrale Erkenntnisse bündelt und erste Vorschläge zur Verbesserung macht.
Eure Aufgabe ist es, auf Basis der untenstehenden Materialien einen sachlich-informativen und strukturierten Brief an die Schulkonferenz zu verfassen.
Berücksichtigt dabei:
eine sachliche Sprache,
eine adressatengerechte Darstellung (Schulleitung, Lehrer:innen, Eltern, Schülervertreter:innen),
eine klare Struktur (Einleitung – Hauptteil – Schluss),
und eine angemessene Nutzung der Materialien mit konkretem Bezug.
Anmerkung: Die Anmerkung, was berücksichtig werden soll, werden in der Klassenarbeit nicht gegeben. Sie sind als Erinnerungen für die Übung zu verstehen.
Ausschnitt aus einer DAK-Studie (2023)
43 % der Schüler:innen zwischen 12 und 17 Jahren berichten über regelmäßige Stresssymptome (z. B. Schlafprobleme, Gereiztheit).
1 von 5 Jugendlichen zeigt Anzeichen einer depressiven Verstimmung.
64 % der befragten Jugendlichen wünschen sich, dass in der Schule offener über psychische Gesundheit gesprochen wird.
„Es ist wichtig, dass Schulen psychische Gesundheit nicht als Tabuthema behandeln. Schon einfache Maßnahmen wie regelmäßige Gespräche, geschützte Rückzugsräume oder Workshops zur Stressbewältigung können viel bewirken. Prävention beginnt mit Zuhören und Ernstnehmen.“
In einer Realschule in Düsseldorf wurde ein Peer-Projekt gestartet, bei dem ältere Schüler:innen in Workshops zu Mental-Health-Botschafter:innen ausgebildet wurden.
Evaluation nach einem Jahr:
Deutlich verbesserte Gesprächskultur in Klassen.
Rückgang von Konflikten und Fehlzeiten.
Schüler:innen fühlten sich ernster genommen und berichteten von „mehr Mut, Hilfe zu holen“.
Studien der Universität Bielefeld zeigen, dass eine Kombination aus Aufklärung, niedrigschwelligen Beratungsangeboten und einer wertschätzenden Schulkultur die Resilienz von Schüler:innen stärkt.
Besonders hilfreich: Einbindung von Themen wie mentale Gesundheit in den Fachunterricht (z. B. Biologie, Gemeinschaftskunde).
Ein Brief der Schülerschaft zur Bedeutung von Mental Health an unserer Schule
Sehr geehrte Mitglieder der Schulkonferenz,
stellen Sie sich ein Klassenzimmer vor. In den Reihen sitzen Jugendliche, die lernen, lachen, zuhören. Doch was man nicht sieht: In den Köpfen mancher tobt ein Sturm. Sorgen, Erschöpfung, Druck. Viele von uns funktionieren, aber sie fühlen nicht. Sie erscheinen, aber sind nicht wirklich da.
Wir wenden uns heute an Sie, um ein Thema sichtbar zu machen, das oft im Verborgenen bleibt: die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern. Die Belastungen, die viele von uns täglich empfinden, haben in den letzten Jahren zugenommen – nicht nur gefühlt, sondern messbar. Unsere Bitte: Nehmen Sie dieses Thema mit in den Fokus unserer Schulkultur.
Laut einer Studie der DAK berichten 43 % der Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren von regelmäßigen Stresssymptomen wie Schlafproblemen oder Gereiztheit (DAK-Studie 2023). Jeder fünfte Jugendliche zeigt sogar Anzeichen depressiver Verstimmungen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Leistungsdruck, soziale Unsicherheiten, Konflikte im Elternhaus oder die ständige digitale Reizüberflutung. Viele Klassenkameraden berichten von ähnlichen Erfahrungen. Vor allem der Druck, der durch Klassenarbeiten und Tests erzeugt wird, ist enorm.
Dass Schule kein geschützter Raum mehr für viele ist, zeigt sich auch darin, dass 64 % der Jugendlichen sich wünschen, dass in der Schule offener über psychische Gesundheit gesprochen wird (DAK-Studie 2023). Doch oft fehlt die Sprache, das Vertrauen – oder schlicht die Zeit. In den letzten Jahren unserer Schulzeit kamen diese Themen nicht vor.
Die Schulpsychologin Dr. Petra Weber mahnt deshalb: „Prävention beginnt mit Zuhören und Ernstnehmen.“ (Weber 2023). Ihre Einschätzung zeigt: Wir brauchen keine sofortige Komplettveränderung, sondern erste Schritte. Das könnten zum Beispiel regelmäßige Gesprächsangebote, geschützte Rückzugsräume, Workshops zur Stressbewältigung oder die Sensibilisierung der Lehrkräfte sein.
Gerade die Gesprächsangebote können auch im Unterricht gemacht werden. Viele Klassen haben eine Lehrperson, der sie vertrauen und an die sie sich wenden können. Dafür muss aber Zeit eingeplant werden, damit dies nicht nur eine einzelne Maßnahme bleibt.
Dass solche Maßnahmen wirken, zeigt das Beispiel eines Schulprojekts aus Düsseldorf. Dort wurden sogenannte Mental-Health-Botschafter:innen ausgebildet – ältere Schüler:innen, die jüngeren als Ansprechpersonen zur Seite stehen. Die Ergebnisse sprechen für sich: weniger Fehlzeiten, bessere Gesprächskultur, mehr Mut, Hilfe zu holen („Stark durch Austausch“, 2023).
Auch die Wissenschaft stützt solche Initiativen. Eine Untersuchung der Universität Bielefeld kam zu dem Ergebnis, dass eine Kombination aus Aufklärung, niedrigschwelliger Beratung und einer wertschätzenden Schulkultur die Resilienz von Jugendlichen signifikant stärkt (Pädagogik heute 2022). Besonders wirkungsvoll sei die Einbindung von Mental-Health-Themen in den Unterricht – etwa in Biologie oder Gemeinschaftskunde, wo über Stress, Selbstwert oder psychische Erkrankungen aufgeklärt werden kann.
Was wir uns wünschen, ist keine Sonderbehandlung, sondern ein Signal. Ein Zeichen, dass das, was in uns vorgeht, auch an unserer Schule ernst genommen wird. Dass wir nicht „funktionieren müssen“, sondern dass es in Ordnung ist, sich Hilfe zu holen. Dass man nicht erst „ausfällt“, um gesehen zu werden.
Wenn der Kopf zu laut wird, sollte die Schule kein Ort des Schweigens sein. Sondern einer des Zuhörens, des Verstehens – und des Handelns.
Mit freundlichen Grüßen
Die Schüler:innen der Klassenstufe 10