REFERENDARIAT: Vorstellung in einer neuen Klasse

Bob Blume
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10. Februar 2019
12 Kommentare
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Eine liebe Instagram-Kollegin sprach mich darauf an, ob es auf diesem Blog Erkenntnisse darüber gäbe, wie man sich vor einer neuen Klasse vorstelle. Da dies bisher nicht so ist, dies jedoch ein spannendes Thema ist, hier ein paar Zeilen zu dieser Fragestellung. 

Zunächst einmal kann ich ganz grundsätzlich sagen, dass sich meine Sicht auf das Thema Vorstellung geändert hat. Früher hätte ich wahrscheinlich gesagt, dass man, nachdem man in die Klasse gekommen ist, etwas über sich erzählt, nur: Es interessiert erstmal niemanden außer einen selbst. Die Schüler wollen nicht wissen, wo man herkommt, was man hier will (das ergibt sich aus der Tatsache, dass man da steht) oder welche Hobbys man hat. Das kommt zu einem viel späteren Zeitpunkt. Die Schüler wollen wissen, was man mit(!) ihnen macht und ob das Spaß machen und Erkenntnis bringen wird. Ganz schön viel auf einmal. Dennoch: Wenn dieser Fokus klar ist, dann bedeutet das: Erstmal muss man so wenig über sich sagen, wie man nur kann und direkt loslegen.

Aber von vorne.

Über die Türschwelle

Der Moment, in dem man über die Türschwelle tritt, ist entscheidend. Ich aber würde sagen, er ist es auch dann, wenn man sich vornimmt, dass erstmal nichts passiert. Denn: Man muss vier Dinge auf einmal machen. Zeigen, dass man richtig ist. Die Klasse im Blick haben, zum Pult gehen, Sachen auspacken etc. Das ist ganz schön schwierig. Was ich tue? Ich kümmere mich zunächst gar nicht um die Klasse. Ich betrete die Klasse, gehe an den Pult und mache mich komplett fertig. Dann lasse ich den Blick schweifen und fordere mit einer Handbewegung von unten nach oben auf, aufzustehen.

Der erste Eindruck

Jetzt stehen alle blöd da. Aber es ist ja meine erste Stunde (nehmen wir an). Ich müsste also kurz sagen, wer ich bin, aber, wie oben angemerkt, finden die das nicht so spannend. Was tun? Ich überbrücke das, indem ich den Schülern meinen Takt erkläre. Denn ich hasse das langsame "GU-TEN MORG-EN, HERR..." zutiefst. Ich habe mir einen dynamischen Einstieg angewöhnt. Meistens klappt das nicht, dann lassen wir uns Zeit, das zu üben.

Was kindisch klingt, hat mehrere Funktionen. Erstens, da steht jemand, der etwas anders macht. Das ist spannend. Zweitens, und das ist der Punkt der Begrüßung, ich werde aus dem Trott geholt. Jetzt beginnt der Unterricht bei Herrn Blume. Drittens: Nun habe ich die Aufmerksamkeit und kann loslegen. Ich habe für die Klassen ganz unterschiedliche Versionen, ich lerne auch welche dazu. Meine neueste ist importiert aus Hannover.

Nachdem einige Menschen gefragt haben, wie sich das Ganze nun anhört, hier die Videoversion.

 

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Meine Begrüßungsformel hatte ich nach einer sehr kritischen Stimme gelöscht. Aber da ich wiederholt danach gefragt wurde dachte ich: Was soll‘s?! ??‍♂️? Ihr sehr und hört eine Begrüßung, die ich aus Hannover importiert habe und nur mit meiner 9.Klasse anwende. Der Deal ist aber: Wenn die sich gerade nicht freuen, mich zu sehen, müssen sie den zweiten Teil nicht sagen. ? Warum das Ganze? Begrüßungen sind mehr als ein Hallo. Sie starten den Unterricht. Und meistens sind sie so einschläfernd, dass man schon keinen Bock mehr hat. ? Mit einem dynamischen Einstieg hat man alle dabei, hat vielleicht eine individuelle, persönliche Note hinzugefügt und kann „frisch ans Werk.“ ? Klar, es muss zu einem passen. Aber dennoch würde ich raten, dies schon im Referendariat auszuprobieren. ?? So wissen die Klassen schon mit dem Beginn, wie es nun weitergeht. Habt ihr persönliche Begrüßungen? Macht ihr ähnliche Erfahrungen? ???????? ? #wirfüruns #netzlehrer #inspiration #instalehrer #leadership #lehrerblog #lehramtsstudium #lehramt #referendariat #vernetzung #lieberlehramt

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Loslegen

Und loslegen heißt loslegen. Falls man tausend organisatorische Sachen besprechen muss (und das muss man meistens) sollte man das definitiv später machen. Zu einem Zeitpunkt nämlich, in dem die Schüler nicht mehr in der Schwebe darüber sind, ob man zu den langweiligen Lehrern gehört, denen man nicht zuhören muss. Wenn sie wissen, dass der Unterricht bei einem Spaß machen kann, dann nehmen sie die fällige Organisation als Unterbrechung des eigentlichen Flusses. Wenn man langweilig beginnt, besteht aus der Schülerperspektive die Gefahr, dass man immer so ist. Und woher sollten sie wissen, dass das nicht so ist.

Authentizität

Sowohl der Schritt über die Schwelle als auch der von mir geschilderte erste Eindruck sind nicht nur subjektiv, sondern sehr individuell. Das bedeutet: Natürlich würde ich keinem raten, sofort mit einer ganz lustigen Begrüßung einzusteigen, zumindest dann nicht, wenn man nicht der Typ dafür ist. Da wird es natürlich schwierig. Denn gerade im Referendariat ist man ja dabei, herauszufinden, welcher Typ man ist.

Ist man der oder derjenige, die mit freundlichem Lächeln in die Klasse schaut und eine interessante Frage stellt, die alle schon zum Mitmachen anregt? Ist man jemand, der zunächst einmal die Lage checken muss? Oder ist man jemand, der erstmal streng nach Plan vorgeht, um nach und nach die Zügel zu lockern?

Ganz egal, wie es ist: Die Schüler sollten merken, dass der Grund, warum man das tut, was man tut, sie selbst sind. Die Schüler sind weder Erfüllungsgehilfen eines eigenen Karriereplans noch Humankapital, in das der Bildungsplan gestopft werden muss. Der Scherz ist: Ist die Bindung aufgebaut, werden sie sich für einen zerreißen. Besteht sie nicht, besteht aus ihrer Sicht auch kein Grund.

Abschluss

Dieser eher aus dem Impuls der Frage geschriebene Artikel ist, so meine ich, gleichsam vage und auch nicht. Denn natürlich wäre es einfach zu sagen: Sei authentisch. Der springende Punkt ist aber eher: Die Schüler werden einen nach dem beurteilen, wie man etwas tut. Wer man ist, ergibt sich daraus. Insofern: Loslegen! Und dann erst darüber sprechen, warum man ausgerechnet ein unterbezahlter Superheld oder eine unterbezahlte Superheldin werden will.

Nachtrag

Nachdem der Beitrag (ehrlich gesagt verwunderlicher Weise) einen starken Anklang fand, äußerte jemand auf Facebook Widerspruch. Das finde ich nich nur gut, sondern auch wichtig, da so noch klarer wird, dass es verschiedene Perspektiven auf das Thema gibt. Nachdem mir Mina Güna ihr Einverständnis gegeben hat, hier also eine andere Perspektive auf das Thema:

Ich würde dir fast ein bisschen widersprechen. Ich habe bisher immer zum Anfang das "zwei Wahrheiten, eine Lüge" Spiel gespielt und die Schüler waren immer interessiert und wollten etwas über mich erfahren. Nur zwei kleine, interessante Sachen, aber das war immer spannend. Und sie haben natürlich auch selbst Lügen erfunden und Wahrheiten über sich erzählt. So habe ich gleich noch was über die klasse erfahren,ohne dass alle vor Langeweile vom Stuhl fallen. Also ich bin nicht 100% auf deiner Seite 🙂

12 comments on “REFERENDARIAT: Vorstellung in einer neuen Klasse”

  1. Die wichtigsten Sätze des Textes gehen für meinen Geschmack leider ein wenig unter, trotz dass sie an prägnanter Stelle stehen: "Ganz egal, wie es ist: Die Schüler sollten merken, dass der Grund, warum man das tut, was man tut, sie selbst sind." und "Die Schüler werden einen nach dem beurteilen, wie man etwas tut. Wer man ist, ergibt sich daraus. Insofern: Loslegen!"

    Allerdings hängt das, wie du an anderer Stelle schreibst, auch etwas von dem Alter der Lernenden ab. Gerade die älteren Schüler:innen (z.B. in der Oberstufe) wollen, zumindest meiner Erfahrung nach, primär wissen, was auf sie zukommen wird. Also wie der Unterricht abläuft, welche Anforderungen man stellt, wie die Kursarbeiten aussehen werden, welche Themen besprochen werden usw. - also Organisatorisches. Dass ich mich vor diesem Hintergrund erst einmal an einer Struktur, die ich theoretisch sogar im Lehrervortrag "herunterbeten" könnte, festhalten kann, hilft mir als Lehrperson gerade dann, wenn ich mich selbst unsicher fühle, aus welchem Grund auch immer.

    Das Spiel "Zwei Wahrheiten, eine Lüge" habe ich dort auch schon mehrfach eingesetzt. Das kann, je nach Lerngruppe, durchaus lustig werden, man sollte allerdings nicht davon ausgehen, dass dadurch automatisch eine vertraute Atmosphäre entsteht. Vielmehr habe ich für mich wahrgenommen, dass das Spiel gerade bei älteren Lerngruppen nicht mehr so gut ankommt. Viele möchten ab einem gewissen Alter - verständlicherweise - so früh gar nichts Privates über sich erzählen, und - wie du schreibst - ist es ihnen zunächst einmal herzlich egal, ob ich als Lehrer nun Kampfsport mache oder lieber Schach spiele.

    Am besten ist es, in der ersten Stunde zunächst einmal das zu tun, womit man sich selbst wohl bzw. sicher fühlt, dabei aber weder wie ein Elefant im Porzellanladen zu agieren noch auf "Best Buddies" zu machen. Wer Sicherheit in einer festen Struktur findet, kann das durchaus machen, wenn es authentisch ist. Wer lieber direkt mit den Schüler:innen ins Gespräch kommt, für den:diejenige habe ich hier mein liebstes Vorgehen:

    Womit ich tatsächlich gute Erfahrungen gemacht habe, ist, nach einer kurzen Begrüßungsphase (ich stelle mich kurz vor, die Schüler:innen Namensschilder erstellen lassen, dann 3-4 wenig detaillierte, aber sprachlich klare Sätze über das, was in dem Schuljahr ansteht) die Schüler:innen direkt mit dem folgenden Auftrag zu konfrontieren: "Was wünscht ihr euch von mir bzw. vom (Fach)Unterricht in diesem Schuljahr?" (oder, gerade bei Jüngeren, als ersten Schritt vorgelagert: "Welche Erfahrungen habt ihr denn in [Fach] gemacht? Was hat euch gefallen, was hat euch nicht gefallen?"). Zunächst kurze Einzelphase für die individuelle Reflexion, dann Kleingruppenphase, in der die individuellen Wünsche vorgestellt und dann die jeweils 3 den Schüler:innen wichtigsten Aspekte festgelegt werden (wenn einzelnen Schüler:innen wichtige Dinge fehlen, können die im Nachgang noch eingeworfen werden). Die Vorstellung der Wünsche im Plenum gibt mir wichtige Hinweise darauf, wie man die Lerngruppe für sich gewinnen kann, sie bietet aber auch sehr viel Anlass, mit den Kids ins Gespräch zu kommen. Hier öffnen sich viele Schüler:innen dann ganz intrinsisch, wenn sie berichten von dem berichten, was ihnen nicht so gut gefallen hat (z.B. viele Hausaufgaben, eintöniger Unterricht, strenger Lehrer) oder was ihnen Spaß gemacht hat. Im Zweifelsfall stelle ich dann auch mal eine Nachfrage, z.B. "Was fandet ihr denn 'zu streng', was hättet ihr besser gefunden?", aber ohne die Aussagen zu werten, zu kritisieren oder anderweitig abzuwerten. Danach stelle ich den Schüler:innen meine Wünsche und Ziele vor, z.B. mitreden und Nachfragen stellen, Hausaufgaben machen, Hochdeutsch sprechen. Davon ausgehend kann man dann so etwas wie eine kleine Zielvereinbarung schließen, in der die Wünsche und Ziele der Lernenden und von mir miteinander verknüpft werden, z.B. "Wenn im Unterricht gut mitgearbeitet wird, werden die Hausaufgaben auch weniger umfangreich."
    Wichtig: Keine falschen Hoffnungen wecken und begründen, warum manche kritisierten Dinge notwendig und manche Wünsche vielleicht nur schwer erfüllbar sein werden. Zugleich aber signalisieren, dass man die Aussagen ernst nimmt ("Ich bin froh, dass ihr so offen und ehrlich zu mir wart. [Ich werde mir Mühe geben, dass das so bleiben kann, und ich werde auch euch gegenüber so offen und ehrlich sein.]" oder "Ich danke euch für diese wertvollen Tipps! [Zu Hause werde ich mir überlegen, wie ich möglichst viel davon umsetzen kann, ihr dürft mir aber auch weiterhin gern Hinweise geben.]")
    Mein Eindruck ist, dass die Schüler:innen danach das ehrliche Gefühl haben, dass ich sie ernst nehme und einbinden will, dass gemeinsam Regeln aufgestellt wurden, auf die sie und ich mich beziehen können, und dass wir uns gegenseitig einen gewissen Vertrauensvorschuss geben. Danach sind dann meist auch 45 Minuten rum und man kann zu Organisatorischem übergehen oder mit ersten fachlichen (Wiederholungs-)Aufgaben starten, auch um die Zielvereinbarungen mal anzuwenden.

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