UNTERRICHT: Mit dem Growth Mindset ins neue Schuljahr

Bob Blume
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11. August 2024
2 Kommentare
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Man stelle sich vor, das Schuljahr beginnt, und die Lehrkraft hält eine klassische Einführungsrede: "Dieses Jahr wird hart. Einige von euch werden es nicht schaffen, und das ist okay, denn nicht jeder ist für Mathe/Deutsch/... gemacht." Nebenbei ist das kein Einstieg, der Lust auf das Schuljahr macht. Und es ist eine Einstellung, die die Chancen der Schüler*innen von Anfang an begrenzt. Hier wird der Fokus auf das gelegt, was man angeblich nicht kann, statt darauf, was man lernen und entwickeln kann. Das sogenannte Growth Mindset, das von Carol Dweck entwickelt worden ist und das sich zunehmender Beliebtheit erfreut, geht davon aus, dass es weniger auf Talent ankommt als aufs Üben. Und dies kann schon zu Beginn des beginnenden Schuljahres etabliert werden. 

Ein Growth Mindset vermittelt die Überzeugung, dass Fähigkeiten und Intelligenz durch Anstrengung und Lernen wachsen können. Wenn man als Lehrkraft das Schuljahr mit dieser Haltung beginnst, legst man den Grundstein dafür, dass deine Schüler*innen nicht nur ihre Fähigkeiten, sondern auch ihre Einstellung zum Lernen weiterentwickeln. Und genau diese Einstellung ist es, die Grundlage für das zukünftige Lernen ist. Oder sogar für das lebenslange Lernen.

Wenn du dich noch intensiver damit befassen willst, lege ich dir mein neues Buch ans Herz, das Anfang September erscheint.

Hier sind sieben konkrete Tipps, wie du das Growth Mindset von Anfang an umsetzen kannst:

  1. Positiver Start: Beginne das Schuljahr (zu einem geeigneten Moment und am besten, wenn schon etwas Motivierendes getan wurde) mit der klaren Botschaft, dass Fehler zum Lernen dazugehören. Lass die Schüler*innen wissen, dass jeder hier ist, um zu wachsen, und dass jede Herausforderung eine Chance ist, besser zu werden.
  2. Lob für Anstrengung, nicht für Intelligenz: Anstatt Aussagen wie "Du bist so schlau!" zu machen, konzentriere dich darauf, Anstrengung und Durchhaltevermögen zu loben. Sag lieber: "Du hast dich wirklich angestrengt, das zu verstehen – weiter so!" Das kann natürlich altersangemessen variiert werden.
  3. Zielformulierung gemeinsam erarbeiten: Arbeite mit den Schüler*innen daran, persönliche Lernziele zu setzen, die auf Wachstum ausgerichtet sind. Diese Ziele sollten realistisch, aber herausfordernd sein, sodass sie ihre Komfortzone verlassen und Neues ausprobieren. Durch KI-Feedback ergeben sich hier riesige Chancen und Potenziale.
  4. Wortwahl bewusst einsetzen: Verwende eine Sprache, die Wachstum fördert. Sag zum Beispiel "Du kannst es noch nicht" anstatt "Du kannst es nicht". Das kleine Wort "noch" macht einen großen Unterschied und öffnet die Tür zum Lernen. Das ist der Punkt, der sich am einfachsten anhört, der aber Wunder wirken kann. Er erfordert aber Übung, damit es sich nicht künstlich anhört.
  5. Reflexion über den Lernprozess: Ermutige die Schüler*innen, regelmäßig über ihren eigenen Lernprozess nachzudenken. Was hat gut funktioniert? Wo gab es Schwierigkeiten? Wie kann man es nächstes Mal anders angehen? Diese Reflexion hilft, das Bewusstsein für den eigenen Fortschritt zu schärfen. Ganz nebenbei ist dies nach der Hattie-Studie einer DER wichtigsten Handlungen für erfolgreiches Lernen.
  6. Modelle des Growth Mindsets präsentieren: Zeige Beispiele von berühmten Persönlichkeiten oder auch ehemaligen Schüler*innen, die trotz Herausforderungen Erfolg hatten. Diese Geschichten können inspirieren und verdeutlichen, dass Erfolg oft mit Beharrlichkeit und Lernbereitschaft zusammenhängt. Dies ist ein eher kognitiver Ansatz, kann aber als Einführung nützlich sein.
  7. Förderung von Zusammenarbeit und Peer-Learning: Schaffe eine Lernumgebung, in der Schüler*innen voneinander lernen können. Gruppendiskussionen und Teamarbeit fördern das Verständnis, dass man gemeinsam stärker ist und dass das Lernen ein sozialer Prozess ist, bei dem man sich gegenseitig unterstützt.

Mit diesen Ansätzen kann man den Grundstein für eine Lernumgebung legen, in der alle Schüler*innen das Gefühl haben, dass sie wachsen und sich weiterentwickeln können – egal, wo sie am Anfang des Jahres stehen. Und das ist genau die Art von Schuljahresbeginn, den alle brauchen.

2 comments on “UNTERRICHT: Mit dem Growth Mindset ins neue Schuljahr”

  1. Lieber Bob,

    ein schöner und mutmachender Artikel. Besonders Punkt 2 ist sehr interessant, denn Intelligenz allein reicht nicht aus, um erfolgreich zu sein, auch wenn den Kindern oft alles zufliegt. Umso wichtiger ist es, sie für ihre Anstrengungen zu loben. Denn genau das ist es, was ihnen am schwersten fällt, da sie oft die Dopamin Ausschüttung nach erfolgreichem Lösen einer Aufgabe nicht erleben, weil ihnen eben alles zufliegt.

    Klingt nach Teufelskreis, ist es auch.

    Danke für den Artikel, der nach einem offenen Herzen und großer Wertschätzung klingt.
    Klingt nach

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