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Seit einiger Zeit widmet sich dieser Blog auch abiturrelevanten Themen und versucht, Überblicke über Deutungen, Konflikte und Fragestellungen zu geben. An dieser Stelle wird schon im Vorhinein versucht, die auf Schülerinnen und Schüler zukommenden neuen Prüfungsthemen zu besprechen oder einige Impulse zu geben, mit denen man weiterarbeiten kann. 

Zu den Neuerungen hinsichtlich des Essays geht hier entlang.

Übersicht

Anmerkungen

Die neuen Schwerpunkte

Gemeinsame Themen

Bewertung der neuen Themen

Und jetzt?

Anmerkungen

Anmerkung I: Alle hier aufzufindenden Gedanken, Impulse und Interpretationen sind, wie eine besondere Sicht auf den Stoff. Der Autor ist Gymnasiallehrer für das Fach Deutsch, hat also ein Germanistikstudium hinter sich, das mit einem Staatsexamen beendet wurde, ist aber weder promovierter Doktor noch Professor der Literaturwissenschaft. Das, was hier geschrieben steht, ist also ohne Gewähr und sollte mit Vorsicht genossen werden. Der Vorteil mag sein, dass bei Schwierigkeiten in den Kommentaren nachgefragt werden kann. Das ist bei Lektürehilfen weniger der Fall. Trotzdem ist der hier gewählte Fokus auf den Text immer nachzuprüfen. Bei offenen Fragen sollte vor einer so wichtigen Prüfung wie dem Abitur immer der jeweilige Lehrer hinzugezogen werden.

Anmerkung II: Was dieser Artikel und Lektürehilfen gemein haben, ist, dass sie die eigenständige Arbeit am Roman nicht ersetzen. Was offensichtlich erscheint, ist es ganz und gar nicht. Denn für eine hohe Punktzahl im Abitur, reicht es eben nicht, dass man Interpretationsansätze herunterbeten kann, ganz im Gegenteil: Als Erst- und Zweikorrektor ist es ein Leichtes zu sehen, an welchen Stellen stupide auswendig gelernte Passagen aneinandergereiht werden, anstatt die Interpretation aus dem vorliegenden Textmaterial zu kreieren. Das bedeutet, dass sowohl Lektürehilfen als auch diese vorliegende Interpretation nur Impulse sein können, die letztlich am Text überprüft werden müssen.

Wie man ein Textstück sinnvoll einbettet – d.h. so zitiert, dass es den analytischen Anforderungen gerecht wird – kann man in dem hier verlinkten Youtube-Video ansehen. Es geht zwar um eine andere Lektüre, aber die Schritte bleiben gleich.

Die neuen Schwerpunkte

Obwohl bei den Schwerpunktthemen seit jeher darauf geachtet wurde, dass die ausgewählte Literatur Leuchttürme der deutschen Literatur sind, ist die Auswahl für Schülerinnen und Schüler ab dem Abiturjahrgang 2019 eine ganz besondere.

Denn

Johann Wolfgang von Goethes “Faust. Der Tragödie erster Teil” (Tragödie, 1808)

E.T.A Hoffmanns “Der goldene Topf” (romantische Novelle, 1814)

und

Hermann Hesses “Der Steppenwolf” (Roman, 1927)

sind mehr als bloß herausragende Werke: Man kann wohl mit gutem Recht sagen, dass sie für ganze (Literatur-)Epochen stehen, in denen sie geschaffen wurden. Mehr noch: Nicht nur handelt es sich bei E.T.A. Hoffmann um den Vertreter der Spätromantik; Goethe selbst, dessen Faust ihn vom Beginn seiner Schaffenszeit bis hin zu seinem Tod begleitete und sein Hauptwerk ist, sah sich als Repräsentant einer ganzer Epoche, die von der Französischen Revolution bis zum Hambacher Fest reichte. Es ist wohl nicht zu weit gedacht, wenn man annimmt, dass Hermann Hesses “Steppenwolf”, dessen Erstellung von einer Schaffens- und Sinnkrise des Autors maßgeblich beeinflusst wurde, für den Literaturnobelpreis des Autors mitverantwortlich ist.

Damit stellt diese Auswahl eine große Herausforderung dar, wie sie, so könnte man meinen, schon lange nicht mehr zu bewältigen war –   zumindest wenn man bis hinein in das Abiturjahr 2003 blickt, in dem die Werke gleichsam anspruchsvoll und tiefgründig, repräsentativ und fordernd waren.

Übertextliche Themen

Auch im Abitur 2019 wird es wieder verschiedene Aufgaben zur Auswahl geben. So ist beispielsweise die Texterörterung (hier einige Schülerbeispiele) als auch die Interpretation von Kurzprosa (also Kurzgeschichten oder Parabeln) oder die Interpretation von Lyrik zu einem bestimmten Schwerpunkt (2009-2014: Liebeslyrik, 2014 bis 2020 Naturlyrik) und nicht zuletzt der Essay immer eine Alternative.

Die letzten Abiturjahre haben jedoch gezeigt, dass sich der sogenannte “Werkvergleich” als für die meisten Schülerinnen und Schüler geeigneter Schwerpunkt herausstellte. Dies lag und liegt wohl am meisten daran, dass man, fernab vom Lernen der fachsprachlichen und methodischen Begriffe auch als jemand, dem das Fach Deutsch nicht liegt, das Gefühl haben kann, etwas zu lernen (indem man beispielsweise Interpretationen und Schülerhilfen paukt).

Die Aufgaben diesbezüglich richten sich immer nach den in allen Werken vorzufindenden Themen, Weltanschauungen oder Konflikten.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit kann an dieser Stelle vermutet werden, welche Themen dies für die drei Werke sein könnten.

1. Das menschliche Streben nach Erfüllung

2. Das Individuum zwischen bürgerlicher und mystischer Welt

3. Existentielle Gefahren für das Individuum

4. Liebschaften im Spannungsfeld von Verbot und Gebot

5. Religion, Mythos und rationales Denken

6. Intertextualität

7. Lebenskrisen

8. Sprachliche Tiefendimensionen

9. Außenseiter

All diese Themen lassen sich auf die eine oder die andere Weise in allen Werken verorten und spielen eine mal mehr, mal weniger prominente Rolle. Während beispielsweise im “Faust” das Streben nach mehr Wissen in der dunklen Gelehrtenkammer seine Grenze findet und den belesenen Gelehrten in die Bereiche des Geistes führt, ist in Hesses “Steppenwolf” das Ich gespalten zwischen der Anziehung des bürgerlich-geordneten Lebens und dem unkontrollierbaren Trieb des Unterbewusstseins.

Die Figuren der drei Werke wandeln immer wieder zwischen Traumwelten, die in die Realität hineinreichen. Dies bedeutet für sie existentielle Gefahr (durch Zauberei im “Goldenen Top”, durch den Teufel im “Faust” oder durch den Wahnsinn im “Steppenwolf”).

Die menschliche Suche nach Halt, um dem Wahnsinn, der Suche nach Erfüllung oder dem Traum eines erfüllten Lebens näher zu kommen, mündet in Konflikten mit der Religion, Mythen oder dem bürgerlichen Leben.

Allen drei Ganzschriften ist gemein, dass sie neben einer inhaltlichen Handlungsstruktur eine sprachliche Tiefendimension haben, die sich im bloßen Entziffern einzelner sprachlicher Besonderheiten nicht erschöpft. Vielmehr geht es allen Autoren auf ihre Weise darum, nicht nur die Äußerlichkeit des Menschen und seines Handelns als Teil einer veränderten Gesellschaft auszudrücken, sondern auch seinen seelischen Bedingtheiten, Zwängen und Wünschen auf den Grund zu gehen. Dies gilt sowohl für die schon erwähnte Suche nach geistig-religiöser Erfüllung als in dem Versuch, durch romantische, erotische oder geistige Beziehungen den Hunger nach Erfüllung zu stillen.

Die Werke haben also durchaus thematische Schwerpunkte. Mehr noch: Hermann Hesses “Steppenwolf” bezieht sich an einigen Stellen sehr explizit auf Goethe und den “Faust”.

Bewertung der neuen Themen

Einer der Gründe, warum dieser Artikel schon jetzt erscheint, ist zu erklären in der ersten Reaktion auf die Textauswahl, die man am besten als freudigen Schock bezeichnen kann. Freudig deshalb, weil es sich bei den Texten um Arbeiten handelt, die viele Menschen lieben, die Freude am Lesen und an herausfordernden Themen haben. Schock auf der anderen Seite deshalb, weil die Auswahl zunächst (und das sagt jemand, der noch nicht alles davon unterrichtet hat) sehr ambitioniert scheint.

Kurz: Keinem dieser Texte kann man “mal eben” begegnen. Jeder dieser Texte ist auf seine Weise anspruchsvoll und herausfordernd. Alleine die historischen Besonderheiten der Sprache bilden keine nicht zu unterschätzende Schwierigkeit. Des Weiteren sind die schon zuvor angesprochenen Tiefendimensionen nicht einfach “übersetzbar”, sondern verlangen eine intensive Auseinandersetzung.

Und jetzt?

Dieser Artikel ist nicht zuletzt für diejenigen gedacht, die sich schon im Vorhinein Gedanken über ihr Abitur machen. Wie bereits erwähnt schlägt der “freudige Schock” auch ein wenig in Besorgnis um.

Das achtjährige Gymnasium ist zu bewältigen, klar. Jedoch zeigen sich gerade im Fach Deutsch immer wieder Defizite, die in den letzten beiden Schuljahren nicht mehr aufgeholt werden können, da sie auf konstanter Arbeit beruhen.

Dass die neuen Themen und Inhalte nun so herausfordernd sind, macht es noch unwahrscheinlicher, dass genug Zeit dafür sein wird, methodisches Arbeiten, Fachsprache wie rhetorische Mittel, Wort- und Satzarten und genrespezifisches Vokabular zu lernen. Von richtiger Schreibung und Grammatik einmal ganz abgesehen.

All diese Dinge müssten also theoretisch entweder gekonnt, schnell wiederholt oder nachgearbeitet werden.

Hier eine (unvollständige) Liste mit Tipps für die Vorbereitung.

  1. Konsequent Rechtschreibung üben (wie das gut geht, steht hier). Das beinhaltet, sich die Rechtschreibung nicht bei WhatsApp abzutrainieren.
  2. Methoden anwenden können, vor allem zitieren
  3. Formale Grundlagen zur Textanalyse und deren Form kennen und anwenden können.
  4. Schreiben üben!

Gerade der letzte Punkt ist durch nichts zu ersetzen. Ein wirklich guter Tipp ist hierbei ein eigener Blog, denn auch das Schreiben zu eigenen Themen, die einen wirklich interessieren, ist ein wichtiger Schritt. Und im besten Fall bewegt man sich im Web und hat ein paar Leser mehr als bloß den Lehrer (Hier ein schönes Beispiel für einen sehr gut gelungenen Blog einer Kursschülerin).

Dieser Beitrag erschien das erste Mal auf dem Blog https://bobblume.de

Direkt zum Blog https://bobblume.de

 

7 Kommentare

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