POLITIK: Generation: Egal

Bob Blume
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27. November 2016
2 Kommentare
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Heutzutage hat man nicht mal mehr die Momente des unangenehmen Small Talks. Auch mit Fremden wird es politisch. Oder ich empfinde alles politisch. Ich weiß es nicht.

Ich stehe auf dem Balkon, irgendwo und spreche mit fremden Menschen – irgendwem. Gerade kam einer raus und hat über Rap geredet. Da bin ich Experte, aber aus einer anderen Zeit. Der andere redete von Kanaken und von Kanaken-Rap. Das war aber die erste Minute auf dem Balkon, da wollte ich nicht den Demokraten raushängen lassen. Genau, Demokraten. Ich empfinde Haltung auch in der Sprache nicht als übermäßig politisch korrekt, sondern als Bestandteil dessen, als was ich mich sehe.

Dann eine für mich überraschende Wendung. Jemand hat mitbekommen, dass ich, nennen wir es liberal eingestellt bin. Er schaut mich verschwörerisch an, schließt die Balkontür. Drinnen halt deutscher Schlager. Er schaut mich an und raunt: Er sei auch Demokrat, war den Piraten zugewandt. Ich möchte ihm in die Arme fallen und reflektiere sogleich, wie unsinnig das ist. Demokraten in einer Demokratie. 2016. Ein Witz. Gerade beschloss ich diese tatsächliche Geschichte als kleine Anekdote vor den wahrscheinlich einzigen Beitrag meiner Blogparade zur Demokratie zu nutzen. Ich beantworte die Fragen zu meiner Blogparade. Ist das nicht traurig?

Twitter ist voll von Blogparaden. Ich machte früher viel mit, schrieb übers Schreiben und über Homeoffice und alles, was noch so wichtig ist, wenn man, wie wir alle, um sich selbst kreist. Dieses Mal kreise ich um ein anderes Thema, das nicht viele wirklich interessiert. Ist auch klar, da es ja nur um unsere Gesellschaftsform geht. Vielleicht sollte ich wieder eine Blogparade über die beste App im Klassenzimmer machen. Das geht immer. Oder eine, in der es um die besten Tipps für irgendwas geht. Ist auch egal. Nur nicht so schwer. Nun gut, ihr merkt: Ich schaue euch verschwörerisch an. Ich beantworte nun Matthias’ Fragen.

  1. Wie schafft man die Kehrtwende gegen den zunehmenden Rechtspopulismus?

An dieser Stelle hätte ich gerne etwas von mutigem Engagement gesprochen. Etwas mit kurzfristiger Kraft und langfristigem Engagement für Bildung, Gerechtigkeit und dergleichen. Mache ich aber nicht. Die Antwort ist: Die Menschen werden es erst merken, wenn der Rechtspopulismus direkt in der Wohnung angekommen ist. Direkt. So, dass man etwas nicht mehr sagen darf (genau, so fühlen sich die AfDler. Deshalb gehen sie auf die Straße und wir nicht). Kehrtwende beinhaltet Bewegung. Die meisten von uns haben aber keine Lust, sich zu bewegen. Deshalb schaffen wir nicht mal eine Viertelwende. Wir sind eingepennt und werden erst aufwachen, wenn uns jemand auf den Kopf hämmert.

  1. Warum bestimmen die Rechtspopulisten die wahlentscheidenden Themen?

Das ist eine einfache Frage: Weil sie es können. Die Strategie dazu ist auch nicht wirklich schwer. Man erzeuge Angst (mit Anklängen an die Wahrheit), generiere sich um einzig wahren Gegner dieser Angst, sorge für Immunität bei seinen Anhängern und habe einfache Antworten.

Populismus ist nichts weiter als überzeugende Schlichtheit, der diejenigen, die von ihr überzeugt sind, ernst nimmt. Das wir uns nicht falsch verstehen: Es gibt auch richtig intelligente Populisten, Demagogen und den rechten Nachwuchs. Die sind aber in Aktion und wir... (siehe Kehrtwende).

  1. Wie gewinnt man mit Fakten Wahlen?

Fakten? Fakten gibt es nicht mehr. Es gibt für jede These, die man haben kann, einen, der sie belegt. Das ist die unendliche Weite des Netzes. Und da wir darüber nicht in den Schulen reden und sogar der Repräsentant des Lehrerbundes nicht kapiert, dass dies unserer Demokratie schadet, wird es auch nicht besser. Gefühle bestimmen alles. Das Problem ist: Wenn man zu lange mit Idioten redet, ziehen sie einen auf ihr Niveau herunter und schlagen einen dann mit Erfahrung. Ja, bitter.

  1. Wie bricht man die Hegemonie der organisierten Rechten in sozialen Medien?

Haben die Rechten denn die Hegemonie? Bis vor drei, vier Jahren haben wir es uns doch ganz gemütlich gemacht in unserer Ideologie, die wir nicht als Ideologie sehen. Leider gilt auch hier: Es hat etwas mit Bewegung zu tun. Wir müssten uns mit politischen Inhalten befassen, wir müssten uns mit Aufmerksamkeitsökonomie befassen, wir müssten uns mit Youtube befassen, mit Instagram, mit viralen Videos und dann wieder mit Inhalten. Wir müssten eigentlich „nur“ Demokratie cool machen. Klar? Aber die Bewegung, die Bewegung. Wir sind einfach zu faul! Aber keine Sorge: Die Rechten wissen das. Und so wird es mehr werden, viel mehr. Und irgendwann ist es in unseren Wohnzimmern und dann denken wir über alles nochmal nach, als würde es uns dann sorgen.

  1. Wie verankert man langfristig und nachhaltig liberale Gedanken in der Bevölkerung?

Was ist denn ein liberaler Gedanke? Lasse jeden leben, wie er leben möchte? Ist schon geil, wenn das jemand hört, der mit 900 € im Monat leben muss, während er uns per Expressbrief das MacBook sendet. Geiler Gedanke! Liberal.

  1. Wie schützt man Minderheiten vor Angriffen und politischem Missbrauch in Wahlkämpfen?

Indem der Staat sein Gewaltenmonopol ernst nimmt. Ist eigentlich nicht so schwer. Außer vielleicht bei der sächsischen Polizei.

  1. Wie begeistert man eine Gesellschaft für differenzierte Debatten?

Indem man selbst wieder an welchen teilnimmt, mit Geduld für die Meinung des anderen, ohne Missionierungsdrang, ohne Arroganz, ohne Ignoranz, ohne elitäre Haltung. Allerdings: Dafür müsste man sich überhaupt erstmal regen. Ich verweise gerne nochmal auf die Nummer 1.

  1. Wie versieht man liberale Werte mit einer neuen Attraktivität / Anziehung?

Genau das ist die richtige, die wichtige Frage. Vielleicht mir nackten Frauen. Sex-Sells! Oder Heimatliebe sells auch. Vielleicht nackte, blonde, heimatliebende Frauen. Und Männer. Wegen dem Gender-Aspekt.

Ne, mal ehrlich. Wir unterwerfen alles der Aufmerksamkeitsökonomie. Also müssen wir entweder wirklich Teil dieser werden oder eine Nachhaltigkeitsökonomie dagegen stellen. Das Wort ist doch schon scheiße. Und mal ehrlich: Wer sollte das machen?

  1. Wie bindet man Menschen an demokratische Institutionen, wie Parteien oder Vereine?

Man verbindet niemanden. Menschen verbinden sich. Sie sind der Agens. Das ist ja das Problem. Sie verbinden sich doch. Halt mit der AfD – aber sie tun es.

  1. Warum schenken wir den Wahlforschungsinstituten mehr Glauben, als den Gefühlen, die viele äußern und der offensichtlichen Kräfteverschiebung im Netz?

Weil die meisten von uns, die an den Stellen sitzen, wo es Bewegung von oben geben könnte, es noch gar nicht raffen. Die verstehen nicht, dass das Netz nicht nur ein Hohlspiegel für lustige „Netzreaktionen“ ist. Die wissen das wirklich nicht. Die denken immer noch, dass „das Netz“ sowas wie eine zweite Zeitung ist.

Die Zeitungen wissen das, aber machen damit Auflage.

Die Lehrer wissen das meistens nicht.

Die Politiker wissen das auch nicht so wirklich.

Gefühle. Statistiken. Egal.

Ich habe jetzt mal ein paar Fragen beantwortet und fühle mich wieder wie ein richtiger Demokrat. Vielleicht liest das hier jemand bis zu Ende. Ist unwahrscheinlich, weil das auch schon Kraft kostet. Egal. Generation: Egal!

 

2 comments on “POLITIK: Generation: Egal”

  1. Vielleicht liegt es an der schwindenden Aufmerksamkeit, die sich bei längeren Texten ja angeblich bemerkbar macht, aber ich habe mit den Ausführungen zu Punkte 10 so meine Verständnisachwieroigkeiten.
    Könntest du das bitte nochmal ausführen?

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