"Momentan ist das datenschutztechnisch nicht möglich." und "nicht empfohlen" passen nicht zueinander.
Seitdem ChatGPT diskutiert wird, habe ich auf unterschiedlichen Portalen und in unterschiedlicher Weise darauf hingewiesen, wie die künstliche Intelligenz das Bildungssystem auf den Kopf stellen kann. Und wenngleich ich mich mit dem Nutzen von ChatGPT im Unterricht befasst habe, waren meine praktischen Beispiele eher spärlich. An dieser Stelle möchte ich anhand eines konkret durchgeführten Beispiels einen Ansatz zeigen, wie ChatGPT im Unterricht genutzt werden kann. Am Ende des Artikels gibt es ein FAQ zu häufig gestellten Fragen oder jenen, die ich antizipiere.
Ein Hinweis in eigener Sache: Am 30.3. findet um 19 Uhr bei den digitalen Helden ein Webinar zu ChatGPT statt, bei dem ich über Nutzung, Wirkung und Folgen spreche. Trotz bisher 3500 Anmeldungen (sowohl für das Live-Webinar als auch seine spätere Ausstrahlung) sind noch Plätze frei.
Im Baden-Württembergischen Bildungsplan für das allgemeinbildende Gymnasium wird in den Bildungsstandards im Fach Deutsch für die 6. Klasse der Bericht angegeben (siehe hier, ganz unten). Der Bericht selbst wird in allen Schularten durchgeführt. Für die Art und Weise des Berichts, dessen Kategorien die Schülerinnen und Schüler dazu anhalten sollen, sich auf Grundlage mehrerer Perspektiven auf das Wesentliche zu reduzieren, sachlich und nüchtern zu schreiben und die W-Fragen zu beantworten, nutzen viele Schulbücher den Unfallbericht. Unfälle basieren zwar meist auf unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten oder Zeugen, bestehen aber im Wesentlichen auf einem Ereignis, das sich mit dem Bericht (der als pseudo-authentische Situation ein Polizeibericht sein kann) abbilden lässt.
Meine erste Überlegung, die Schülerinnen und Schüler über gemeinsame FIFA 21-Partien schreiben zu lassen, habe ich aus diesem Grund wieder verworfen. Zu schwierig ist es doch, die vielen und dynamischen unterschiedlichen Ereignisse eines Fußballspiels alle zu erfassen und dann in einen Bericht zu schreiben, der, anders als der Unfallbericht, auch noch eigene Schwerpunkte setzen soll.
Wie aber kann man das Thema mit einfachen Mitteln dennoch so gestalten, dass es für die Schülerinnen und Schüler interessant ist? Hier setzte unsere gemeinsame Nutzung von ChatGPT an.
das Dialogsystem wird in einer Weise genutzt, die die Möglichkeiten der Interaktion komplett ausnutzt
Die Idee war es, ChatGPT auf der Grundlage eines Megaprompts einen Unfall entstehen zu lassen, dessen wahrer Fortgang aber noch nicht aufgelöst ist.
Ein Megaprompt (also quasi eine umfangreiche Befehlseingabe) kann man sich als einen Befehl für ChatGPT vorstellen, in dem nicht nur eine einfache Ausgabe gefordert wird, sondern in dem verschiedene Parameter festgelegt werden. Hauke Pöhlert gibt in einem seiner umfangreichen Artikel dazu folgende Beispiele an:
Der Promt selbst sah folgendermaßen aus:
Wir sind im Deutschunterricht und schreiben Berichte über Unfälle. Bitte überlege dir einen Unfall mit zwei Teilnehmern und einem Zeugen. Bei dem Unfall auf der Kreuzung einer Landstraße soll ein LKW beteiligt gewesen sein und eine rote Ampel. Keiner wird schwer verletzt.
Erkläre nicht, wie genau der Unfall abgelaufen ist, sondern schreibe die verschiedenen Versionen der Beteiligten auf. Gib den Beteiligten Namen, Alter und Wohnort. Lass zu, dass wir als Klasse, den Beteiligten Fragen stellen können, als wären wir die Polizisten, die den Unfallbericht schreiben. Lass die Beteiligten aus ihrer Perspektive antworten. Lass sie aber nicht lügen, sondern lass sie die Wahrheit sagen, wenn wir diese herausgefunden haben.
Mit anderen Worten: ChatGPT wird nicht nur zu einem Tool, dass einen neuen Kontext erstellt (auch das ist sinnvoll und nützlich, zum Beispiel wenn man mit Schülerinnen und Schülern Geschichten, Märchen, Fabeln oder weitere kurze Texte nach einem Schema analysieren möchte. Die Aufgabenstellung könnte sein zu beurteilen, ob die Version von ChatGPT sinnvoll ist).
Sondern das Dialogsystem wird eben in einer Weise genutzt, die die Möglichkeiten der Interaktion komplett ausnutzt.
Damit wird der eigentlichen Aufgabe eine ganz neue Dimension hinzugefügt. Denn der Bericht basiert nun nicht mehr nur, wie im Buch, auf drei Aussagen, die nur von Emotionen gereinigt werden müssen. Sondern durch die Befragung der einzelnen Zeugen muss zunächst zu einer Version gekommen werden, die dann in einen Bericht überführt werden kann.
Die Kurzfassung ist: Es funktionierte. Die Schülerinnen und Schüler sammelten Fragen, die wir den unterschiedliche Zeugen geben konnten. Wir kamen den wahren Ereignissen dadurch sehr nah.
Zeugenbefragung: pic.twitter.com/X2LJYIxWzx
— Nᴇᴛᴢʟᴇʜʀᴇʀ (@blume_bob) March 24, 2023
Da da Zeit knapp wurde, konnten wir aber als Abkürzung nach dem tatsächlichen Ablauf fragen, der dann zusätzlich zu den Zeugenaussagen Grundlage für den Bericht wurde.
Im Grunde genommen kann eine solche Nutzung auf unterschiedlichste Aufgabenarten und für verschiedenste Fächer genutzt werden. Dabei spielen zwei Faktoren eine Rolle, die fruchtbar in den Unterricht integriert werden können:
Die unglaubliche Stärke von ChatGPT liegt ja gerade darin, dass es sich sehr genau an die jeweils vorherrschenden Bedingungen anpassen kann
Wenngleich ich die Ideen, die es nun in Prompt-Sammlungen gibt, interessant finde, glaube ich, dass nichts am eigenen Ausprobieren vorbei führt. Die unglaubliche Stärke von ChatGPT liegt ja gerade darin, dass es sich sehr genau an die jeweils vorherrschenden Bedingungen anpassen kann, also beispielsweise
Und so weiter. Wenn ich also gefragt würde, in welchem Fach und welcher Stufe solche Mega-Prompts genutzt werden können, würde ich momentan sagen: In allen!
Die Möglichkeiten von ChatGPT, die fernab von Täuschung und oberflächlicher Nutzung liegen, in der es "nur" um schnelle und effiziente Antworten gibt, werden erst nach und nach deutlich werden. Schon jetzt zeigt sich aber das Potenzial von intelligenten Tutorsystemen, in denen die Lernenden auf unterschiedlichen Niveaus und auf unterschiedliche Art lernen können.
Schon auf Twitter zeichneten sich einige Fragen ab, die ich an dieser Stelle kurz beantworten möchte.
Nein, nur ich hatte das Programm. In der Tat könnte man eine solche Nutzung frontal nennen, aber die Schülerorientierung findet ja auch vor, nach und während der Nutzung statt.
Momentan ist das datenschutztechnisch in einem Graubereich. Zwar haben, soweit mir bekannt ist, noch nicht alle Länder entsprechende Verordnungen oder Handreichungen geschrieben. Aber in dem Leitfaden des Landes NRW heißt es konkret:
"Die Nutzung von ChatGPT im Unterricht mit eigenen Geräten der Schülerinnen und Schüler bzw. über eigene Accounts/E-Mail-Adressen kann angesichts der aktuellen Sach- und Rechtslage (gerade mit Blick auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben) nicht empfohlen werden."
Ja. Möglich ist eine Nutzung über die kostenlose Version, allerdings ist diese nicht immer verfügbar. Ich nutze mittlerweile die Bezahlversion.
Ja, und das ist gut so. Denn es handelt sich um eine Entwicklung, die nicht wieder weggeht und die in den Schulen genutzt und reflektiert werden sollte.
In der Sendung Markus Lanz vom 9. März 2023 ging es um ChatGPT und seine Bedeutung in der Schule. Weiterführende Fragen wurden hier diskutiert.
"Momentan ist das datenschutztechnisch nicht möglich." und "nicht empfohlen" passen nicht zueinander.
Guter Punkt, wird verändert.
[…] Unterrichtsbeispiel, das verallgemeinert werden kann. #twlz bobblume.de/2023/03/25/unt… […]
[…] UNTERRICHT: ChatGPT als interaktiver Lernpartner […]
[…] wie 2023.“ Nun könnte man die Entwicklung von KI, zumal wenn sie dafür genutzt werden kann, individuelles Lernen zu ermöglichen durchaus sinnvoll finden. Und in der Tat gibt es nicht wenige Expertinnen und […]
[…] Blume, Bob: UNTERRICHT: Chat GPT als interaktiver Lernpartner, 25.03.2023: https://bobblume.de/2023/03/25/unterricht-chatgpt-als-interaktiver-lernpartner/ […]