Dass die Kommentarspalte in Foren oder auf Social-Media der Ort ist, an dem unreflektierte Menschen ohne Hemmungen ihre Unzufriedenheit loswerden, ist längst keine Neuigkeit mehr. Der Umgang lässt zu wünschen übrig, das weiß jeder, der oder die im Netz unterwegs ist. Gesteigert werden kann dies nur, wenn die die Reichweite größer ist oder man eine Frau ist. Oder eine Frau mit großer Reichweite (weshalb ich Accounts wie @wastarasagt so wichtig finde, das aber nur am Rande). Liest man als Lehrperson die Kommentare unter Beiträgen über den Beruf, scheinen sie immer denselben Mustern zu gehorchen. Meistens sind die Kommentare auf unterschiedliche Arten falsch. Eine Einordnung.
Ausgangslage
Da postet der Instagram-Account von Deutschlandfunk Kultur Informationen über die Situation der Grundschullehrkräfte in Deutschland. Sie erzählen, warum der gravierende Lehrermangel auch daher kommt, dass der Beruf unattraktiv geworden ist.
Grundschullehrerinnen berichten über fehlende Wertschätzung, die üblichen Klischees, darüber, dass viele andere Jobs gemacht werden müssen, für die man nicht ausgebildet ist, nicht zusätzlich bezahlt wird und für die es kein Zeitkontingent gibt.
Die Kommentare sind unter diesem Beitrag so, wie nicht anders zu erwarten war: Standardsituationen der Lehrerkritik. Die Argumente:
"Lehrer verdienen doch genug."
Es stimmt: Im internationalen Vergleich verdienen Lehrer sehr gut. Deutschland ist auf Platz 3 der Lehrergehälter. Das lässt übrigens die Idee eines monetären Bonus für Lehrkräfte, wie ihn jüngst die Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger formulierte, auf tönernen Füßen stehen. Der Punkt ist aber ein anderer: Hier geht es um Grundschullehrkräfte, die bundesweit meist immer noch weniger verdienen als ihre Kolleginnen und Kollegen anderer Schulformen.
Grundsätzlich müsste man also antworten: Ja, Lehrerinnen und Lehrer verdienen gut, aber erstens trifft das, wie gezeigt, nicht auf alle zu (und von angestellten Lehrkräften haben wir gar nicht gesprochen) und zweitens kann der Verdienst nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Bedingungen im gesamten Bildungssystem trotzdem katastrophal sind.
"Lehrer haben viel Freizeit."
Nein, haben sie nicht. Ich habe an anderer Stelle schon Vermutungen darüber angestellt, warum sich dieses Vorurteil immer noch so hartnäckig hält:
"Es gibt schlicht keinen Beruf, an dem so viele Menschen so viele Jahre live teilhaben, zumindest eben an Teilen des Berufes. Die daraus entstehende Teilerfahrung, die jeder für sich als eine absolute Wahrheit empfinden kann, kennen vielleicht am ehesten Journalistinnen und Journalisten, sowie und Politikerinnen und Politiker."
Die Wahrheit ist eine andere: Nämlich meist eine 50-Stunden-Woche und Arbeit auch am Wochenende und abends.
"Die Arbeit kann doch frei gestaltet werden."
Kommt drauf an, welche Arbeit man meint. Auf Unterrichtsvorbereitung trifft das vielleicht zu, aber was ist mit den anderen Arbeiten. Ich zitiere nochmal:
"Konferenzen, Dienstbesprechungen, Kooperationszeiten, Sitzungen von Arbeitsgruppen, Vertretungsstunden, von der GLK beschlossene Aktivitäten, pädagogische Tage, Schulfeste, Elternsprechstunden, Konfliktmanagement – all das sind Dinge, die weder im Deputat noch in einer Wochenarbeitszeit abgebildet werden."
Die Wahrheit ist, dass das Fenster der freien Verfügung nicht so groß ist, wie sich das manche denken.
"Obacht bei der Berufswahl."
Wer das schreibt, versteht das Problem nicht! Punkt! Denn es geht bei dem und vielen anderen Posts, in denen die Bedingungen im Bildungssystem angeprangert werden, eben nicht darum, am eigenen, persönlichen Schicksal zu hadern. Das Gegenteil ist der Fall und ich schreibe das mal in Großbuchstaben:
DIE LEHRKRÄFTE BESCHWEREN SICH NICHT, WEIL SIE DEN FALSCHEN BERUF HABEN, SONDERN WEIL SIE DEN RICHTIGEN BERUF HABEN, DIESEN ABER IMMER WENIGER AUSÜBEN KÖNNEN!
So schwer kann es eigentlich nicht sein, das zu verstehen.
"Warum wird nur über die Lehrkräfte geredet, nicht über X?"
Weil wir hier ein riesiges Problem haben. Das haben wir auch in anderen Bereichen, die auch noch drankommen. Warte einfach ab, Egon, bis dein Thema dran kommt und versuche so lange, dir dein Whataboutism zu sparen, ja? Danke!
"[Ergänzen Sie abwertende Meinungen]"
Neben den hier aufgeführten Punkten gibt es natürlich noch deutlich mehr Kommentare, die so abwertend und teilweise abscheulich sind, dass man sie gar nicht aufführen will. Leider muss man sagen, dass dies aber wohl ein Standard ist, bei dem es nicht nur um Lehrkräfte geht.
Manchmal fragt man sich tatsächlich, ob es nicht ein paar Menschen gibt, die nochmal in die Schule zurück sollten; allein, um nochmals Umgangsformen zu erlernen.