SERIEN: Wie Technologie unseren Geist manipuliert (V-VII)

Bob Blume
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30. Juli 2018
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Um die Übersetzungsserie nicht endlos in die Länge zu ziehen, werden die "Entführungen" 5-7 an dieser Stelle zusammen gepostet. Wie immer hatte ich bei der Übersetzung (wieder Mal) einige Erkenntnisse, obwohl ich den Text nun schon des Öfteren gelesen habe. Geplant ist, die letzten drei "Entführungen" mitsamt einer PDF zu posten, die die Übersetzung des Gesamtartikels beinhaltet. Dort werden die Anmerkungen dann nicht unterbrechen, sondern als Fußnoten am Ende eingebettet sein. Und nun übergebe ich wieder das Wort an Tristan Harris. 

Wie Technologie unseren Geist manipuliert

5. Entführung: Soziale Gegenseitigkeit

  • Du tust mir einen Gefallen – ich schulde dir nächstes Mal was
  • Du sagst “danke” – ich muss sagen “bitte”
  • Du sendest mir eine Mail – es wäre grob, wenn ich mich nicht zurückmelde
  • Du folgst mir – es wäre grob, nicht zurück zu folgen (vor allem für Jugendliche)

Wir sind verwundbar, indem wir die Gesten der Gegenseitigkeit von anderen brauchen. Allerdings manipulieren Technologieunternehmen diese Gesten.

In manchen Fällen passiert das zufällig. E-Mails und Textnachrichten-Apps sind Orte sozialer Gegenseitigkeit. Aber in anderen Fällen nutzen die Firmen die Verwundbarkeit gegenüber sozialer Gegenseitigkeit aus.

LinkedIn nutzt das am offensichtlichsten aus. LinkedIn will, dass so viele Leute wie möglich soziale Verpflichtungen eingehen (dadurch, dass man eine Verbindung eingeht, auf eine Nachricht reagiert oder jemanden aufgrund einer Fähigkeit gutheißt), weil sie jedes Mal, wenn sie dies tun, zurück auf die Plattform gehen und dort mehr Zeit verbringen müssen.

Sowie Facebook nutzt LinkedIn die Asymmetrie der Wahrnehmung aus. Wenn du eine Nachricht empfängst, dass sich jemand mit dir verbinden will, denkst du, dass diese Person eine bewusste Entscheidung getroffen hat, sich mit dir zu verbinden. In Wirklichkeit haben sie nur auf eine von LinkedIn vorgeschlagene Liste reagiert. In anderen Worten: LinkedIn verändert deine unbewussten Entscheidungen (eine Person hinzuzufügen) in eine soziale Pflicht, von der sich viele Millionen verpflichtet fühlen. Und währenddessen profitieren sie davon, dass die Leute Zeit damit verbringen, dies zu tun.

Stell dir vor, dass Millionen von Leuten werden jeden Tag dadurch unterbrochen werden und rumrennen, wie Hühner, denen man den Kopf abgeschlagen haben. Alles dadurch, dass Unternehmen es so designed haben, dass sie davon profitieren.

Willkommen zu Social Media.

Stell dir vor, dass Technologieunternehmen die Verantwortung dafür hätten, die soziale Gegenseitigkeit zu minimieren. Oder dass es eine unabhängige Organisation gäbe, die das Interesse der Öffentlichkeit vertreten würden. Eine, die überprüfen würde, ob die Unternehmen diese Tendenzen ausnutzen.

6. Entführung: Fässer ohne Boden, unendliche Feeds und Autoplay

Ein weiterer Weg, Leute zu manipulieren, besteht darin, sie dazu zu veranlassen, weiter zu essen, auch wenn sie nicht mehr hungrig sind.

Wie? Einfach. Nimm eine Erfahrung, die Grenzen hatte und endlich war und verwandle sie in einen endlosen Flow der immer weiter geht.

Professor Brian Wansink (Cornell) verdeutlichte dies in einer Studie, die zeigte, dass man Leute dazu verführen kann, weiter Suppe zu essen, indem man ihnen eine Schüssel ohne Boden gab, die sich automatisch auffüllte. Mit diesen bodenlosen Schüsseln essen die Menschen 73 % mehr Kalorien als mit den normalen Schüsseln und unterschätzten die Kalorienanzahl, die sie aßen, um 140 Kalorien.

Tech-Unternehmen nutzen dasselbe Prinzip aus. News-Feeds sind gewollt so designed, dass sie automatisch gefüllt werden, sodass du einen Grund hast, weiterzuscrollen. Sie radieren jeden Grund dafür aus, dass du eine Pause macht, nachdenkst oder das Netzwerk verlässt.

Das ist auch der Grund, warum Social-Media-Sites wie Netflix, Youtube oder Facebook das nächste Video nach einem Countdown automatisch laufen lassen, anstatt darauf zu warten, dass du eine bewusste Entscheidung triffst (falls du es nicht tun wirst). Eine riesige Portion traffic (Verkehr, im Sinne von Besuchern der Seiten, A.d.A.) wird durch dieses Autoplay erzeugt.

Tech-Kompanien behaupten oftmals dass sie es „nur einfacher für den Nutzer machen, die Videos anzuschauen, die die Kunden ansehen wollen“, während sie eigentlich den Interessen ihres Business nutzen. Und du kannst ihnen nicht die Schule geben, denn die dort verbrachte Zeit ist die Währung, um die sie alle kämpfen.

Stell dir stattdessen vor, dass Tech-Unternehmen dich dazu befähigen würden, dass du deiner Erfahrung bewusste Grenzen setzt, um sie in Einklang damit zu bringen, was für dich „gut genutzte Zeit“ ist. Nicht nur Grenzen der Quantität der Zeit, die du nutzt, sondern auch die Qualität der „gut genutzten Zeit“ (Die Phrase „time well spent“ wurde von Harris verwendet; auf dieser baute er eine Non-Profit-Organisation auf, A.d.A.).

7.Entführung: Sofortige Unterbrechungen vs. „respektvolle“ Lieferung

Unternehmen wissen, dass Nachrichten, die die Leute sofort unterbrechen, überzeugender sind, Leute dazu zu bringen, direkt zu antworten als Nachrichten, die asynchron geliefert werden (wie E-Mails oder andere Postfächer).

Wenn sie entscheiden können, werden sie dafür sorgen, dass Facebook Messenger (oder auch WhatsApp, WeChat oder Snapchat) so designed werden, dass sie den Empfänger sofort unterbricht (und eine Chat-Box anzeigt), anstatt zu helfen, dass die User ihre Aufmerksamkeit respektieren.

In anderen Worten: Unterbrechungen sind gut für das Business.

Es ist auch in deren Interesse, das Gefühl der Dringlichkeit und sozialer Gegenseitigkeit zu verstärken. Facebook, zum Beispiel, sagt dem Sender sofort, wann du die Nachricht „gesehen“ hast, anstatt dich entscheiden zu lassen, dass du nicht transparent machst, ob du sie gelesen hast („Jetzt, da du weißt, dass ich die Nachricht gesehen hast, fühle ich mich noch mehr dazu gedrängt, zu antworten.“)

Im Kontrast dazu lässt Apple seine User diese Einstellung respektvoller Weise an und aus schalten.

Das Problem ist, dass die immer häufigeren Unterbrechungen im Namen des Business zu einer allgemeinen Tragödie führt, indem die globale Aufmerksamkeitsspanne ruiniert wird und dazu führt, dass Milliarden Menschen von unnötigen Unterbrechungen gestört werden. Das ist ein riesiges Problem, an dem wir mit allgemeinen Design-Standards arbeiten müssen (möglicherweise als Teil der „gut genutzten Zeit“).

Zu den letzten beiden Folgen.

 

 

 

 

 

 

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