Endlich ist das Referendariat um. Man gehört zu den Glücklichen, die sofort eine Anstellung bekommen haben, und freut sich auf die neue Herausforderung. Aber man ist auch unsicher. Denn obwohl man Erfahrungen mit Klassen, Unterricht und Kollegen gemacht hat, ist man von nun an auf sich allein gestellt. Für diese Zeit ist es sehr sinnvoll, sich an einige Tipps zu halten. 

Kleine Vorrede 

Kürzlich bekam ich eine Anfrage einer Lehrerin, die sagte, dass sie ihr Referendariat erfolgreich überlebt habe und nun mit einem neuen Deputat einsteigen wolle. Ob ich nicht einige Tipps hätte. Dieser Artikel ist der Versuch, diese Tipps zu geben. Sie speisen sich aus einer Erfahrung, auf die ich lieber verzichtet hätte. Denn während für viele junge Lehrer das Referendariat die anstrengendste Zeit des Lebens ist, war es für mich definitiv das erste (halbe) Jahr. Das muss freilich nicht sein, wenn man die Fehler, die ich damals machte, von vornherein vermeidet. Dies kann gelingen, wenn man einige Erkenntnisse mit in sein erstes Jahr nimmt. 

Wie immer sei angemerkt, dass die Erkenntnisse, die hier als Tipps formuliert werden, auf individuellen Erfahrungen beruhen. Beginnt einer oder eine seinen oder ihren Beruf ohne Probleme – um so besser. 

Wer konkrete Handlungsanweisungen für den Start ins Schuljahr braucht, findet dazu hier einen geeigneten Artikel. 

  1. Lehrer und Referendare leben in unterschiedlichen Welten 

Obwohl das Referendariat auf den Lehrerberuf vorbereitet, hat es nur teilweise mit der Realität zu tun. Während man als Referendar geprüft wird, also Sprints einlegt, ist der Beruf ein Marathon. Während man lange Zeit hat, Stunden vorzubereiten, hat man deutlich weniger Zeit. Mehr Klassen. Mehr Organisation. Mehr Verantwortung. Mehr Elternkontakt. Mehr Kollegenkontakt. 

Mit anderen Worten: Wenn man mit einem vollen Deputat versucht, jede einzelne Stunde quasi wie eine Lehrprobenstunde vorzubereiten, überhitzt man innerhalb weniger Wochen. Besser ist es, wenn man versucht, sich realistische Zeiten zu setzen und statt Feuerwerken gut strukturierte Stunden zu planen. 

  1. Im ersten Jahr geht es ums Unterlassen 

So merkwürdig es sich anhört: Im ersten Jahr kommt es darauf an, dass man lernt, Dinge zu unterlassen. Das ist schwierig, weil viele aus dem Referendariat gewohnt waren, so engagiert zu sein, wie es nur eben geht. Nur: Engagement muss sich entwickeln. Außerdem ist genug zu tun. Dinge nicht zu tun, bedeutet, die eigene Arbeit zu relativieren. 

Bis man es schafft zu verstehen, dass eine Klassenarbeit auch mal auf dem Schreibtisch liegen bleiben muss, ohne bearbeitet zu werden, dauert es. Aber je nach Fach MUSS das so sein, da man sonst in eine Spirale aus Arbeit kommt, die es einem kaum ermöglicht, Ruhepausen einzulegen. 

Das ist keine Aufforderung zu schludern. Es geht nur darum, dass man versteht, dass man nicht alles auf einmal machen kann. Und während viele – zu Recht! – das Referendariat als sehr anstrengend empfinden, hat es, im Nachhinein betrachtet, den großen Vorteil, dass man von “Event” zu Event springt (Prüfung, Besuch, Lehrprobe etc.). Diese (anstrengenden) Ereignisse bilden eine Orientierung, die nun wegfällt. 

  1. Mehr Organisation ist weniger Organisation 

Obwohl man im ersten Jahr als Lehrer sowieso schon extrem viel zu tun hat, sollte man so schnell es geht ein Ordnungssystem etablieren. Denn so schafft man eine sehr wichtige Grundlage für die spätere Weiterarbeit. 

Das bedeutet zunächst einmal sehr viel Arbeit. Man organisiert, terminiert, schreibt, notiert und muss vielleicht das eine oder andere wieder verwerfen. Aber es lohnt sich. Denn es bedeutet, dass man den Überblick behält. Und einen Überblick zu haben, vermeidet Stress. 

  1. Die Kinder haben Vorrang 

Im besten Fall kennt man, wenn man beginnt, die Bildungsinhalte. Man hat sich ein Schulcurriculum zugelegt, falls es eines gibt und man fragt Kollegen in Parallelklassen um Rat. Die Inhalte zu verfolgen ist wichtig. Aber noch wichtiger ist es, die Klassen und die Kinder kennenzulernen. 

Dafür hatte man im Referendariat meist wenig Zeit. Nun ist es aber grundlegend, dass man “seine” Schüler kennt, sie ernst nimmt und mit ihnen spricht. Denn erst eine gute Lernatmosphäre ermöglicht alles weitere. Das gilt für die Kommunikation mit der Klasse und die der Kinder untereinander. 

  1. Nicht alles auf einmal 

Natürlich ist es gut zu wissen, wo die Lehrerbibliothek und der Schlüssel für den Allzweckraum ist. Oder zu wissen, wen man ansprechen muss, wo man zu sitzen hat und wie der Code vom Kopierer funktioniert. Aber nochmal: Die Arbeit als Lehrer ist ein Marathon. Man muss nicht in den ersten Wochen alles verstehen. Manches ergibt sich von allein, manches, sobald man jemanden kennt, der schon etwas länger da ist. 

Das hört sich völlig selbstverständlich an. Ist es aber nicht, weil gerade in Zeiten, in denen man sehr viel zu tun hat, die eigenen Wissenslücken sehr schnell als Defizit wahrgenommen werden. 

Eine ganz kleine Liste 

Was kann man in seinem ersten Jahr ganz konkret tun, um nicht das Gefühl zu haben, unvorbereitet zu sein. 

  • Ferien (mit anderen Worten: Es lohnt sich nicht, die Ferien durchzuarbeiten. Zu Beginn des Schuljahrs braucht man Frische, Energie und Gelassenheit). 
  • Planung: Wenn es geht, sollte man alle Termine, die man weiß, eintragen (Ferientage, Feiertage, Veranstaltungen etc.) So kann man sich bei der genaueren Planung des Jahres besser orientieren. 
  • Bildungspläne: Wenn man weiß, was der (ungefähre) Rahmen ist, kann man sich später besser vorbereiten, wenn es um genaue Planung geht. Empfehlenswert ist es, die Strukturierungen jener Verlage anzuschauen, von denen die Schule die Schulbücher bezieht. Natürlich übernimmt man die genaue Struktur dieser Inhalte nicht, aber so hat man zunächst einmal „was in der Hand.“ 
  • Querlesen: Gerade wenn man in der Oberstufe unterrichtet, ist es sicherlich nicht schlecht, ein wenig querzulesen. Denn während man in den unteren Klassen meist sogar dann zurecht kommen würde, wenn man „eine Seite weiter“ ist, fordert der Unterricht ab der 10. Klasse genauere Kenntnis der Inhalte. 
  • Materialien zulegen: Generelle wäre ich vorsichtig damit, mich mit Materialien einzudecken. Aber sich darüber zu informieren, was man brauchen könnte, ist sicherlich nicht verkehrt.

Wie immer noch die Standardempfehlung am Ende: Sich zu vernetzen ist immer gut. Gerade auf Twitter gibt es ein sehr gut funktionierendes Netzwerk von Lehrerinnen und Lehrern, die weiterhelfen. 

Habe ich etwas vergessen? Anregungen, Impulse und Feedback sind wie immer willkommen. 

Ergänzungen

Wegweiser

Dieser Beitrag ist Teil des Buches „Wegweiser Referendariat“, in dem alle wichtigen Blogartikel zum Referendariat vollständig überarbeitet, erweitert und angepasst in einem handlichen Buch auf 200 Seiten gesammelt sind.

Der Lehrer und Schulleiter Jan-Martin Klinge urteilt über das Buch: „Es ist ganz einfach: Wenn Sie dieses Buch lesen, werden Sie ein besserer Lehrer“.

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