ich erinnere mich noch sehr gut an den Tag, an dem ich nach ein paar Wochen im Referendariat und nach mehreren Jahren Universität einen Tag erleben sollte, wie ihn ihr, die Schüler, erlebt. Meine Aufgabe, über die ich schreiben sollte, war es, eine Klasse den ganzen Tag lang zu „verfolgen“, um nachzuvollziehen, wie es ist. Was genau dieses „es“ sein sollte, verstand ich erst hinterher, denn zuvor war es mir rätselhaft, wieso ich etwas tun sollte, was ich doch auch 13 Jahre lang gemacht hatte.
Ich ging also mit einer 8. Klasse mit. Ich erinnere mich an so gut wie nichts mehr vom Unterricht, sondern nur an das Gefühl der immer größer werdenden Überforderung. Klar, ich war nicht „im Stoff“, aber das Hin- und Herlaufen von Klassenraum zu Klassenraum, die unterschiedlichen Lehrer und deren unterschiedlichen Art und Weise, die gänzlich unterschiedlichen Fächer, all das war geradezu überwältigend. Dabei war es ein ganz normaler Schultag.
Dazu kamen die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Lehrer. Ich erinnere mich an einen, der, nachdem die Hausaufgaben von einigen nicht gemacht wurden, genau diese nach vorne holte, um an einer Mathe-Aufgabe zu scheitern (was vorher klar war), nur um dann zu sagen, dass sie versagen werden. Schlimm. Was will ich damit sagen?
Heute, als ein Lehrer, der ein paar Jahre im Beruf ist, vergesse auch ich manchmal, was es heißt, als Schüler von Klasse zu Klasse, von zu Lehrer zu Lehrer, von Fach zu Fach, von Thema zu Thema zu rennen. Immer daran denken zu müssen, was noch zu machen ist, was gemacht wurde und was vielleicht nicht gemacht wurde. Zu wissen, dass von einem erwartet wird, in allem zu bestehen, am besten noch alles ohne Murren auszuführen, sogar Spaß zu haben zu jeder Zeit, in jeder Stunde und Minute.
Im Prinzip erwarten wir Lehrer von euch, dass ihr Universalgenies seid und werdet, dass ihr genauso gut Mathe wie Deutsch könnt, die Biologie vom Kleinsten bis ins Größte versteht, in der Geschichte schwimmt wie ein Fisch im Wasser. Und wenn ihr das nicht tut, dann weisen wir euch zurecht. Natürlich meinen wir es gut, aber wie viel ist gut gemeint und kommt nicht so an. Ich spreche da von beiden Seiten des Ufers.
Deshalb ist es nun, am ersten Ferientag, an der Zeit das zu sagen, was ich ab und zu sage, öfter denke, aber viel zu selten wiederhole: Seid stolz auf euch!
Seid stolz darauf, dass ihr dieses Schuljahr so viele Blätter vollgeschrieben habt, obwohl man euch ständig vorhält, gar nicht mehr zu schreiben. Seid stolz darauf, euch auch in Themen verbissen zu haben, die euch vielleicht nicht interessieren. Seid stolz darauf, dass ihr es in einem Fach, das ihr nicht mögt, eure eigenen Erwartungen zu übertreffen. Und dass ich es bei einem Lehrer geschafft habt, ein Ziel zu erreichen, obwohl ihr ihn überhaupt nicht mögt. Seid stolz darauf, dieses ganze Jahr an so unterschiedlichen und vielfältigen Themen gearbeitet zu haben, dass von 100 Jahren jeder Universalgelehrte vor Neid erblasst wäre. Ihr habt die Ferien verdient.
Natürlich heißt das nicht, dass ihr nun voller Eigenlob die Lorbeeren aufsetzen und nie wieder was tun sollt. Was denkt ihr? Ich bin ja immer noch Lehrer.
Aber diejenigen von euch, die die Schule nicht am ersten Tag zurücklassen, sondern sich noch ganz kurz an all das erinnern, was das Jahr über erlebt wurde, können dies mit einem guten Gefühl tun, dass sie etwas erreicht haben, auf das sie stolz sein können.
Und alle, die die Schule sofort hinter sich lassen natürlich auch.
Und jetzt hört auf, in den Ferien einen Text von einem Lehrer zu lesen. Was sollen denn die anderen von euch denken 😉