Während in Baden-Württemberg die Ferien gerade erst begonnen haben, geht in einigen Bundesländern die Schule bald wieder los. Fest steht dabei nur eins: Nichts ist sicher. Und während man die gesellschaftliche Verantwortung für fehlende Konzepte auf die Lehrpersonen wälzt, fragen sich die Betroffenen, ob und wann mit Konzepten der Kultusminister zu rechnen ist. Ein Kommentar. 

Zum “Leitfaden Homeschooling/ digitaler Fernunterricht”

Beginnen wir mit etwas scheinbar Trivialem, nämlich mit der Frage, was eigentlich ein Konzept ist. Denn womöglich – und das ist ob der letzten paar Monate nicht polemisch oder ironisch zu verstehen – unterscheiden sich ja die Auffassungen davon, was ein Konzept überhaupt ist und was es leisten kann. Der gute alte Brockhaus fasst ein Konzept folgendermaßen zusammen:

Konzept [lateinisch conceptus »das Zusammenfassen«] das, -(e)s/-e, bildungssprachlich: 1) erste Niederschrift, Entwurf eines Schriftstücks; 2) klar umrissener Plan, Programm für ein Vorhaben.

Brockhaus, Konzept (bildungssprachlich). http://brockhaus.de/ecs/enzy/article/konzept-bildungssprachlich

Wenn man sich arg viel Mühe gibt, ist es auch aus Perspektive einer Schule verständlich, dass vonseiten des Landes ein 11-seitiges “Planungspapier” den Anschein eines Konzeptes machen könnte. Dort stehen Dinge wie die “Lernbrücke”, also die Nachhilfestunden für Schüler*innen, die Stoff nachholen. Was passiert, wenn nicht genügend Lehrer*innen in den Ferien die Extrastunden machen, steht dort nicht. Dort steht, dass das Abstandsgebot fällt, dass Singen aber dennoch nicht erlaubt ist, weshalb die Musiklehrer nachvollziehbarer Weise schon eine Petition gestartet haben. Dort steht, dass man im Schulhaus Masken tragen muss, aber nicht im Klassenzimmer und nicht bis zum Bus, dann aber wieder. Dort steht, dass man möglicherweise Hybridunterricht machen soll, dass man sich aber darauf einstellen könne, dass der digitale Fernunterricht wahrscheinlich sei. Oder so.

Nun kann man niemandem in dieser Zeit einen Vorwurf machen, nicht in die Zukunft schauen zu können, zumal so viel in der Schwebe ist. Den Vorwurf, den Lehrerinnen und Lehrer aber erheben ist dieser: All diese Punkte sind Weisungen, Erklärungen oder Aufgaben, aber eben kein Konzept. Und dabei sprechen wir noch nicht einmal von dem zweiten ominösen Wort: Den Rahmenbedingungen.

Bevor das Ganze jetzt zu abstrakt wird, veranschauliche ich einmal, was ich (vielleicht naiver Weise) unter einem Konzept verstehe. Zum Zwecke der Anschauung reicht hier eine einzelne Passage zu einem willkürlich gewählten Thema, das auf jeden Fall wichtig werden wird.

Konzeptpassage fiktive Kultusministerweisung

Punkt 12.4: Audiofeedback 

Audiofeedback hat sich für den digitalen Fernunterricht als wichtiger Bestandteil für die didaktische Arbeit und die Aufrechterhaltung der Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler*in gezeigt. Aus diesem Grund wird es empfohlen.

Das bedeutet für die Schulen:

  • Analyse der Möglichkeiten für Kolleginnen und Kollegen, Audiofeedback zu geben
  • Fortbildung der Kolleginnen und Kollegen in dem Bereich durch einen Verantwortlichen
  • Befragung der Schüler*innen für die Möglichkeit des Abspielens von Audionachrichten
  • Besprechung vom Umgang mit Audiofeedback in einer Medienkompaktwoche zu Beginn des Schuljahrs

Rahmenbedingungen:

  • Um Nachhaltigkeit zu gewährleisten, erhalten jene Kolleginnen und Kollegen, die die Fortbildungen halten, eine zusätzliche Deputatsstunde
  • Die Schulen werden angehalten stattgefundene Fortbildungen in einem Mediencurriculum festzuhalten
  • Eine Befragung der Schülerinnen und Schüler soll ergeben, inwiefern sie die technischen Voraussetzungen haben, um ein solches Feedback aufzunehmen.

Fortbildung ZSL:

  • Sollten die Schulen bisher keine Erfahrungen in dem Bereich gemacht haben, wird unter der Fortbildungsnummer “Utopia 2020” eine Fortbildung für die Multiplikatoren angeboten.
  • Ansprechpartner: Für Rückfragen schreiben Sie eine Mail an verantwortlicher@kumi.de oder sprechen Sie mit einem der vielen Experten, die wir hierzu hinzugezogen haben, um ihnen die bestmöglichen Leitlinien zu geben.

So viel zu einer Passage.

Ist das viel? Ja, das ist viel. Aber es hätte gemacht werden können. Die Menschen, die sich auskennen, sind ja da. Entweder tummeln sie sich im Netz oder sie sind schon bei professionellen Stellen angestellt, die leider nicht bis in die Kollegien vordringen.

Das, was man oben sehen kann, ist für mich ein Konzept. Ein klar umrissener Plan. Und klar: Wir sprechen hier nur von einer Passage, wahrscheinlich als Unterpunkt zu Unterpunkten. Man müsste es durchführen für den Präsenzunterricht, den Hybridunterricht, den digitalen Fernunterricht und womöglich für eine Mischung aus allem.

Da dies aber nicht unternommen wurde und die Schulen, soweit ich das beurteilen kann, nur angehalten werden etwas zu tun, ohne dabei unterstützt zu werden und ohne dass klar ist, wie zum Teufel sie es tun sollen, gibt es wieder ein willkürliches zufälliges Chaos. Irgendwo klappt es, irgendwo klappt es nicht – aber was bei allem gleich ist: Die Lehrerinnen und Lehrer sind Schuld. Ihr hättet doch machen können! Wieso habt ihr euch nicht vernetzt? Wieso seid ihr solche Einzelkämpfer?

Man möchte den vielen kritischen Stimmen zurufen: Wir würden uns gerne mehr vernetzen, wir würden gerne nachhaltiger arbeiten, wir würden gerne dafür sorgen, dass alle Schüler*innen vernünftig digital lernen können und die technische Ausstattung haben. Aber wir können verdammt nochmal nicht alles machen!

7 Kommentare

  1. Ich glaube ja, dass dem Kultusministerium und den anderen Verantwortlichen ein bisschen die Ideen und Konzepte fehlen. Bei mir schlagen momentan ganz viele Vorschläge auf, dass man sich für Pilotversuche zum digitalen Lernen bewerben kann, um dann Unterstützung zu erhalten, damit sich daraus irgendwann mal ein Konzept entwickeln lässt.
    Leider kommt diese Einsicht mindestens 5 Jahre zu spät.

  2. Deutschland hat leider nicht nur den Zug verpasst, sonder wusste noch nicht einmal wo sich der digitale Bahnhof hinsichtlich Schulbetrieb befindet. Egal ob es Lernkonzepte, Infrastruktur oder einfach grundlegendes Know How betrifft, Deutschland macht keine gute Figur. In sehr vielen Industriezweigen zeichnen sich signifikante Veränderungen ab und neue Arbeitsmethoden werden entwickelt. Adaption findet statt und Anpassungsfähigkeit ist entscheidend. Von aussen beobachte ich einen relativ hilflosen und verzweifelten Versuch, irgendwie mitzuhalten. Aber es ist wie in der IT, Deutschland ist im Schnitt 10 Jahre hinterher im Vergleich mit Ländern wie Skandinavien, USA, Asien…Ich hoffe, dass man hier bald die richtigen Entscheidungen trifft auch hinsichtlich der eingesetzten Personen.

  3. Wenn in Schulämtern und Kultusministerien abgeordnete Lehrer und sonstige pädagogischen Experten sitzen und in ihrer Suppe köcheln, kann da nur wenig bei herum kommen. Man bräuchte dort Leute von außen, aus der Wirtschaft oder ähnlichem die Projekterfahrung, Konzeptionelle Fähigkeiten etc mitbringen und einen frischen Blick auf Abläufe und deren Optimierungsbedarf.
    Ein Lehrer ist im Prinzip jemand, der von der Schulbank zur Uni und wieder zurück gewandert ist. In einem Unternehmen gearbeitet zu haben, erweitert den Horizont ungemein und würde den pädagogischen Lehrbetrieb ungemein weiterbringen mit neuen Impulsen.

    • Ja, so kann man das sehen. Ich denke aber, das Problem ist noch weitreichender. Die Frage ist, wer es weit bringt und ob es jene Lehrerinnen und Lehrer sind, die sich stetig fortbilden und innovative Ideen haben. Die gibt es nämlich. Will sagen: Ich denke schon, dass eine Perspektive von außen gut ist, aber dennoch gibt es auch Lehrer*innen, die was bewegen könnten. Ob die aber immer bis an die Positionen kommen, ist eine andere Frage.

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