Bald geht das Abitur wieder los, und damit nicht nur die Phase der schriftlichen, sondern auch mündlichen Prüfungen. Aber wie diese bewertet werden, ist gar nicht so einfach. Zum einen für die Prüfer, die meist besprechen müssen, was gut und weniger gut gelaufen ist. Zum anderen für die Schüler*innen, für die es oft nicht einfach ist zu verstehen, wie Prüfungen bewertet werden. An dieser Stelle eine Auflistung mit Punktzahlen, Erklärungen und Erläuterungen für die Bewertung von mündlichen Leistungen. Mit dem Beispiel “Lyrik” versuche ich holzschnittartig Beispiele zu geben, wie sich die allgemeinen Erläuterungen in einer konkreten Situation zeigen.
Note 6; 0 Punkte
Formel: Die Leistung entspricht den Anforderungen nicht. Selbst Grundkenntnisse sind so lückenhaft, dass die Mängel in absehbarer Zeit nicht behebbar sind.
Der Prüfling zeigt keinerlei Verständnis der im Unterricht erarbeiteten Themen und Sachverhalte, hat große Lücken und äußert auch Reproduktionsfragen nach Aufforderung falsch.
Erläuterung
Reproduktionsfragen sind das Grundlegende, was in der Prüfung erwartet wird. Man erbringt noch keine eigene Leistung, sondern ist nur in der Lage, etwas wiederzugeben, das man gelernt hat. Es ist klar, dass, wenn selbst das fehlt, keine Punkte mehr vergeben werden können. Wenn der Prüfling also in der Zeit der Prüfung zwar redet, aber nichts aussagt, dass einen Mehrwert hat, dann kann die schlechteste Punktzahl durchaus vergeben werden.
Beispiel
Der Prüfling erkennt natürlich das Gedicht als Gedicht. Aber weder Metrum, Reim noch sonstige formale Aspekte sind ihm ein Begriff. Er versucht, den Inhalt nachzuerzählen, schafft dies aber nicht.
Note 5; 1-3 Punkte
Formel: Die Leistung entspricht den Anforderungen nicht, notwendige Grundkenntnisse sind jedoch vorhanden und die Mängel in absehbarer Zeit behebbar.
In diesem Bereich wird auch kaum Verständnis für einfache Sachverhalte gezeigt. Neue Zusammenhänge werden nicht verstanden oder nur wenig erkannt. Es gibt erkennbare Lücken und die Beiträge sind auch unter Anleitung wenig eigenständig strukturiert.
Erläuterung
Was für viele nicht leicht zu verstehen ist: Auch diese Form des Nicht-Verstehens ist eine Leistung. Nämlich jene, dass man im besten Fall die Aufgabenstellung verstanden hat und in der Lage ist, etwas zur Beantwortung zu sagen, freilich auch hier, ohne dass Erkenntnisse geäußert werden, die über die Reproduktion hinaus gehen. Diese haben zudem Lücken. Will sagen: Im Unterricht erarbeitete Inhalte werden wiedergegeben. Eine eigene Leistung wird nicht ersichtlich.
Beispiel
Der Prüfling erkennt einige formale Aspekte, kann diese aber nicht mit dem Inhalt verbinden. Er kann beispielsweise sagen, dass das Reimschema ein Kreuzreim ist, weiß aber nicht, in welcher Art und Weise dies für Dynamik sorgt. Der Prüfling erkennt einige weitere Aspekte, kann diese aber nicht begründen. So erkennt er beispielsweise eine Metapher, weiß auch, was eine solche ist, kann sie aber nicht auf den konkreten Fall beziehen.
Note 4; 4-6 Punkte
Formel: Die Leistung weist zwar Mängel auf, entspricht im Ganzen aber noch den Anforderungen.
Einfache Sachverhalte werden vom Prüfling verstanden. In diesem Bereich wird auch wenig Verständnis für einfache Sachverhalte gezeigt. Allerdings werden Fakten oder reproduziertes Wissen weitgehend richtig wiedergegeben. Es besteht die Fähigkeit, einer vorgegebene Struktur zu bearbeiten.
Erläuterung
Um zu bestehen ist es notwendig, dass die Struktur vom Prüfling selbst eingehalten wird, dass er seine Ausführungen also selbst organisiert und so formuliert, dass sie weitgehend inhaltlich richtig sind. Auch hier fehlt noch das Verständnis komplexerer, das heißt über die Reproduktion hinausgehender Zusammenhänge.
Beispiel
Der Prüfling kann einige von ihm selbst gefundene Aspekte erläutern und vortragen. So kann er beispielsweise sagen, dass er zunächst zum lyrischen Ich etwas sagt und dann zu den formalen Aspekten kommt. Allerdings fehlt eine Problematisierung dessen, was hier nur angedeutet wird. Die Perspektive des lyrischen Ich kann nicht auf das gesamte Gedicht übertragen werden. Es findet keine Auseinandersetzung mit der Entwicklung statt.
Note 3; 7-9 Punkte
Formel: Die Leistung entspricht im Allgemeinen den Anforderungen.
Komplexe Zusammenhänge werden vom Prüfling genauso verstanden wie er in der Lage ist, Beiträge in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Die reproduzierten Beiträge sind grundsätzlich richtig und es besteht die Fähigkeit der Problemlösung in einem vorgegebenen Rahmen.
Erläuterung
Hier wird es sowohl bei der Formel als auch bei der Ausführung etwas schwammig. Was bedeutet das? Es geht darum, dass der Prüfling zum Beispiel in der Lage ist, selbst Arbeitshypothesen aufzustellen oder Fragen aufzuwerfen und diese dann am Text zu beantworten. Es geht also grundsätzlich um neue Erkenntnisse, die auf der Grundlage der Kenntnis über die allgemeinen Zusammenhänge basieren.
Beispiel
Der Prüfling erfasst die grundlegende Entwicklung des Gedichts und kann dieses inhaltlich einordnen und einige formale Aspekte mit dem Inhalt verbinden. Er kommt darauf, inwiefern unterschiedliche Strophen verschiedene Dimensionen beleuchten. Ingesamt wird aber zu wenig zusammengeführt. Es kommt zu keiner allgemeinen These und es werden noch zu wenige wichtige Verbindungen zwischen Form und Inhalt ausgelassen,
Note 2; 10-12 Punkte
Formel: Die Leistung entspricht voll den Anforderungen.
Das Verständnis von komplexen Sachverhalten ist sicher und durchgehend richtig. Die Beiträge gehen über die Reproduktion hinaus in eine komplexere Reproduktionsebene. Gesamtzusammenhänge werden erkannt. Der Prüfling geht nach eigenem Ermessen sicher und strukturiert vor.
Erläuterung
Insgesamt ist das Wichtige an dieser Ebene der Abstraktionsgrad und die inhaltliche Tiefe. Es geht darum, dass eben über ein breit angelegtes Wissen hinaus weitergedacht werden kann, das also auch neue Stoffe erfasst und in einen größeren Zusammenhang gebracht werden können. Dabei bleibt immer wichtig, dass die Basis methodisch, fachsprachlich und hinsichtlich der Formulierung vorausgesetzt wird.
Beispiel
Das Gedicht wird grundsätzlich in allen Dimensionen erfasst. Die Erläuterung zeigen, dass auch der Zusammenhang zwischen Form und Inhalt, hier beispielsweise Metrum und Entwicklung des lyrischen Ich verstanden worden ist. Insgesamt fehlt es nur insofern an Tiefgang, dass diese Erkenntnisse nicht gebündelt werden und nur an eineigen Stellen abstrakt formuliert werden. Inwiefern die Äußerungen des lyrischen Ich beispielsweise für eine bestimmte Art des Umgangs mit der Natur stehen, bleibt unberücksichtigt.
Note 1; 13-15 Punkte
Formel: Die Leistung entspricht den Anforderungen in ganz besonderem Maße.
Selbst sehr komplexe Sachverhalte werden ausgezeichnet verstanden und kontextuiert. Der Prüfling hat ein sehr gutes Abstraktionsvermögen und die Beiträge werden insgesamt in nachvollziehbarer Weise in den Gesamtzusammenhang kontextuiert. Dieser zeichnet sich durch einen großen Überblick und Kenntnisse aus, die über das im Unterricht erarbeitete Wissen hinausgehen. Zudem hat der Prüfling auf dieser Grundlage ein ausgeprägtes Urteilsvermögen und besitzt in hohem Maße die Fähigkeit zur Abstraktion, Problemlösung und Strukturierung.
Erläuterung
Hier geht es vor allem darum, dass die Basis ausschließlich genutzt wird, um weiterzuarbeiten. Es geht darum, dass der Prüfling nicht mehr wiederholt, sondern anwendet. Dass er oder sie also in der Lage ist, das Wissen anzuwenden und auf andere Bereiche zu beziehen. Dafür muss das fachspezifische und methodische Wissen so gut sitzen, dass das Erkennen von Strukturen keine Herausforderung mehr ist, sondern dass es Ausgangspunkt für eine tief gehende Auseinandersetzung darstellt.
Beispiel
Das Gedicht wird grundsätzlich in allen Dimensionen erfasst. Die Erläuterung zeigen, dass auch der Zusammenhang zwischen Form und Inhalt, hier beispielsweise Metrum und Entwicklung des lyrischen Ich verstanden worden ist. Zusätzlich findet eine sehr intensive, tiergehende Beschäftigung mit den abstrakten Aspekten des Gedichts statt, das auch in einen epochalen Kontext eingebettet wird. Dieser wird nicht nur erwähnt und erläutert, sondern mit dem Inhalt des Gedichts in Verbindung gesetzt und sogar problematisiert.
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