Bei keinem anderen Fernsehformat gibt es so unterschiedliche Gründe für die Menschen, zu rechtfertigen, warum sie es schauen. Die Rechtfertigung ist wichtig, weil man ja weiß, dass man sogenannten Trash schaut – TV-Müll also, der allenfalls an die unterhaltende Handlung eines Autounfalls heranreicht. Und genau das ist das Problem. Ein Kommentar.

In Zeiten des Dschungelcamps sind die sozialen Medien voll mit einer Sendung, die egal von welcher Perspektive man sie betrachtet, eigentlich keinen mehr hinter der Couch hervorholen sollte. Falls man jene „Prominente“, wie sie immer noch hartnäckig genannt werden, jemals als solche identifizieren konnte – dies ist nicht mehr möglich. Warum schauen sich so viele dieses Dschungelcamp eigentlich noch an?

Die Gründe dafür kann man bei den Menschen erfragen. Die Antworten sind aber nur Teil der Wahrheit, die sich beim Dschungel immer schöner anhört, wenn man es universitär konnotiert. Dann ist das Dschungelcamp ein „soziales Experiment“ oder das „Scheitern der Kommunikation“. Fertig ist die Legitimationsstrategie, mit der man sowohl die sozialen Netzwerke füllen als auch als unfertiger SPIEGEL-Praktikant mit lustigen Wortspielen die Prekariats-Feuilletons füllen kann.

Nehmen wir mich. Meine Legitimation in Zeiten, in denen ich geschaut habe, war denkbar einfach. Mich interessierte weniger, dass erwachsene Menschen Känguru-Anusse verspeisten, als der Umgang von Menschen untereinander, deren Arroganz tatsächlich zeigte, dass sie meinen, prominent zu sein. Das Abblättern dieser Prominenz nach dem dritten Tag Bohnen-Fressen amüsierte mich, weil ich weiß, wie ich bin, wenn ich nichts Vernünftiges zu essen kriege. Das also der Grund. Die Rechtfertigung: Es sind erwachsene Menschen, die Geld dafür bekommen und die wissen, worauf sie sich einlassen.

Den letzten Grund hört man immer wieder, denn viele, die den Dschungel schauen, würden DSDS aus moralischen Gründen wohl nicht schauen. Wenn der IQ eines „Sängers“, der kaum des Sprechens fähig ist, an eine geistige Behinderung heranreicht, lacht es sich bei der existentiellen Zerstörung durch die Jury einfach nicht so beherzt und frei.

Was ich und was jeder, der das Dschungelcamp sieht, ausspart, ist, dass man die Arroganz derer, die meinen, dass sie Prominent sind, auch umkehren kann. Sie haben nichts mehr anderes. Nichts.

Zwar wendet der eine oder andere Kommentator in regionalen und überregionalen Medien ein, dass man da ganz schön traurige Geschichten vom Scheitern hört, aber das sind nur Randnotizen, denn, wie gesagt, selbst schuld, wir amüsieren uns prächtig.

Der wahre Grund, warum wir das Dschungelcamp schauen, ist nicht nur, dass man sich selbst, wenn man nah genug dran ist, besser fühlen kann – nach dem Motto: „Mir geht es schon scheiße, aber es gibt Leute, die müssen Ärsche fressen.“

Und das machen die wahrlich nicht so freiwillig, wie man denken mag. Auch dort stehen Zwänge dahinter. Auch dort sind es existentielle Fragen, die die Leute in den Dschungel gehen lassen. Egal!

Der wahre Grund ist, dass wir fasziniert davon sind, wie Menschen die Menschlichkeit genommen wird. Im Grunde genommen ist jeder richtig „gute“ Tweet – vor allem von den „Trash-TV-Experten“, die ihre Twitter-Existenz auf dem Dschungelcamp (oder sollten wir nur Camp sagen – passt doch besser) darauf beruht, noch deutlicher zu machen, dass das Trash sich nicht auf das Format bezieht, sondern auf die Menschen. Jeder zweite „lustige“ Tweet zeigt die Blödheit, die Dummheit, die Hässlichkeit der Personen, die dann – zur Recht! – bestraft werden. Wir lachen über den Menschenmüll und rechtfertigen das dann ganz bürgerlich-intellektuell. Kann man machen.

Aber wenn ich persönlich in der Schule darüber doziere, dass man Menschen als Menschen betrachten muss, egal wo sie her sind, und dass gerade die deutsche Geschichte zeigt, wo es hinführen kann, wenn man Menschen die Menschlichkeit nimmt, dann kann ich nicht in Ruhe nach Hause gehen und es lustig finden, dass andere Menschen sich erniedrigen lassen. Von den TV-Machern, von den Zuschauern. Von uns.

Und jetzt noch ein Best-of der lustigsten Tweets über den Dschungel. So lustig.

P.S. Wenn man Tweets von mir zu dem Thema sucht, wird man sicherlich auch welche finden. Dafür schäme ich mich.

 

4 Kommentare

  1. Wieder ein sehr schöner Beitrag!!!
    Hoffentlich kommt das auch bei deinen Schülern an. Dann würde die Welt wieder ein Stückchen besser! Ich muss gestehen, ich habe das Dschungelcamp in meinem Leben NIE gesehen und bei DSDS reichte es für 5 Minuten.

    LG
    Tom

  2. ist doch alles von rtl manipuliert wennich mit tina sehe eine prüfung und das.gejammere so eine soll schungel königin werden muss ich nur lachen alles.Beschiss

Schreibe einen Kommentar zu langer Antwort abbrechen

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein