Ich habe es getan. Für die Blogseite „Mit mir an deiner Seite“, die zur #Blogparade „Mein größter Held“ aufgerufen hat, griff ich seit Jahren mal wieder rechts oben in mein Bücherregal. Dort steht der gute alte dtv-Brockhaus von 1986. Dieses Mal musste ich mich für die 2.0 Aufgabe auf die 1.0 Grundlage beziehen.

Denn was ein Held ist, wird immer undurchsichtiger. Das Heldenbild selbst kam eigentlich erst zwischen 1850 und 1900 auf, damals in den englischen Journalen, die erkannten, dass Menschen, zu denen andere Menschen aufblicken können, attraktiv für das Geschäft sind. Im Helden steck auch immer die Nachricht: Ich könnte das auch sein.

Der Brockhaus erklärt nüchtern, dass es bei einem Helden um einen außergewöhnlichen, besonders tapferen (immerhin in Klammern) Menschen geht. Oder natürlich um den Protagonisten eines Werkes. Zu gerne würde ich die Tapferkeit im Sinne Aristoteles deuten als Mut zur Verwirklichung des Guten. Allerdings sind wir damit an dem Hauptkonflikt des modernen Heldentums angelangt.

Denn der Held heutzutage weniger die zweifelhafte Figur des Soldaten, der in einem „Heldenkampf“ mit „Heldenmut“ für eine „Heldentat“ kämpft – was im Prinzip nur eine Ansammlung von Euphemismen für Mord ist. Die heutigen „Heldenlieder“ handeln nicht mehr von den außergewöhnlichen Taten literarischer Figuren, die gegen ihre Zeit schwimmen.

Ein Held kann alles sein. Es gibt natürlich unzweifelhafte Gestalten, wie die Feuerwehmänner von 9/11 oder den Piloten jenes Flugzeuges, der durch sein handeln hunderte Menschen rettete. Hier greift noch Aristoteles’ Definition des Mutes für das Gute. Auch bei Menschen, die für ihre Zivilcourage mit dem Leben zahlen, würde wohl keiner Einspruch erheben, sie Helden zu nennen.

Heutzutage ist der Held jedoch in eine tiefe Inflation gerutscht. Es gibt den „Derbyhelden“ beim Fußball, den „Helden der Musik“ – eigentlich gibt es nichts, bei dem es keinen Helden gibt. Die identifikatorische Kraft des Helden („Ich will auch so sein.“) überstrahlt eine wirklich anerkennenswerte Tat. Nicht verwunderlich, dass Justin Bieber Anne Frank ins Gästebuch schrieb, sie wäre bestimmt ein „Belieber“, also ein glühender Fan gewesen. Nicht die Pietätlosigkeit, sondern die Naivität ist bezeichnend für uns. Ob jemand bei Youtube ein Video macht, das Millionen gefällt, oder den Holocaust überlebt – die Schlagzeilengröße bleibt dieselbe. Dabei verwechselt man jedoch schnell den Helden mit einer Person, die durch Talent oder Zufall an der Stelle der Gesellschaft gelandet ist, an der so viele gerne wären. Held durch Geld. Held durch Macht. Held durch Kontrolle.

 

Wenn dies die Helden der Welt 2.0 sind, dann möchte ich keinen Helden haben. Oder aber, und dies scheint mir die bessere Alternative, ich greife wieder in mein Bücherregal und halte mich an das große, lange Erklärungsbuch aus der Welt vor dem Fall der Mauer. Denn um ein außergewöhnlicher Mensch zu sein, der Mut besitzt, kann man das Attribut des Helden getrost weglassen. Vielleicht geht es dann mehr darum, dass man jemanden, der greifbar ist, ein Mensch wie jeder, es schafft, sich über die Konventionen unserer Welt zu setzen, besonders großzügig zu sein, offen und tolerant. Dabei wäre es egal, ob es sich um einen ehemaligen Geheimdienstleister handelt, oder um die eigene Oma. Vielleicht sollten wir alle weniger schauen, wer unser Held ist, als zu schauen, wer den Mut hat. besonders menschlich zu sein.

Sapere aude!

Schafft die Helden ab und ersetzt sie durch Menschen

1 Kommentar

  1. Dein Beitrag dazu ist wirklich wundervoll geschrieben 😀
    Danke für deine Gedanken und für die eigene Interpretation von dir! Es ist schön, wenn jemand es mal von einer ganz anderen Seite sieht und es dann in einem solch tollen Text mit einbindet.

    Danke!

    Liebe Grüße,
    Sarah

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