Das Urteil kommt von ganz oben: Exkursion! Es gibt kein entrinnen, also macht man sich an den Plan. Ist ganz einfach. Geld einsammeln in der Klasse. Also: Liebe Klasse, bringt bitte Geld mit, wir machen eine Busfahrt. Am nächsten Tag: Liebe Klasse, bitte denkt an das Geld für die Busfahrt. Allein: Es fehlt das Geld.

Zuhause google ich, was beachtet werden muss. Googlebegriff: Busfahrten mit Klasse. Die ersten Berichte zeigen von unglaublichen Notfällen und Unfällen, von hitzigen Ausrastern und emotionalen Ausbrüchen. Na toll! Ich google Medizin für die angegebenen Unfallarten. Bin froh, dass es Versandtapotheken gibt, denn so kostet mich das „Rettungspaket Bus“ nur 745, 30 Euro.

Am nächsten Tag überreiche ich den Beleg der Sekretärin (aufgerundet auf 1000 Euro, da ich vermute, einen Heilungsurlaub antreten zu müssen und so wenigstens schonmal das Geld für’s Frühstück da habe). Bevor es klingelt muss ich zum Chef. Warum ich denn bitte 1000 Euro für die Busfahrt brauche. Ich erkläre ihm von Schädelhirntraumata, Schluckbeschwerden während der Fahrt und Problemen bei wartungsbedürftigen Bussen. Der Chef nimmt mich zur Seite und rät mir zur Kur, was gut ist, da ich ja schon 254, 70 Euro da habe. Außerdem, sage ich, ist das gar nicht so viel wie es scheint, da ja mindestens drei Schüler schon bezahlt haben.

In der Klasse möchte ich Geld einsammeln und höre das Klatschen der Hände auf der Stirn, das sagt: Da war doch was. Ich sage: Liebe Klasse, denkt an das Geld. Die Schüler sagen, warum wir denn fahren müssen. Ich sage: Darum! Die Klasse sagt: Ok!

Zuhause google ich Bestrafungsmethoden bei nicht bezahlten Busfahrten. Körperliche Züchtigungen will ich nicht von vorn herein ausschließen, da ich ja genug Verbandsmaterial dabei habe. Seitdem muss ich auch keinen Unterricht mehr vorbereiten, da ich schlicht nicht mehr an den Schreibtisch komme. Habe schon überlegt, eine Ausbildung zum Rettungssanitäter zu machen. Zeit habe ich nicht, aber die Rechnung für’s Sekretariat ist schon mal ausgefüllt.

Am nächsten Tag betrete ich die Klasse. Morgen soll es losgehen. Ich frage vorsichtig, ob sie erraten können, was mir fehlt. Eine Schülerin streckt und sagt, vielleicht sollte ich mal in die Kur gehen. Ich sähe gestresst aus. Ich bedanke mich und lasse die Schüler nochmals versuchen. Sie kommen nicht drauf. Ich wispere vorsichtig etwas von Geld und schon klatscht es wieder gegen die Köpfe. Morgen auf jeden Fall, sagen sie. Und warum wir das eigentlich machen. Darum, sage ich und sie sagen: Ok!

Am nächsten Tag regnet es. Ich reiche schnell eine Rechnung über einen Regenschirm ein und will schon zum Bus. Mein Chef steckt mir eine Bescheinigung rüber: „Gesundheit im Beruf“. Er zwinkert mir zu. Beinahe hätte ich die Rechnung über den Mietwagen vergessen, der die Medikamente bringt.

Ich gehe zum Bus und durch den Regen. Ich versuche das Geld einzusammeln. Peter wusste nicht, dass wir fahren. Maren findet, man kann sie nicht zwingen. Thorsten ist krank, hat schon bezahlt, will das Geld aber zurück. Lucy weint, weil sie heute Morgen einen Bericht über die Ausbeutung von Tieren im Radio gehört hat. Sie wirft ihr Brot weg, nachdem sie im Bus ist. Es landet Peter auf dem Kopf, der jetzt gar nicht mehr bezahlen will.

Ich setze mich nach vorne und nehme vorsorglich ein Sortiment diverser Arzneimittel gegen alles, was ich vielleicht bekommen könnte. Lucy bricht, weil sie zu wenig gegessen hat. Ich lasse sie nach vorne setzen und gehe nach hinten.

Peter fragt mich was und ich sage was, vergesse aber was. Daraufhin sagt Peter, was ich meinte und ich sage ihm was ich meinte und die Musik wird lauter und vorne wirft einer den Schinken nach hinten woraufhin Lucy wieder weint. Ich sage allen, sie sollen jetzt mal endlich ruhig sein. Wann wir denn da wären, fragen sie. Ich kann nicht antworten, weil der Bus losfährt. Wann wir denn da wären. Wann wir denn… Ich nehme vorsorglich noch mehr von der Medizin. Was genau es ist, kann ich nicht erkennen, weil meine Augen sich nicht mehr öffnen lassen.

Ich frage den Busfahrer, wann wir denn da sind. Der antwortet, dass wir doch bitte erstmal vom Parkplatz fahren sollten. Peter fragt mich, was Thorsten denn hat. Ich sage, ich weiß es nicht. Peter fragt, wieso nicht. Ich sage, einfach so nicht und dann sagt von hinten Kerstin, dass es unfreundlich ist, nicht zu antworten. Daraufhin sage ich, dass ich mich erkundige. Vorher nehme ich noch ein wenig Medizin.

Ich rufe im Sekretariat an und frage, was Thorsten hat und ob nicht schonmal eine Rechnung über meine Handynutzung angefertigt werden könnte. Thorsten hat ein gebrochenes Bein. Er ist vor einen Bus gelaufen, der vom Parkplatz gefahren ist. Den Zusammenhang kann ich nicht mehr erkennen.

Peter fragt, was denn jetzt los sei, aber ich kann nur noch antworten, dass er wirklich schön singt.

Angekommen müssen wir erkennen, dass der Zoo heute zu hat. Macht aber nichts, da wir sowieso kein Geld haben und ich meine Beine nicht mehr bewegen kann.

Das nächste, an das ich mich erinnere, ist, dass Peter fragt, ob wir nicht zusammen singen können. Nein! Ob wir nicht vielleicht doch zusammen singen können? Nein! Ob wir nicht… Ich sage, ok, und nehme erstmal Medizin. Danach singen wir und singen und singen und als wir fertig sind fragt Peter, ob wir nicht nochmals singen können.

Irgendwann sind wir dann wieder an der Schule. Der Chef schaut mich mit großen Augen an und fragt, wo denn die Medizin ist. So viel konnten die Schüler doch unmöglich alles selbst geschluckt haben. Ich versinke in den Armen des geschockten Vorgesetzen und weine. Und dann frage ich, ob wir nicht zusammen singen können. Während der Chef den Krankenwagen ruft, summe ich ganz leise mein Lieblingslied:

„Eine Busfahrt, die ist lustig, eine Busfahrt, die ist schön!“

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