PERSÖNLICH: Eine Weihnachtsgeschichte

Bob Blume
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22. Dezember 2024
2 Kommentare
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Viele Jahre hatte ich es schwer mit Weihnachten. Und immer noch fällt es mir schwer, in diese sagenumwobene Stimmung zu kommen, die einem von allen Seiten angetragen wird. Vor einigen Jahren fragte mich eine mittlerweile verstorbene Person, die der Familie nahe stand, ob ich eine Geschichte schreiben könne für die gemeinsame Runde mit der Familie. Dies tat ich. Sie ist kurz und keine der Geschichten, die man normalerweise zu Weihnachten liest. Aber vielleicht, so nun meine Idee, geht es anderen auch so. Und vielleicht braucht der eine oder andere eine Geschichte. Zum Lesen oder Vorlesen an Weihnachten. 

Eine Weihnachtsgeschichte 

Eines abends ging ich alleine aus dem Haus. Ich hatte keine Lust auf Weihnachten und all den Trubel um mich herum. In der Wohnung war alles geschmückt, aber mir ging es auf die Nerven. Ich fragte also, ob ich eine Runde drehen konnte und machte mich auf zum anliegenden See. 

Dieser war ganz still. Nichts war zu hören. Auf der ruhigen Wasseroberfläche spiegelten sich dunkel die Bäume, und hier und da war ein Vogel zu hören. Eine Weile stand ich so da. Dann räusperte sich jemand. 

Ich erschrak zu Tode. 

Dann drehte ich mich um und schaute in das freundliche Gesicht eines alten Mannes, der mich anlächelte. „Was machst du denn hier?“, fragte er mich freundlicher Miene. 

„Das geht Sie gar nichts an", sagte ich.

„Da hast du natürlich Recht“, meinte er und wollte gerade gehen, als ich mich besann und auch  ihn fragte, was er denn hier mache. 

„Das ist eine gute Frage“, sagte er. "Ich suche die Ruhe und das Glück".

Wie man die Ruhe suchen kann, war mir klar, aber wie jemand abends am einsamen See das Glück suchen konnte, verstand ich nicht. 

„Und, hast du das Glück schon gefunden?“, fragte ich also.

„Um das Glück zu finden, muss man geduldig sein“, sagte der alte Mann und schaute in den Nachthimmel. Manchmal versteckt es sich hinter einem Stern, manchmal im Lachen eines Menschen und manchmal ist es schon da, aber man bemerkt es gar nicht.“ Darüber musste ich nachdenken. Ich dachte, und dachte, und wurde sehr müde. Aber anstatt einzuschlafen 

wachte ich auf. 

Ich lag im Wohnzimmer auf dem Sofa, meine Mutter stand vor mir und schaute mich an. Es waren Stimmen zu hören, die mich irritierten. „Wo ist der Mann hin“, fragte ich, bemerkte aber sofort meinen Irrtum. „Du bist eingeschlafen“, sagte meine Mutter und lächelte. 

Ich hatte das Gefühl, als würde sich in diesem Lächeln etwas verstecken, von dem mir der alte Mann erzählt hatte. Aber mir fiel nicht ein, was es war. 

Trotzdem war ich fröhlich. Und alles war gut. 

Bob Blume, im Dezember eines unbekannten Jahres 

2 comments on “PERSÖNLICH: Eine Weihnachtsgeschichte”

  1. Lieber Bob,
    die kleine Geschichte hat mir grad so gut getan! In all der Hektik und dem Gefühl des „Nichtvollkommenseins“.
    Das hat mich gerade so geerdet! Danke, dass Du die heute geteilt hast!
    Schöne Weihnachten 🎄 und Glück und Gesundheit 🍀 für 2025!
    LG von einer sonst stillen Leserin Deines Accounts. 🌸

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