Schwarzwaldtorte. Weiße Sahne. Rote Kirschen. Schwarze Schokolade. Einmal darauf gebissen das totale Durcheinander. Das sieht er jetzt.

Sowohl die Avocado als auch der Knopf hatten wohl nichts genützt. Aber daran dachte er nicht, denn er konnte nicht denken. Er hatte nur Punkte vor den Augen. Weiße und rote und schwarze, wie bei einer Schwarzwälder Torte. Dabei war er noch nie im Schwarzwald.

Das Geräusch, als die beiden Zähne auf den gewölbten Asphalt aufschlugen, war wie der missglückte Versuch eines Kindes, mit dem Vorschlaghammer auf einen Ziegel zu schlagen. Ein Abrutschen und Absplittern.

Natürlich konnte Fridolin das nicht hören. Nur im ersten Moment hatte er das Gefühl, sich selber etwas abzubeißen, konnte aber nicht mit Sicherheit sagen, was es war. Und dann kam auch schon die Torte vor seine Augen.
Dabei hatte der Tag eigentlich ganz gut angefangen. Nachdem er seinen Avocadokern in die Tasche gesteckt hatte, schlich er aus dem Haus, um den Hund des Nachbarn nicht zu wecken, der groß und bissig war. Der Hund war eigentlich ganz süß.

Fridolin hatte darauf gewettet, dass er an diesem Tage Glück haben werde und hatte sich, nachdem er den Knopf gedrückt und ganz feste gewünscht hatte, die zerzausten Haare noch viel mehr zerzaust, sodass seine Frisur nicht mehr von der zu unterscheiden war, die er hatte, wenn er sie nicht machte.

Er verstaute die Erinnerung an seine grauen Augen neben denen, die er von seinem Vater gemacht hatte, als er die Pflanze auf dem Flur umknickte. Das hatte ihm einen Schlag versetzt. Fridolin hatte nie verstanden, ob die Pflanze der Grund für den plötzlichen Abschied war.

Obwohl er nun im Bett liegend nicht sprechen konnte, war er froh darüber, dass er das ganze Blut nicht sehen musste. Es war aber auch alles zu schnell gegangen. Er hatte das Auto nicht kommen sehen, weil er sich beim Überqueren der Straße zu sehr auf den Knopf konzentrierte.

Der Knopf war direkt unter seinem Auge. Manche Menschen sagen dazu Muttermal, aber irgendwie fand Fridolin die Bezeichnung unpassend, allein schon wegen seiner Mutter. Vater hatte die Pflanze geköpft. Ihm blieb nur der Knopf. Er war sich sehr sicher, dass er wirken würde, zumindest hatte er sich das eingebildet, nachdem Tante Edelgard ihn bei einem Besuch nicht mit Spucke sauber gemacht hatte. Aber das war jetzt viele Jahre her.

Wenn er sich elend fühlte, konnte er immer noch den Geruch von Tante Edelgard riechen. Dieses Süßliche, honighafte, das auch immer nach Erbrochenem roch. Fridolin hatte damals die Idee gehabt, sein Knopf brauchte eine weitere Verstärkung, eine Wunderwaffe, die ihm immer helfen würde. Hätte er sein eigenes Zimmer gehabt, dann hätte er es sicher verstecken können.

Der Avocadokern war also eher ein Zufallsprodukt. Er hätte niemals gedacht, dass er eigentlich vom Teufel persönlich gesandt worden war. Wahrscheinlich als Strafe für die Familientradition der Pflanzenmörder.

Aber dass auch der Knopf ihm in dem Moment, in dem er über die Straße rannte im Stich lassen würde, das brach ihm das Herz.

Das helle Licht erleuchtet und der Geschmack nach herzhafter Nachspeise scheint sich in Luft aufzulösen. Vor ihm steht eine dicke Frau, die über beide Backen grinst. Fast scheint es, als spiegele sich auf ihren erröteten Wangen die Sonne, die in das Zimmer bricht. Fast schafft es Fridolin nicht mehr an den Knopf zu denken. Seine Frisur kann er nicht anfassen, da er seine Arme nicht spürt, aber das stört ihn gerade nicht. Stattdessen versucht er zu blinzeln, aber er ist sich nicht sicher, ob seine Augen schon komplett auf sind.

Er versucht, die Avocado zu ertasten, merkt aber, dass der Gedanke blöd ist. Er würde sie sowieso wegschmeißen, sie, die dafür verantwortlich ist, dass er nun hier liegt. Die dicke Dame ist sehr geschmeidig und wiegt beim Überprüfen seines Körpers hin und her.

Fridolin fragt sich, ob sie auch einen Knopf hat, aber kann den Gedanken nicht mehr zu Ende führen, da das Sedativum ihn übermannt.

Fridolin träumt von dicken Damen mit rötlichen Wangen, die Schwarzwälder Kirschtorte verkaufen, und Felder von Pflanzen einfach hinwegfegen. Er träumt davon, dass er gar nicht hätte weglaufen müssen. Vielleicht, denkt er (aber nur im Traum), hätte er auch einen neuen Glücksbringer gebraucht.

Oder nur dieses eine Mal ein wenig Mut.

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