Seit einiger Zeit trage ich den Gedanken in mir, wieder zu den Wurzeln meines Schreibens zu kommen. Nicht etwa mit den schwer als nicht peinlich zu betrachtenden romantischen Gedichten oder den schwermütigen Liedern auf vier Akkorden, sondern im Sinne eines Bloggens, das wenig mehr zum Ziel hat, als über die Dinge nachzudenken, die in Teilen meines Lebens vorkommen. Und diese Gedanken zu teilen. Dieses ist ein erstes solches Stück. Es ist ein kleiner Ausflug in mein eigenes Schreiben.
Als ich darüber nachdachte, wieder auf eine Art zu bloggen, die frei ist von Ziel, Zweck und Nützlichkeit, begab sich mein Gehirn in eine seiner typischen Gedankenschleifen. Müsste ein solcher Text oder sogar mehr überhaupt für ein Publikum geschrieben werden, ganz egal, wie klein oder groß dieses sein würde? Bedeutet ein Schreiben für einen Leser oder eine Leserin nicht zwangsläufig eine Zweckbindung, die dem eigentlichen Reflexionsprozess zuwider läuft? Ich denke, ja. Und gleichzeitig macht das nichts, denn ich erinnere mich gut daran, wie ich vor mehr als 20 Jahren Texte schrieb und mir einredete, dass es mir gleich sei, ob diese nun einer Lesen würde oder nicht. Erst später erkannte ich, dass dies insofern ein Selbstbetrug ist, weil Texte immer geschrieben werden (sollten), damit sie ihr Eigenleben bekommen. Und das geht nur über das Entfachen eines anderen, jemandem also, der es liest. Wie die Menschen entfacht werden, ist unterschiedlich. Die meistern zweckmäßigen Texte sind professionelle Bestätigungsfehler, deshalb nennt man sie Kolumnen. Die einen denken genauso und finden es gut. Die anderen nicht, sie finden es schlecht. Ein Gedankenanstoß findet im Grunde nicht statt. Aber ich schweife ab.
Auch das Schreiben für das Publikum kann zu einem Selbstbetrug werden, wenn es den Inhalt über die Bedeutung legt. Ein Schreiben also, um mehr Zweck als Bedeutung zu haben. Es ist schwer, sich nicht vom Publikum verleiten zu lassen und nur noch das zu schreiben, was gelesen werden will, wenn man es nicht schreiben möchte.
Jedenfalls ist Schreiben für mich als Prozess das Schönste, was ich für mich selbst tun kann. Ich war schon des Öfteren irritiert, wenn ich von Autoren und Schriftstellern hörte, dass sie das Schreiben hassen und nur das Fertigsein mögen. Für mich ist es oftmals das Gegenteil. Das Schreiben ist wie das Fertigen eines schönen Möbelstücks, eines Bildes, einer Skulptur. Wenn es fertig ist, bin ich oftmals wenig interessiert an dem, was fertig ist. Oder ängstlich. Je größer das Stück, desto ängstlicher werde ich. Das hört sich wahrscheinlich nicht sehr professionell an, und wahrscheinlich ist es das auch nicht. Auf der anderen Seite habe ich in den letzten Jahren viel über Professionalität gelernt. Es ist meist das, was man denkt, was andere „besitzen“. In Wirklichkeit ist Professionalität immer der souveräne Umgang mit der eigenen (wahrgenommenen) Unzulänglichkeit.
Vielleicht ist der letzte Absatz das, was man von nun an erwarten kann, wenn ich sage, dass ich zurück möchte zum rohen Bloggen. Es werden Stücke von etwas vorhanden sein, dass man persönlich nennen kann. Nicht privat. Mein großes Vorbild ist immer Jan-Martin Klinge gewesen, der es auf seinem Blog schon immer geschafft hat, das Persönliche mit dem Funktionalen zu verbinden und dabei nicht so verkopft zu sein, wie ich es seit jeher bin. Das sage ich ganz ohne Koketterie oder Selbstgeißelung. Ich glaube, in den verschiedenen Formen meines Schreibens bin ich zu einem Punkt gekommen, bei dem ich sehr zufrieden bin. Und das ist unglaublich. Zufrieden zu sein mit etwas, das man gerne mag. Ich schrieb es schon: natürlich mit Angst - vor dem Verriss, dem Urteil, der Ignoranz. Aber auf eine neugierige Weise, die nicht den Kern angreift.
Oh, wie ich das Schreiben liebe.
Eigentlich hatte ich vor, eine Art defensive Beschwichtigung zu schreiben. So etwas wie: Wenn du ein Leser des Blogs bist, keine Angst, nicht alle Texte werden nun zu einem halbesoterischen Klangraum eines manisch Schreibenden. Aber dann habe ich mich an das erinnert, was ich jenen sage, die einen Blog starten: Die meisten Menschen interessieren sich nicht für dich! Und das ist absolut nicht schlimm. Sie haben ein Problem, und sie suchen einen Text, der es löst. Da die meisten professionellen Schreibwerkstätten das wissen, ist das Internet so voll von geistlosen Texten, die zu allem und jedem Tipps geben, die in ihrer Oberflächlichkeit einander gleichen.
Das hier sind also Texte für eine Nische der Nische. Die wenigen Menschen, die dies lesen werden, sind jene, die sich für beides interessieren: Text und Mensch! Und dafür bedanke ich mich. Probleme werde ich mit diesen Texten wahrscheinlich keine lösen.
Und als Selbstwiderspruch: Auch die Texte, die Probleme lösen (Problem fasse ich groß: ich möchte wissen, wie man etwas tut; wissen, warum man etwas tut; wissen, was das etwas ist, das man tut), wird es hier bestimmt wieder geben. Aber momentan habe ich kein Interesse an How-to-Texten, Musterinterpretationen, Anleitungen. Ich habe Interesse am lauten Nachdenken und ich fände es famos, wenn jemand diesen und anderen Gedanken für drei oder vier Minuten folgen würde. Und vielleicht einen Kommentar dalassen. Etwas ergänzen, weiterdenken. Ganz so, wie das Internet sein könnte.
Auf diesen romantischen Gedanken brachte mich ein kurzes Video von der re:publica, in der Dirk von Gehlen darüber spricht, dass wir vielleicht wieder mehr bloggen sollten, weg von den Plattformen, hin zu der Vernetzung. Es ist romantisch ja, aber ich mache es, wie ich es so oft mache: Indem ich es mache. Ich habe Bock, und ich hoffe, ihr auch.