Foto: Thomas Clemens

Foto: Thomas Clemens

Mit meiner ersten eigenen Klasse als “richtiger Lehrer” und meiner Lieblingskollegin fuhr ich auf eine unvergessliche Klassenfahrt. Klettern, raften und Berge mit dem Roller runterbrettern. Genial und unvergesslich. In dem wunderschönen Hotel trafen wir auf Lehrerkollegen. In einem abendlichen Gespräch über den Unterricht sagte einer, dass es genüge, wenn man eine Klasse im Schuljahr gut unterrichte. Er hatte Recht. Allerdings muss man verstehen, was er damit meinte. 

Wegweiser

Dieser Beitrag ist Teil des Buches „Wegweiser Referendariat“, in dem alle wichtigen Blogartikel zum Referendariat vollständig überarbeitet, erweitert und angepasst in einem handlichen Buch auf 200 Seiten gesammelt sind.

Der Lehrer und Schulleiter Jan-Martin Klinge urteilt über das Buch: „Es ist ganz einfach: Wenn Sie dieses Buch lesen, werden Sie ein besserer Lehrer“.

Guter Unterricht

Die Beurteilungskriterien von dem, was guten Unterricht ausmacht, sind so unterschiedlich, dass jeder Lehrer eine eigenen Meinung hat (in der deutschen Zusammenführung der Ergebnisse der Hattie-Studie wird genau diese Tatsache als Hatties Motivation dafür erklärt, dass er die riesige Meta-Studie anlegte). Es überrascht auch nicht, denn: Guter Unterricht hängt neben einigermaßen objektiven Kriterien wie Klassenzusammensetzung, Lernklima oder Motivation auch von den individuellen Voraussetzungen der Lehrkraft ab. Während der eine mit Humor und Motivation punktet, sind beim anderen die Tafelbilder der Knaller.

Die Kriterien an das, was im Referendariat guter Unterricht ist, sind anders. Man kann sich darüber streiten, ob dies richtig oder falsch ist (Im Podcast-Gespräch mit dem Fachleiter und Dozenten Philippe Wampfler kritisiert dieser die “Plandidaktik”.) Was man nicht ändern kann, sind die Kriterien dessen, was für den Fachleiter als guter Unterricht gilt. Egal ob ich also ein Genie der Gesprächsführung bin oder ein Meister der interessanten Anekdote – mit 45-Minuten-Gesprächen würde ich durch jede Lehrprobe fallen.

Schlechter Unterricht

Aber solche Stunden gibt es. Und zwar nicht zu wenig. Und es muss sie geben. Stunden, die vor dem Hintergrund der Kriterien von Lehrproben eine 6 ergeben würden und bei denen die Schüler dennoch, nein, deswegen (!) das Pausenklingeln überhören und weiterdiskutierten bis hinein in die nächste Stunde.

Stunden, in denen man das Schulbuch nimmt, die Hausaufgaben bespricht und dann Übungen macht – Stunden also, in denen man den Schülern individuell helfen kann.

Stunden, in denen die Schüler zwei Stunden am Stück arbeiten können, ohne das der Lehrer einen einzigen Impuls geben müsste oder ein Tafelbild anschreibt.

Alles eine 6 in der Lehrprobe.

Normale Stunden

Es gibt gerade im Referendariat eine Vielzahl von Einflüssen, die die Referendare unter Druck setzen. Aber auch Lehrerinnen und Lehrer neigen dazu, im Vergleich mit anderen die eigenen Defizite zu sehen. Gerade im digitalen Diskurs sieht man ja nur Lehrer, die geniale Stunden, super Einfälle und Top-Impulse bringen. Unterrichten die also nur so?

Der Gedanke, dass dies ein Bruchteil ist, hilft. Was soll ich auch über die letzten 8 Englischstunden in der 6. Klasse schreiben, in denen wir mithilfe des Buches Grammatikgrundlagen legten. Für die Schüler gibt es schöneres, für den Lehrer auch. Wieder so eine 6 in der Lehrprobe. Aber – und das ist der springende Punkt – keine wirklich schlechten Stunden. Nur für den Leuchtturm ungeeignet.

Konsequenz für Referendare

Ich würde immer, wenn ich von Referendarinnen und Referendaren gefragt werde, was sie tun sollen, sagen, dass sie wissen müssen, was guter Unterricht oder eine gute Unterrichtseinheit ist.

Aber ich möchte ihnen auch sagen:

Nehmt ein Schulbuch und gebt euch eine halbe Stunde. Unterrichtet dann genau so. Und schaut, was passiert.

Es ist eben nicht so, dass die von vielen verschrieenen Schulbücher alle des Teufels sind. Manche sind grandiose Helfer, manche zumindest sehr gute Kompendien, von denen ausgehend man dann mit eigenen Materialien weiterarbeiten kann.

Aber

Junge Lehrer müssen sich vom Gedanken verabschieden, dass man mit voller Stundenzahl jede Stunde brillieren kann.

Das geht nicht. Ich habe in meinem ersten Jahr versucht, 27 Stunden so vorzubereiten, wie man das macht, wenn man 9-14 Stunden im Referendariat hat. Das geht. Aber nur ein paar Wochen. Dann kommt man entweder zur Einsicht oder wird abgeholt und in die geschlossene gebracht.

Ein guter Lehrer kann sehr gut unterrichten, klar. Ein guter Lehrer weiß aber auch, wie er seine Kräfte einteilt. Und das kann bedeuten, dass man auch mal mit dem Buch arbeitet. Und wo, wenn nicht im Referendariat, sollte man lernen, dass danach nicht die Welt untergeht?

Und wenn man Erfahrung hat, macht man es so, wie der Kollege auf der Klassenfahrt es sagte. Denn dann hat man jedes Jahr eine Stufe, in der man es richtig gut macht. Man ist ja ein paar Jahre im Dienst. Und nach 10 Jahren hat man dann einen Durchlauf mit sehr guten, eigenen Materialien. Und wenn die nicht passen? Dann nimmt man halt nochmal das Buch…

 

4 Kommentare

  1. […] Der Titel des Artikels von Bob Blume klingt provokant, der Inhalt hingegen ist so immens wichtig, dass der Artikel hier unbedingt verlinkt werden muss. Auch wenn wir im Referendariat noch deutlich weniger Stunden haben, als es später der Fall sein wird, müssen wir uns von dem Gedanken verabschieden, in jeder Stunde ein lehrprobenwürdiges Feuerwerk zünden zu können. Das funktioniert nicht. […]

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