Wenn ich die Zeitung aufschlage, habe ich immer häufiger einen einzigen Gedanken: Ich verstehe es nicht. Ich verstehe politische Entscheidungen nicht mehr, ich verstehe internationale Entwicklungen nicht mehr und am wenigsten verstehe ich die Menschen, die behaupten, alles zu verstehen, und Hass streuen, wo sie nur können. Ich. Verstehe. Es. Nicht.
Dabei ist es egal, welcher vormals politischen Richtung man angehört. Es gibt kein rechts und kein links mehr und wenn man ehrlich ist, hat es dies auch nie gegeben. Es sind Hilfskonstruktionen, mit denen man versucht, Positionen zu definieren. Aber das funktioniert schon lange nicht mehr. Mehr noch: Es geht in die falsche Richtung. Man hat das Gefühl, dass die „bürgerliche Mitte“ an den Rand gedrängt wird, nur an welchen, ist noch nicht sicher.
Das hat mit den verschiedensten Faktoren zu tun, die sich in einem kleinen Artikel nicht umfänglich besprechen lassen. Vor allem aber hat es damit zu tun, dass die Unfähigkeit, sich gegenseitig zuzuhören, zu einer immer weiter voranschreitenden Pauschalisierung führt, die den anderen im Voraus verurteilt.
„Die Flüchtlinge“ sind für die einen schuld (woran auch immer), während für die anderen der oft zitierte „moralische Imperialismus“ der „Gutmenschen“ keine andere Meinung mehr zulasse.
Dann sind es „die jungen Männer“, die all das tun, was in den vermeintlich „politisch inkorrekten“ Magazinen zu lesen ist. Aber es wird nichts nützen, jede einzelne Lüge aufzudecken. Während die einen zeigen, dass eine Information gelogen, verfälscht oder erfunden ist, haben die anderen schon längst eine neue Information, die sie streuen.
Das Wort „Einzelfall“ ist dabei zum Synonym dafür geworden, dass „die“ Fremden eigentlich alles andere als Einzelfälle sind, sich schlagen, morden, rauben und vergewaltigen. Wenn dann tatsächlich ein Vorfall passiert, dann ist es ein Zufall, dass „die Medien“ es erzählen.
Warum beginnen die Menschen wieder, Verhaltensformen anhand einer Rasse oder einer kulturellen Prägung festzumachen?
Ich verstehe es nicht.
Diejenigen, die in ihrer Menschenfreundlichkeit von sich geben, dass sie auch „ausländische Freunde“ hätten, haben sich diese nicht ausgesucht, weil sie Migrationshintergrund haben. Sondern weil sie eine Freundschaft aufgebaut haben.
Will sagen: Sie haben sich im besten Fall keinen Idioten ausgesucht.
Und Idioten gibt es überall. Ü-ber-all. Auch ein Mensch, der sein Leben aufs Spiel gesetzt hat, und tausende Kilometer geflohen ist, kann sich idiotisch verhalten. Will ich damit etwa sagen, dass es auch unter den Flüchtlingen Idioten gibt? Ja, genau das will ich.
Aber genau so wenig, will ich von der Oma, die vor mir im Laden steht und ihre 9,87 Euro mit Ein-Cent-Stückchen bezahlt, als einen Repräsentantin der Spezies "Oma" bezeichnen und montags gegen alte Leute auf die Straße gehen.
Gibt es linke Idioten? Und ob. Absolut. Ich habe mich während des Studiums herzlich mit ihnen gestritten – sowie ich mich auch mit konservativen gestritten habe. Und danach haben wir ein Bier miteinander getrunken. Warum können wir nicht mehr miteinander streiten?
Ich verstehe es nicht.
Das Gefährliche an Menschen, die eine schwierige Welt mit einfachen Mitteln erklären, ist ihre Fähigkeit, Wirkungszusammenhänge einfach, verständlich und falsch zu erklären. Da ist jemand nicht mehr ein Idiot, weil er sich idiotisch verhält, sondern weil er eine bestimmte Herkunft hat.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich lässt sich nicht alles auf ein bestimmtes Wort reduzieren. Mit der Idiotie meine ich keine geistige Beschränktheit. Man könnten auch jedes andere Wort nehmen, mit dem man sich über Menschen aufregt, die einem zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht in den Kram passen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Am einfachsten ist es wohl, diese schlichte Aufteilung zwischen Idioten und Nicht-Idioten anhand des bekannten Filmzitats von Forrest Gump zu illustrieren. Nein, nicht das mit den Pralinen. „Dumm ist der, der Dummes tut.“
AHA, werden dann die Großschreiber auf das Blatt schreien. DANN SIND JA AUCH DIE POLITIKER IDIOTEN. Nein. Es gibt keine „Die“. Der bestimmte Artikel im Zusammenhang mit Menschen ist nie zielführend, weil er versucht, die Menschen zu bestimmen. Gibt es Politiker, die Idioten sind? Natürlich. Sind deshalb alle Politiker Idioten? Natürlich nicht.
Warum schaffen es die Menschen nicht, das kleine Bisschen Differenzierung vorzunehmen?
Ich verstehe es nicht.
Bin ich durch das, was ich sage, nun auf einer Seite? Links, rechts, konservativ, liberal? Ich weiß es nicht.
Was ich aber weiß ist, dass wir statt andere pauschal in die eine Schublade zu stecken, lieber überlegen müssten, welcher Kategorie er oder sie angehört. Idiot oder nicht.
Und wer im Augenblick die größten Idioten sind, das wissen wir alle. Und selbst die Idioten wissen es.
Wieder so etwas, was ich nicht verstehe.