Sind Sie gerade arbeitslos geworden? Wurden Sie in Ihrer Kindheit verdroschen? Oder immerhin vor der ganzen Schule gemobbt? Wurden Sie verlassen? Sind Sie besonders schlecht in etwas, werden aber von Ihrem Ehrgeiz oder Ihrem Vorgesetzten gezwungen, es zu tun? Kurz: Sind Sie ein „Wunderathlet“, der gerne ein wenig schreibt? Machen Sie sich nichts draus: begreifen Sie Ihr Scheitern als Chance

Ich lerne gerne. Besonders gerne lerne ich von Fundamentalisten und von denen gibt es ja im Internet einige. In sarrazinoidem Duktus fordert der SPIEGEL-Kolumnist Achim Achilles (wie kann man nur eine Alliteration im Namen haben? Was haben sich die Eltern gedacht?) nicht weniger als die verbale Euthanasie. „Schafft solche Eltern ab!“ heißt es da. Leider wird im weiteren nicht darauf eingegangen, sondern es folgt eine Apologie des Sportenthusiasten, der mit dem mir zutiefst nahe gehenden Merksatz „Qualität kommt von Qual“ (Welch Erleuchtung!) in deutscher Manier so einiges gerade zu rücken hat.

Da die Möglichkeiten des Internets es erlauben, mir mit diesem Wunderkind und Feind aller „Pseudosportler“ ein kleines Gespräch zu liefern, tue ich es gern. Schauen wir dabei auf ein paar Thesen und versuchen wir sie mit der Aussage zu verbinden: Wir brauchen die Bundesjugendspiele!

Offenbar ist die Leistungsverweigerung, das Bekenntnis zur eigenen Unfähigkeit gerade in der Schule, ein gesellschaftlicher Trend.

Ja, Achim. Gut geschlussfolgert. Weil eine Mutter eine Meinung hat, sollte man dies auf das Bildungssystem beziehen, von dem ja jeder dahergelaufene „Wunderathlet“ (sagte ich das schonmal?) so viel Ahnung hat wie Tine Wittler vom Treppchen der Bundesjugendspiele. Zeigen wir es den Schattenparkern. Machen wir die Klasse zur FDP. „HIER IST DEINE 5, DU VERSAGER!“ Bei der nächsten Arbeit mache ich das so. Deshalb:

Wir brauchen die Bundesjugendspiele!

(Es) gehören auch die basalen Bewegungsarten der Leichtathletik zu dem, was man früher als klassischen Bildungskanon schätzte.

Heute, früher, klassisch, Bildungskanon? Ach, was, Achim. Du hast Recht. Nur bei der Gelegenheit der Bundesjugendspiele können die „basalen Bewegungsarten“ endlich gefördert werden. Aber wer fördert die Schreibarten, sodass nicht nur Listen mit Zahlen und Thesen bleiben. Egal:

Wir brauchen die Bundesjugendspiele!

Damit bewegungsunkundige Kinder wenigstens einmal im Jahr von ihrem Smartphone aufblicken und die Allergien vergessen, lautet die Parole

Das soll zugespitzt klingen, oder? Na dann: Ja, das stimmt. Denn während des gesamten Sportunterrichts schauen die Jugendlichen auf das Smartphone, rennen teilweise gegen Wände und… Egal:

Wir brauchen die Bundesjugendspiele!

Das ganze Leben ist Wettbewerb.

Ehrlich, Achim. Ist das ganz ehrlich deine Meinung? Dann ist mir gerade etwas ins Auge gekommen. Du trauriger, trauriger „Wunderathlet“ (oder sagte ich das schon?). Überleitung fällt mir schwer, deshalb:

Wir brauchen die Bundesjugendspiele!

Träge Kinder sind dümmer.

Jau. Buddha, du hohle Nuss.

Wir brauchen die Bundesjugendspiele!

Ja, es wird jemand Letzter. Na und? Damit kann man auch ohne Traumata fertig werden.

Ja, genau. Wie war das denn damals, in den 80ern, als man mit Handys das Scheitern der… Moment. Ach, stimmt. Damals gab es ja gar nicht die Möglichkeit, Scheitern millionenfach zu vervielfältigen. Na, ****** der Hund drauf:

Wir brauchen die Bundesjugendspiele!

Bundesjugendspiele sorgen für mehr Ansehensgerechtigkeit im Klassenverband.

ABSOLUT RICHTIG! Wieder ein Beispiel dafür, die genau doch der eine oder andere Kolumnist Bescheid weiß. Ach, welch freudiges Schauspiel, wie die Kinder in der Klasse jemandem, der eigentlich ein Außenseiter ist, sagen: Mensch, komm’ in unsere Mitte, du Teufelskerl! (Ich weine fast wieder vor Glück über die Naivität und Weltfremdheit des „Wunderathleten“ – oder sagte ich das schon?).

Wir brauchen die Bundesjugendspiele!

Was gibt es Schöneres, als sich 30 Jahre später bei Bier und Grillwurst die wunderbaren Anekdoten von damals zu erzählen?

Ja, ja, ja und nochmals ja: Da sitzen alle da und lachen aus vollem Halse: Weißt du noch damals, als wir alle lachten, weil du so fett und unsportlich warst? Mensch, hatten wir einen Spaß. Ein tolles Argument, Achim! Deshalb:

Wir brauchen die Bundesjugendspiele!

Der eigene Kampf bei den Bundesjugendspielen sorgt für ein bisschen mehr Respekt für Leichtathleten, die ihr halbes Leben und ihre Gesundheit investieren, um in wenig publikumswirksamen Disziplinen Erfolg zu haben.

Äh… Wird wohl stimmen:

Wir brauchen die Bundesjugendspiele!

Es soll ja immer noch verborgene Talente in diesem Land geben.

Richtig. Und da den Sportlehrern das nie während des Unterrichts auffällt, müssen die Bundesjugendspiele her. Das ergibt Sinn.

Wir brauchen die Bundesjugendspiele!

Die Urkunde vom Bundespräsidenten.

Ne.

Ich danke nicht nur für das Gespräch mit einem Wunderathleten (sagte ich das schon), sondern auch für viele tiefe Einsichten in das Denken eines ehemaligen Profisportlers. Ich bin vollends überzeugt und werde nun joggen gehen, weil ich das so hasse, aber Scheitern als Chance begreife. Ich sage dann noch Ort und Zeit, weil ich gerne hätte, dass alle dabei zusehen und wir später bei einem Bier darüber lachen können.

 

2 Kommentare

  1. Echt super geantwortet, danke, dass das jemand mal macht. Ich darf da morgen mitmachen und “freue” mich schon meeeega… nicht.

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