KRITIK: Eine inszenierte Frechheit. "Danton. Tod?" Ein Verriss

Bob Blume
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7. November 2014
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Ich hatte mir vorgenommen, nicht über dieses Stück zu schreiben, welches am 6. November im Kurhaus Freudenstadt zu sehen war und das meine Kollegen und ich zusammen mit drei Klassen ertragen mussten. Drei Klassen, die nach dieser Erfahrung von Drama für die nächsten zehn Jahre keinen Schritt mehr in ein Theater setzen werden. Insgesamt waren laut Schwarzwälder Boten 250 Menschen anwesend, die man nur bemitleiden kann.

Meinen Entschluss, aus Rücksicht auf die starke Erinnerungsleistung der drei Hauptdarsteller auf eine Rezension zu verzichten, muss ich aufgrund des Artikels im Schwarzwälder Boten, deren Urteil ich trotz mehreren Versuchen nicht nachvollziehen kann, zurücknehmen. Hier schildere ich meine[1] Eindrücke.

„Sind wir einfach nicht kultiviert genug, um das zu verstehen?“, fragte mich ein Schüler, nachdem wir nach 80-minütigem Martyrium das Kurhaus verließen. „Nein“, erwiderte ich und musste mich sammeln. „Nein“, hob ich wieder an. „Selbst nach einem angeschlossenen Hochschulstudium der Germanistik kann ich nur sagen: Das war der absolute Reinfall.“ Aber der Reihe nach.

Mit dem Kurhaus Freudenstadt, das immer wieder interessante Inszenierungen auf die Bühne bringt, verbinde ich vor allem den vorzüglichen Theaterabend, den mir „The Kings Speech“ im letzten Jahr brachte. Insofern war ich sehr froh darüber, dass wir die Chance bekamen, zusammen mit drei zehnten Klassen ins Theater zu gehen. Zwar ist schon der Ausgangstext Büchners nicht einfach zu verstehen, aber „modern“ inszeniert, wie es zunächst hieß, konnte ich mir ein mitreißendes Stück denken.

Ohne Pathos ausgedrückt geht es um einen romantisch verlorenen Danton, der die Reaktion auf die durch ihn angeleitete Revolution nicht verwindet und der durch seinen Widersacher Robespierre und mithilfe der Gerichte in den resigniert hingenommenen Tod geführt wird. Neben einer schwierigen Personenkonstellation, die einen historischen Hintergrund der Ereignisse der französischen Revolution voraussetzt, ist das Stück im Grunde einfach: Es ist der wütende Schrei eines jungen Mannes gegen die reaktionäre Haltung der Staatsmacht. Als Ausgangslage ist dies kein schlechtes Material für einen spannenden Theaterbesuch.

Hier hören jedoch die Gemeinsamkeiten zwischen dieser Rezension und der des Schwarzwälder Boten auf, der eine „schillernde Inszenierung“ gesehen haben will, die mit einem „lebhaften Beifall“ beklatscht wurde. Zumindest um mich herum war dies Ausdruck der Erleichterung, dass das Stück vorbei war.

Da es zu weit führen würde, jeden einzelnen Aspekt der Matinee-Aufführung der Badischen Landesbühne zu beurteilen und dabei in einem einigermaßen fairen Ton zu bleiben, möchte ich nur einige Aspekte einer völlig verunglückten Veranstaltung hervorheben.

Olivier Garofalo bringt mit einer Inszenierung von Mehdi Moinzadeh und einer Ausstattung von Ines Unser ein Stück auf die Bühne, deren Komponenten durch drei Merkmale beschrieben werden können: Zu viel, zu gewollt, zu starr.

Schon zu Beginn sind die Schüler verwirrt durch die Stimmen, die durch den opulenten Vorhang auf der Bühne erscheinen. Man denkt noch, dass müsse so sein. Doch schon hier wird klar, dass der Dialog der Schauspieler viel zu lange ist, um seine Wirkung zu entfalten. Die folgende Spielerei, dass die Köpfe der Figuren aus dem noch abgedeckten Dodekaeder schauen und sich so schon früh eine unangenehme Komik evozieren, sei nur am Rande erwähnt.

Der Duktus der Figuren ist eintönig, gleichbleibend. Man könnte hier freilich etwas „roboterhaftes“ erkennen. Man könnte aber auch einfach sagen: Die Schauspieler werden dem Sprachrhythmus Büchners beraubt. Mehr noch: Dadurch, dass Sie bei jedem Personalpronomen als Ausdruck metaphorischer Selbstüberschätzung des Regisseurs eine Gebärde machen, die nicht nur komisch, sondern nach einer Zeit völlig lächerlich und überflüssig anmutet, ist der Inhalt des Stückes schon zu Beginn verloren.

Dass dabei nur drei Personen eine ganze Besetzung spielen, hätte eine große Chance sein können – wäre das Stück nur 60 Minuten kürzer gewesen. Jedoch ist die dann dargebotene Bewegung auf der Bühne so marginal, dass das Ganze über riesige Zeiträume wie ein langweiliger Sprechgesang daherkommt, der jede aufkommende Dramatik im Keime erstickt.

Das viel zu pompös daherkommende Bühnenbild stielt den letzten Rest aufkommenden Gefühls für die Beziehung der Schauspieler untereinander. Jede aufkommende Idee erscheint einmal mehr als ein isoliertes Blitzlicht, dass in keinen Zusammenhang gestellt wird.

Der Bühnenraum wird nicht genutzt, nicht von den Schauspielern eingenommen – wirkt leer. Licht spielt außer den paar „netten Effekten“ keine Rolle.

Am Ende finde ich doch noch etwas, dass die Betrachtungen des Schwarzwälder Boten und meine eigenen gemein haben. In der Tat macht das 80-minütige Stück es dem Zuschauer nicht leicht. Man hätte mutiger sein sollen. So mutig, aus dem Stück herauszugehen und den Schülerinnen und Schülern eine schöne Geschichte zu erzählen. Die hätte wenigstens nichts beschädigt. So jedenfalls erlebten alle Regietheater der Art, die dafür sorgen wird, dass „Theater“ mit einem kläglichen Versuch assoziiert wird, ein großartiges Stück deutscher Literatur mit metaphorischer Kulisse, Sprache und Ausstattung zu zerstören.

Vielleicht hätte man den Text einfach vorlesen sollen. Ich hätte es mir gewünscht.

 

[1] Dies sind die Eindrücke, eines Lehrers für Deutsch, keines professionellen Rezensenten und Kritikers. Ich kann lediglich auf die Erfahrungen der Leitung von Theater-AGs, eigenen Stücken, Fortbildungen und Blog-Rezensionen zurückgreifen.

 

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