An einer anderen Stelle habe ich (für Lehrer*innen) geschrieben, inwiefern der Fernunterricht die momentane Lage ändert. Das gilt natürlich auch für Abiturientinnen und Abiturienten. Wir (also mein Kurs und ich) haben das Glück, dass wir schon vor den Schulschließungen sehr frei gearbeitet haben. Die Impulse von meiner Seite, die Arbeit und die Rückmeldungen gehen also weiter. Leider ist das, wie ich den Kommentaren unter meinen Youtube-Videos entnehmen muss, nicht überall so. Aus diesem Grund frage ich meine Schüler*innen hin und wieder, ob ich Ihre Arbeiten und deren Überarbeitungen veröffentlichen darf. An dieser Stelle folgt die erste Version eines Werkvergleich samt meinen Anmerkungen. Die zweite Version ist dann die (gelungene) Überarbeitung. Herzlichen Dank Roxane Straub für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.
1. Version (Feedback fett markiert)
Zunächst die erste Version. Die Schülerin hatte ausschließlich den von ihr ausgesuchten Außentext, auf den sie die drei Werke bezog.
“Keine Frau hat ihren Mann je um ein Haarbreit verändert.” (Gerald O’Hara in Margaret Mitchell, “Vom Winde verweht”
Thema: Rolle der Frauen
Faust, Steppenwolf und goldner Topf
In allen Werken spielen die Frauenfiguren eine entscheidende und wichtige Rolle. Aber wie haben sie die Protagonisten und deren Lebensweise verändert?
Sie beziehen sich hier ja auf den Außentext. Das könnte zwar deutlich werden, aber der Außentext selbst liegt ja ansonsten neben Ihrer Klausur. Also beziehen Sie sich noch deutlicher darauf, zitieren Sie einen Teil und erklären, was gemeint ist.
O’Hara geht also davon aus, dass dies […]
In diesem Aspekt unterscheidet sich Faust stark von den anderen zwei Werken. Margarete dient nur als Mittel zum Zweck für Faust.
Auf hohem Niveau gejammert: Formulieren Sie die Erkenntnis schon als Deutungshypothese: Faust unterscheidet sich von den anderen beiden Werken insofern, dass dass die Frauenfigur Margarete…
Nachdem sie ihre Liebesnacht verbracht haben zieht ihr Verlust der Jungfernschaft den Verlust der Interesse nach sich. Margaretes Schicksal wird schon früh vorweggenommen und sie entfremdet sich immer mehr von sich selbst. Ihre Rolle in Fausts Leben beziehungsweise auf seinem Weg zur Erkenntnis und zum vollkommenden Genuss ist somit klar. Dadurch, dass Mephisto Faust von Anfang an missversteht und sie eine völlig andere Vorstellung von Genuss haben, ist auch klar, dass eine Liebesnacht mit einer Frau ihn nicht zu einer höheren Erkenntnis bringt.
Wenn Sie so etwas andeuten, ist das klasse. Aber dann müssen Sie es auch ausführen, also am besten mit Beleg und Erklärung (in Bezug auf den unterschiedlichen Genussbegriff).
Margarete ist in diesem Fall jedoch nicht nur das verführte Opfer, sondern treibt aktiv die Handlung voran, als sie beispielsweise Fausts Liebesgeständnis provoziert. Sie tötet nicht nur ihre Mutter mit dem Schlaftrank, welchen Faust ihr gegeben hat, sondern auch ihr Kind. Als sie jedoch am Ende des ersten Teil des Dramas ihre Schuld akzeptiert, kommt sie mit sich ins Reine und wird von Gott erlöst. Was man über ihre Rolle in Fausts Leben sagen kann ist, dass sie ihn nicht verändert und auch seine Lebensweise nicht verändert hat.
Ich verstehe Ihre Sichtweise, aber kann man das nicht anders sehen? Faust, der Gelehrte, der nach dem ganzheitlichen Verständnis von allem trachtet, verändert sich doch schon, als er sie sieht, oder nicht? Er wird leidenschaftlich, was er in Auerbachs Keller nicht ist. Wenn Sie möchten, schreiben Sie darauf eine Antwort und arbeiten Sie diese in den Text ein.
Faust erlebte nicht den vollkommenen Genuss und konnte sich durch sie nicht entgrenzen, was sein eigentlicher Wunsch ist.
Erklären!
Aber auch mit Mephisto wird er weiterhin unter dieser Begrenztheit leben, da dieser nur auf Fausts sexuellen Trieb fokussiert ist. Faust ist durch seine konsequente Negationshaltung gegenüber der Möglichkeit, doch zufriedengestellt zu werden, schon fast selber der „Geist der stets verneint“ (1338). Durch seine dualistischen Spannungsverhältnisse muss es also quasi an sich selbst scheitern. Somit passt der Außentext gut auf die Geschichte von Faust und Margarete, da sie ihn nicht verändert hat.
Anders ist das allerdings im Steppenwolf. Es ist eine ähnliche Ausgangslage, denn Harry Haller ist auch in einer tiefen Melancholie gefangen. Er ist wie Faust ein Gelehrter, jedoch leidet er unter einer inneren Zerrissenheit.
Gut!
Er gliedert seine Seele in zwei autonome Parteien, eine wölfische und menschliche Seele. Er sieht sich somit nicht mehr als Einheit was auf Dauer zur eigenen Entfremdung führt. Beide stehen kurz von dem Selbstmord, jedoch mit anderen Ideen und Motiven dahinter. An dem Höhepunkt seiner Depression lernt er Hermine kennen. Sie nimmt ihn an die Hand und übernimmt eine Mutterrolle für Haller, sie verlangt seinen Gehorsam und erteilt ihm Befehle. Dieser, auch von C.G. Jung beschriebene „Mutterarchetypus“, gilt als Urbild der Mütterlichkeit. Haller erinnert sich somit an seine Kindheit und hat somit das Gefühl er könnte sein Leben nochmal neu beginnen und eventuell auch Ganzheit erlangen. Sie ist wie das Spiegelbild von Haller. Sie lehrt ihn das Tanzen, stellt Haller Maria vor und nimmt ihn mit auf Veranstaltungen. Was total neu für ihn ist.
Er durchbricht die Welt des Intellektuellen, Vergeistigten und dringt in die Welt des Tanzens, der Erotik und des Tuns ein. Er lebte zurückgezogen und alleine, aufgrund des ständigen Kampfes zwischen seinen Seelen. Pablo, Hermine und Maria stellen unterdrückte Persönlichkeitsanteile von Haller dar. Mit Maria kann er beispielsweise seine verdrängte Sexualität ausleben.
Die Begegnung mit Hermine stellt somit ein Wendepunkt in Hallers Leben dar. Sie zeigt ihm die Kneipenwelt und die Gesellschaft und bereitet ihn somit auf den Höhepunkt im Roman vor: dem magischen Theater. Dort erwartet ihn hinter jeder der verschiedenen Türen ein Stück seiner eigenen Seelenwelt aber auch ungelöste Lebensprobleme, was zur Folge die Harmonisierung Hallers Psyche, auf Aussöhnung der inneren Widersprüche, hat. Entscheidend dabei ist, dass Hallers beginnende Heilung zwar nicht vollendet ist, jedoch gibt es eine klare Bereitschaft für einen Neubeginn. Damit ist auch Hermines Rolle im Roman klar. Sie bereitet ihn auf dieses wichtige und lebensveränderte Event im magischen Theater vor. Haller durchlebt eine Veränderung und Entwicklung und beispielsweise auf dem Maskenball erlebt er dadurch einen ekstatischen Rausch, sowie die Auflösung seiner Persönlichkeit.
Auch dadurch das Haller sich in Hermine verliebt, ist er bereit, Hermine als sein weibliches Ich in seine Gesamtpsyche zu integrieren und somit innere Gesamtheit erlangen. Aber auch Hermines Tod ist bedeutend für Hallers Entwicklung und Heilung. Auf der einen Seite vergibt er die Chance seinen weiblichen Teil anzunehmen, aber auf der anderen Seite ist es eine Art Befreiungsschlag für Haller und es gelingt ihm sich von einem Teil seiner Persönlichkeit zu befreien. Hermine holt ihn also aus seiner Melancholie raus und spielt somit eine sehr wichtige und entscheidende Rolle in Hallers Leben und nur durch sie hat er die Möglichkeit bekommen nochmal neu zu beginnen und sich selbst neu zu finden oder zu erfinden.
Somit passt der Außentext nicht zu der wichtigen Rolle welche Hermine, im Entwicklungsroman Steppenwolf, spielt.
Ich finde „passt nicht zu“ nicht passend. Den Bezug würde ich mir anders wünschen. Zunächst zu dem oberen Teil. Ich finde vieles davon sehr gut gelungen, allerdings würde ich mir wünschen, dass Sie die herausgearbeiteten Aspekte noch deutlicher isolieren, denn dann könnten Sie das Ganze noch deutlicher auf die anderen Werke beziehen, also:
Schlussfolgerung und Aspekt 1: Tanz und Leidenschaft
Schlussfolgerung und Aspekt 2: Sexualität
Wissen Sie, was ich meine? Denn dann könnten Sie später im Rückbezug auf den Außentext die einzelnen Aspekte nochmals deutlicher gegenüber allen Werken unter die Lupe nehmen.
Der goldne Topf unterschiedet sich von den anderen zwei Werken in dem Aspekt, dass es im Kunstmärchen nicht nur eine wichtige Frauenfigur, sonder zwei gibt. Die Grundproblematik oder der Grundkonflikt ist, das Ineinandergreifen der magischen und realen Welt. Der Student Anselmus, welcher zwischen diesen zwei Welten steht, lebt in der realen Welt, hat aber die Offenheit für wunderbare Phänomene. Somit lebt auch Anselmus in einem Dualismus, wie auch Faust und Haller.
Gut!
Es gibt zwei Frauenfiguren, welche repräsentativ für ihre Sphäre stehen. Serpentina steht für die magische Welt und Veronika für die Reale. Serpentina erscheint als Schlange, ist die Tochter des Archivars, bei welchem Anselmus einen Job annimmt, und gehört zu der höheren Welt des Guten. Sie ist das Sinnbild der Vollkommenheit und Glückseligkeit. Anselmus und sie verbindet eine umfassende Liebe, welche über das Alltägliche hinaus geht. Veronika ist die Tochter von Paulmann, einem guten Freund von Anselmus. Sie träumt davon Hofrätin zu werden und um ihren Traum wahr werden zu lassen benutzt sie sogar schwarze Magie. Sie ist somit die Gegenspielerin von Serpentina. Am Ende „siegt“ Serpentine und Anselmus geht mit ihr über, in die magische Welt Atlantis. Veronika bereut ihr Griff zu schwarze Magie und gönnt den Beiden ihr Glück.
Seine Liebe zu Serpentina treibt ihn bei seinen Abschreibarbeiten immer wieder an und motiviert ihn. Und auch ihre Stimme ist es, welche Anselmus Hoffnung gibt, als er in der kristallen Flasche gefangen ist. Das ist auch der Moment, als er sich endgültig für Serpentina entscheidet, da sie ihm diese Hoffnung schenkt und quasi sein Licht am Ende des Tunnels ist.
Eine wichtige Bedeutung der Beziehung von Serpentina und Anselmus ist auch die damit einhergehende Erlösung ihres Vaters Archivarius Lindhorst. Im Gegensatz zu der Liebe von Veronika und dem Studenten, welche auf Veronikas Traum der Hofrätin basiert, hat die Liebe von Serpentina und Anselmus auch eine spirituelle Komponente und geht über das Alltägliche hinaus. Bedeutend ist auch das Anselmus eine Entwicklung durchlebt. Er verwandelt sich vom tollpatschigen Studenten, welcher sich ständig selbst bemitleidet und von der Gesellschaft belächelt wird, zu einem galanten, selbstbewussten Mann, welcher mit seiner Liebe glücklich wird. Also passt der Außentext auch nicht auf diese Geschichte, denn Serpentina trägt mit ihrer motivierenden Liebe viel zu Anselmus’ Veränderung bei.
Auch hier würde ich mir einen anderen Bezug wünschen, obwohl ich verstehe, was Sie damit meinen, dass es „passt“.
Vielleicht so: Die Ergebnisse verdeutlichen einen Widerspruch gegenüber der These des Außentextes, dass…
Oder: Hier zeigt sich durchaus jene Form des Einflusses, der im Außentext verneint wird, indem es heißt…
Insgesamt:
Immer wieder schöne Passagen und Formulierungen, gerade in den Über- und Einleitungen. Allerdings: Keine Belege und somit keine genaueren Analyseteile (Das haben Sie wahrscheinlich extra nicht gemacht, oder? Jedenfalls würde ich das mit üben, damit es später locker von der Hand geht). Die schon angedeuteten Bezüge zum Außentext noch besser üben. Und den Außentext selbst in seiner „Message“, auch zitiert und paraphrasiert noch besser einbinden.
Liebe Grüße
2. Version
Die zweite, überarbeite Version. Diese wird an dieser Stelle ohne weitere Überarbeitungen übernommen. Dennoch erklärte ich in einem zweiten Feedback Folgendes:
Die Zitate, die Sie einstreuen, verbessern Ihre gesamte Arbeit ungemein. Das heißt, dass Sie dies beibehalten sollten. Das wiederum ergibt für Sie eine mögliche Aufgaben der Weiterarbeit, nämlich das Heraussuchen von zentralen Stellen. Was Sie nicht machen, was aber für das Abitur (möglicherweise) interessant sein könnte, ist eine genaue(re) Deutung der Zitate. Will sagen: Sie führen das Zitat nicht nur an, sondern "nehmen es auseinander". Das kann man natürlich nicht zu häufig machen, da das Ganze sonst zu umfangreich werden würde. Dennoch bietet es sich an, ab und zu auch zu zeigen, dass man auf der Mikroebene in der Lage ist, zu deuten (Die Makroebene wäre das Schlussfolgern im größeren Stil wie Sie es teilweise vorzüglich tun). Ergibt das Sinn? Sagen Sie doch kurz Bescheid, ob Sie etwas damit anfangen können.
“Keine Frau hat ihren Mann je um ein Haarbreit verändert.” (Gerald O’Hara in Margaret Mitchell, “Vom Winde verweht”
Thema: Rolle der Frauen
Faust, Steppenwolf und goldner Topf
In allen Werken spielen die Frauenfiguren eine entscheidende und wichtige Rolle. Der Autor des vorliegende Außentextes behauptet, dass ein Mann noch nie von einer Frau auch nur „um ein Haarbreit“ (Außentext, Gerald O’Hara) verändert wurde. Inwiefern trifft diese Aussage auf die drei Werke zu? Haben die Frauenfiguren die Protagonisten und deren Lebensweise verändert?
Faust unterscheidet sich von den anderen beiden Werken insofern, dass die Frauenfigur Margarete nur als Mittel zum Zweck dient. Nachdem sie ihre Liebesnacht verbracht haben zieht ihr Verlust der Jungfernschaft den Verlust der Interesse nach sich. Margaretes Schicksal wird schon früh vorweggenommen und sie entfremdet sich immer mehr von sich selbst. Ihre Rolle in Fausts Leben beziehungsweise auf seinem Weg zur Erkenntnis und zum vollkommenden Genuss ist somit auch klar. Das wird dadurch deutlich, dass Mephisto Faust von Anfang an missversteht und sie eine völlig andere Vorstellung von Genuss haben. Faust leidet unter der Begrenztheit seines Wissens und sucht nach dem Urprinzip. Er strebt danach, zu erkennen „was die Welt, im Innersten zusammenhält“
(V.382f.). Zusammengefasst erkennt er also die Grenzen der menschlichen Erkenntnis und möchte diese durchbrechen. Faust versteht unter Genuss also nicht nur Leidenschaft und Sexualität, sondern auch Wissen und die Entgrenzung. Im Gegensatz dazu steht Mephisto mit seiner eigenen Weltanschauung: Er geht davon aus, dass der Mensch vom körperlichen und triebhaften gesteuert ist, somit hat er ein animalistisches Bild von den Menschen. Er spricht ihnen jegliche Vernunft und intellektuellen Fähigkeiten ab. Aufgrund dieses Missverständnis ist klar, dass eine Liebesnacht mit einer Frau Faust nicht zu einer höheren Erkenntnis bringt und ihn im Bezug auf den Außentext auch nicht verändern wird.
Margarete ist in diesem Fall jedoch nicht nur das verführte Opfer, sondern treibt aktiv die Handlung voran, als sie beispielsweise Fausts Liebesgeständnis provoziert. Sie tötet nicht nur ihre Mutter mit dem Schlaftrank, welchen Faust ihr gegeben hat, sondern auch ihr Kind. Als sie jedoch am Ende des ersten Teil des Dramas ihre Schuld akzeptiert, kommt sie mit sich ins Reine und wird von Gott erlöst. Was man über ihre Rolle in Fausts Leben sagen kann ist, dass sie ihn nicht verändert und auch seine Lebensweise nicht verändert hat. Faust erlebte nicht den vollkommenen Genuss, da wie oben erwähnt für ihn Genuss nicht nur Leidenschaft und Sexualität bedeutet, sondern auch, sich von der Begrenztheit des Wissens zu entgrenzen. Also konnte er sich durch sie nicht entgrenzen, was sein eigentlicher Wunsch ist. Aber auch mit Mephisto wird er weiterhin unter dieser Begrenztheit leben, da dieser nur auf Fausts sexuellen Trieb fokussiert ist. Faust ist durch seine konsequente Negationshaltung gegenüber der Möglichkeit, doch zufriedengestellt zu werden, schon fast selber der „Geist der stets verneint“ (1338). Durch seine dualistischen Spannungsverhältnisse muss es also quasi an sich selbst scheitern.
Jedoch kann man das auch anders sehen, denn als Faust Margarete sieht, wird er leidenschaftlicher, die Begegnung weckt Fausts sinnlichen Trieb. Er spricht sie an mit den Worten: „Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?“ (V. 2605f.) Man spürt eine aufdringliche Aggressivität, was sehr unüblich für Faust ist. Somit kann man schon eine Veränderung sehen. Was man aber im Hinterkopf dabei haben muss, ist, dass Faust zuvor in der Hexenküche einen Zaubertrank zu sich nahm, welcher bewirkt, dass er in jeder Frau die Helena, ein Idealbild, sieht.
Somit können die Meinungen auseinandergehen, wenn man darüber nachdenkt ob Margarete Faust grundlegend verändert. Wenn man Bezug zum Außentext nimmt, wobei O’Hara behauptet Frauen verändern die Männer nicht mal um ein „Haarbreit“, könnte man natürlich damit argumentieren, dass Faust schon eine kleine Veränderung durchlebt, jedoch ist es schwierig zu sagen ob die Veränderung auf der Begegnung mit Margarete basiert oder auf der Tatsache, dass er einen Zaubertrank intus hat.
Anders ist das allerdings im Steppenwolf. Es ist eine ähnliche Ausgangslage, denn Harry Haller ist auch in einer tiefen Melancholie gefangen. Er ist wie Faust ein Gelehrter, jedoch leidet er unter einer inneren Zerrissenheit. Er gliedert seine Seele in zwei autonome Parteien, eine wölfische und menschliche Seele. Er sieht sich somit nicht mehr als Einheit was auf Dauer zur eigenen Entfremdung führt. Beide stehen kurz von dem Selbstmord, jedoch mit anderen Ideen und Motiven dahinter. Faust sieht den Selbstmord als Entgrenzungsveruch, wohingegen Haller die Erlösung in ihm sieht. An dem Höhepunkt seiner Depression lernt er Hermine kennen. Sie nimmt ihn an die Hand und übernimmt eine Mutterrolle für Haller, sie verlangt seinen Gehorsam und erteilt ihm Befehle. Dieser, auch von C.G. Jung beschriebene „Mutterarchetypus“, gilt als Urbild der Mütterlichkeit. Haller erinnert sich somit an seine Kindheit und hat somit das Gefühl er könnte sein Leben nochmal neu beginnen und eventuell auch Ganzheit erlangen.
Durch Hermine lernt Haller auch Maria kennen. Mit ihr kann er seine verdrängte Sexualität ausleben. Denn auch wie Hermine und Pablo, stellt Maria einen unterdrückten Persönlichkeitsanteil Hallers dar. Er durchbricht die Welt des Intellektuellen- Vergeistigten und dringt in die Welt des Tanzens, der Erotik und des Tuns ein.
Hermine ist wie das Spiegelbild von Haller. Sie lehrt ihn das Tanzen und nimmt ihn mit auf Veranstaltungen. Was total neu für ihn ist. Denn zuvor lebte er zurückgezogen und alleine, aufgrund des ständigen Kampfes zwischen seinen Seelen.
Die Begegnung mit Hermine stellt somit ein Wendepunkt in Hallers Leben dar. Sie zeigt ihm die Kneipenwelt und die Gesellschaft und bereitet ihn somit auf den Höhepunkt im Roman vor: dem magischen Theater. Dort erwartet ihn hinter jeder der verschiedenen Türen ein Stück seiner eigenen Seelenwelt aber auch ungelöste Lebensprobleme, was zur Folge die Harmonisierung Hallers Psyche, auf Aussöhnung der inneren Widersprüche, hat. Entscheidend dabei ist, dass Hallers beginnende Heilung zwar nicht vollendet ist, jedoch gibt es eine klare Bereitschaft für einen Neubeginn.
Damit ist auch Hermines Rolle im Roman klar. Sie bereitet ihn auf dieses wichtige und lebensveränderte Event im magischen Theater vor. Haller durchlebt eine Veränderung und Entwicklung durch die Begegnung mit Hermine, beispielsweise auf dem Maskenball erlebt er dadurch einen ekstatischen Rausch, sowie die Auflösung seiner Persönlichkeit.
Auch dadurch das Haller sich in Hermine verliebt, ist er bereit, Hermine als sein weibliches Ich in seine Gesamtpsyche zu integrieren und somit innere Gesamtheit erlangen.
Aber auch Hermines Tod ist bedeutend für Hallers Entwicklung und Heilung. Auf der einen Seite vergibt er die Chance seinen weiblichen Teil anzunehmen, aber auf der anderen Seite ist es eine Art Befreiungsschlag für Haller und es gelingt ihm sich von einem Teil seiner Persönlichkeit zu befreien.
Hermine holt ihn also aus seiner Melancholie raus und spielt somit eine sehr wichtige und entscheidende Rolle in Hallers Leben und nur durch sie hat er die Möglichkeit bekommen nochmal neu zu beginnen und sich selbst neu zu finden oder zu erfinden. Die Aussage welche des Autor des Außentextes trifft, kann man somit nicht auf die Beziehung von Hermine und Haller übertragen, da Hermine eine existenziell wichtige Rolle in der Entwicklung von Haller spielt.
Der goldne Topf unterschiedet sich von den anderen zwei Werken in dem Aspekt, dass es im Kunstmärchen nicht nur eine wichtige Frauenfigur, sondern zwei gibt. Die Grundproblematik oder der Grundkonflikt ist, das Ineinandergreifen der magischen und realen Welt. Der Student Anselmus, welcher zwischen diesen zwei Welten steht, lebt in der realen Welt, hat aber die Offenheit für wunderbare Phänomene. Somit lebt auch Anselmus in einem Dualismus, wie auch Faust und Haller. Es gibt zwei Frauenfiguren, welche repräsentativ für ihre Sphäre stehen. Serpentina steht für die magische Welt und Veronika für die Reale. Serpentina erscheint als Schlange, ist die Tochter des Archivars, bei welchem Anselmus einen Job annimmt, und gehört zu der höheren Welt des Guten. Sie ist das Sinnbild der Vollkommenheit und Glückseligkeit. Anselmus und sie verbindet eine umfassende Liebe, welche über das Alltägliche hinaus geht. Veronika ist die Tochter von Paulmann, einem guten Freund von Anselmus. Sie träumt davon Hofrätin zu werden und um ihren Traum wahr werden zu lassen benutzt sie sogar schwarze Magie. Sie ist somit die Gegenspielerin von Serpentina. Am Ende „siegt“ Serpentina und Anselmus geht mit ihr über, in die magische Welt Atlantis. Veronika bereut ihr Griff zur schwarzen Magie und gönnt den Beiden ihr Glück.
Seine Liebe zu Serpentina treibt ihn bei seinen Abschreibarbeiten immer wieder an und motiviert ihn. Und auch ihre Stimme ist es, welche Anselmus Hoffnung gibt, als er in der kristallen Flasche gefangen ist. Das ist auch der Moment, als er sich endgültig für Serpentina entscheidet, da sie ihm diese Hoffnung schenkt und quasi sein Licht am Ende des Tunnels ist. Eine wichtige Bedeutung der Beziehung von Serpentina und Anselmus ist auch die damit einhergehende Erlösung ihres Vaters Archivarius Lindhorst. Im Gegensatz zu der Liebe von Veronika und dem Studenten, welche auf Veronikas Traum der Hofrätin basiert, hat die Liebe von Serpentina und Anselmus auch eine spirituelle Komponente und geht über das Alltägliche hinaus. Bedeutend ist auch das Anselmus eine Entwicklung durchlebt. Er verwandelt sich vom tollpatschigen Studenten, welcher sich ständig selbst bemitleidet und von der Gesellschaft belächelt wird, zu einem galanten, selbstbewussten Mann, welcher mit seiner Liebe glücklich wird.
Die Ergebnisse verdeutlichen also einen Widerspruch gegenüber der These des Außentextes, denn in dieser Geschichte, trägt Serpentina mit ihrer motivierenden Liebe viel zu Anselmus’ Veränderung bei.